Frankreichs Präsident Macron will die EU-Regierung, SPD-Chef Schulz die Vereinigten Staaten von Europa bis 2025. Die €-Krise hilft dabei. Sie war kein Zufall.
„Wir können die politische Union nur erreichen, wenn wir eine Krise haben.“
(Wolfgang Schäuble)
Der EU-Zentralstaat als Ziel
Die europäische Integrations-Bewegung, die nach dem 2. Weltkrieg besonders von dem Österreicher Coudenhove-Kalergi und dem Franzosen Jean Monnet vorangetrieben wurde, hatte von Anfang an das Ziel, einen europäischen Bundesstaat zu schaffen,mit dem die europäischen Staaten ihre völkerrechtliche Souveränität verlieren und die Völker in einer einheitlichen Bevölkerung, einer „europäischen Nation“, aufgehen sollen. Dem stellten sich aber starke nationalstaatliche Kräfte entgegen, so dass sich der europäische Bundesstaat nicht direkt verwirklichen ließ. Man musste einen Umweg einschlagen, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil vom 30.6.2009 ausführte:
„Über eine möglichst weitgehende wirtschaftliche Verflechtung über einen gemeinsamen Markt sollte die praktische Notwendigkeit politischer Vergemeinschaftung herbeigeführt werden, und es sollten Handels- und Wirtschaftsbedingungen entstehen, die eine politische, auch außen- und sicherheitspolitische Einheit dann als allein folgerichtig erscheinen lassen würden… Dieser funktionale Ansatz lag den 1957 geschlossenen „Römischen Verträgen“ … zugrunde. In den folgenden Jahrzehnten wurden diese Verträge schrittweise fortentwickelt und in der Organgestaltung zum Teil staatlichen Strukturen angeglichen.“
Das hat dann zur EWG, EG und der heutigen EU geführt. Das Ziel des zentralen Bundesstaates hat man nie aus dem Auge verloren und stets versucht, ihm Schritt für Schritt näher zu kommen, ohne dass die Völker, die betroffenen Menschen selbst es merken sollten – getreu nach der Losung Jean Monnets:
„Europas Länder sollten in einen Superstaat überführt werden, ohne dass die Bevölkerung versteht, was geschieht. Dies muss schrittweise geschehen, jeweils unter einem wirtschaftlichen Vorwand.“ (lt. Focus 34/2010)
Das €uro-Projekt
Auf den Weg zu diesem Ziel fügt sich auch nahtlos das Projekt der gemeinsamen Währung ein. Der €uro soll das in einem Bundesstaat vereinigte Europa symbolisieren und das Bewusstsein der Menschen dafür öffnen. In einem Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung von 1999 heißt es:
„Die Währungsunion ist eine weitere Etappe dieser von der Wirtschaft ausgehenden Integration, die immer auch Schritte der politischen Integration beinhaltete oder nach sich gezogen hat. … Es ist dauerhaft nicht denkbar, eine Gemeinschaftswährung einzuführen, ohne nicht auch in zentralen Bereichen des politischen Lebens … zu Harmonisierungen und Kooperationsformen zu gelangen. Darum ist die Europäische Währungsunion das Schlüsselprojekt der europäischen Integration. Es liegt in den Händen der verantwortlichen Politikerinnen und Politiker, dass Europa in den nächsten Jahren von einer politischen Union gekrönt werden kann…. Die Währungsunion institutionalisiert den Einigungsprozess unwiderruflich.“[1]
Es geht um den europäischen Bundesstaat, für den der €uro das große Integrations-Symbol darstellt, das täglich durch die Hände der Menschen geht und so unterschwellig für den Verzicht auf die eigene Souveränität bereit machen soll.Obwohl bei so unterschiedlichen Wirtschaftsgebieten in Europa eine Gemeinschaftswährung gegen alle wirtschaftliche Vernunft war und ist, und namhafte Ökonomen auch eindringlich davor gewarnt hatten, wurde der €uro aus diesen politischen Gründen eingeführt. Eine funktionierende Gemeinschafts-Währung setzt aber einen einheitlichen Wirtschaftsraum von etwa gleicher Wirtschaftskraft voraus, die Länder der Eurozone reichen indessen von hochentwickelten Industrienationen im Norden zu wenig entwickelten Agrarstaaten im Süden.
Eine Währung erhält ja ihren Wert und ihre Stärke im Waren- und Finanzverkehr von der wirtschaftlichen Leistungskraft des jeweiligen Wirtschaftsraumes. Darauf muss sie durch Ab- und Aufwertungen auch immer wieder abgestimmt werden. Der Wert des €uro wird jedoch, da der Wirtschaftsraum nicht einheitlich ist, von den starken Industrienationen Nordeuropas geprägt, d. h. höher gehandelt, als es den schwachen Wirtschaftskräften der Südländer entspricht.
Weil 1 €uro überall gleich 1 €uro ist, repräsentiert er daher in Griechenland, Portugal usw. einen höheren Wert, als an wirtschaftlichem Gegenwert in diesen Ländern vorhanden ist. Die Gemeinschaftswährung des €uro kann aber für einzelne Länder weder abgewertet noch aufgewertet werden. Die nationalen Zentralbanken verlieren ihre indirekten Steuerungsmöglichkeiten.
Geschichte eines fortgesetzten kollektiven Rechtsbruches
Dies hat zur Folge, dass diese schwachen Länder in einem Maße international kreditwürdig wurden, wie sie es vorher mit ihrer eigenen Landeswährung nie waren; denn die Drachme Griechenlands hatte bis dahin international natürlich nur den Wert, der seiner eigenen tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungskraft entsprach.
Damit entstand für die Politiker dieser Länder die ungeheure Versuchung, die jetzt günstigen Kredite mit dem zunächst niedrigen €uro-Zins auch in großem Maße aufzunehmen, um ihren Entwicklungsrückstand auf bequeme Weise aufzuholen und sich bei den Wählern beliebt zu machen. Das ist der entscheidende Grund der Verschuldung, der auch durch die „Rettungsfonds“ nicht beseitigt wird, sondern immer wieder zu neuen Schulden führt.
Die zentrale Ursache für das Schuldenmachen der schwachen Länder ist die Gemeinschaftswährung des Euro. Hans-Olaf Henkel bringt das plastisch ins Bild:
„Versetzt man sich in die Lage der griechischen Politiker, sahen sie sich einer komplett verwandelten Welt gegenüber: Über Nacht waren sie die fußkranke Drachme los …und hielten stattdessen den markigen Euro in der Hand: Welche Genugtuung und zugleich – welche Versuchung! Es war, wie wenn Sohnemann plötzlich Papis goldene Kreditkarte in Händen hält. Der griechische Sozialpolitiker, gleich ob links oder rechts, fühlte seine Stunde gekommen, endlich über das darbende Volk das Füllhorn auszuschütten.“ (In: Rettet unser Geld! S. 106)
Die Banken haben diese Kredite gerne gewährt, denn sie konnten sich – so eng verbunden sie mit den Politikern sind – sicher sein, dass im Notfall die EU ihre Schuldenstaaten nicht im Stich lassen würde. So forderten sie wegen des wachsenden Risikos immer höhere Zinsen und machten jahrelang hohe Gewinne.
Dies alles hat man offensichtlich vorausgesehen und einkalkuliert, ja, durch die bewusste Nichteinhaltung der Stabilitätskriterien des Maastrich-Vertrages beschleunigt herbeigeführt. Die Geschichte des €uro ist ja die Geschichte eines fortgesetzten kollektiven Rechtsbruches. Das geschieht nicht zufällig und aus Schlamperei. Finanzminister Schäuble äußerte sich auch am 21.8.2011 in der „Welt am Sonntag“ in verräterischer Weise:
„Kann man eine Währungsunion haben, wenn die wirtschaftliche Leistungskraft und die Finanzpolitik so unterschiedlich sind? Eine stärkere Vergemeinschaftung der Finanz- und Wirtschaftpolitik wird die Differenzen verringern. Darin liegt der Schlüssel. … Die meisten Mitgliedstaaten sind noch nicht vollständig bereit, die notwendigen Einschränkungen nationaler Souveränität hinzunehme. Aber glauben Sie mir, das Problem ist lösbar.“
Schäuble weist den Weg in den EU-Staat
Also was sagt Schäuble? Eine Währungsunion kann bei so unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungskraft und Finanzpolitik im Grunde nicht funktionieren. Das gibt natürlich die größten Probleme. Das wissen wir. Eine Währungsunion geht auf Dauer nur, wenn die Länder auf weite Teile ihrer Souveränität verzichten. Die Zentralregierung kann die Differenzen verringern, dann geht es. Das ist der Schlüssel zur Lösung der Probleme. Und die Lösung wird kommen, droht er. Das heißt: Man hat die finanzpolitischen Schwierigkeiten selbstverständlich erwartet. Sie waren erwünscht, damit ein Druck nach einer zentralen Steuerung entstünde. Eine Woche später wurde Schäuble noch deutlicher:
„Wir brauchen andere Formen internationaler Governance als den Nationalstaat. … Und heute schaffen wir etwas Neues. … Ich bin bei aller krisenhafter Zuspitzung im Grunde entspannt, weil, wenn die Krise größer wird, werden die Fähigkeiten, Veränderungen durchzusetzen, größer.“ (in einem Gespräch auf dem Sender Phönix vom 28.8.2011)
Und in der New York Times vom 18.11.2011 sagte er vollends unverblümt:
„Wir können die politische Union (also den Zentralstaat) nur erreichen, wenn wir eine Krise haben.“ (nach Beatrix von Storch, E-Rundbrief Zivile Koalition 25.7.2012)
Deshalb wird seit Beginn der Krise gegen alle wirtschaftliche Vernunft so vehement für die Rettung und den Erhalt des Euro eingetreten, mit Sprüchen wie: „Wir verteidigen den Euro, koste es, was es wolle.“ Denn: „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, womit der europäische Bundesstaat gemeint ist. Also die durch die ungeheuren Schulden, den wirtschaftlichen Niedergang, die heraufziehende Inflation und die Verarmung der Völker entstehenden Leiden der Menschen, sind den Tätern gleichgültig! All dies führen sie ja offensichtlich gerade kalten Auges bewusst herbei, damit den Menschen ein zentrales Krisenmanagement, also weitere Souveränitätsübertragungen Richtung Zentralstaat als „alternativlos“ dargestellt werden kann!
Im Interesse des Kapitals
Hinter den politischen Akteuren stehen, wie längst offensichtlich ist, die global agierenden Plutokraten, für die es darauf ankommt, den Völkern die Kontrolle über ihre Währungen und die damit verbundene Steuerung ihrer eigenen Wirtschaft zu entziehen. Im EU-Lissabon-Vertrag ist bereits der „Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ verankert, was eine weltweit offene Wirtschaftspolitik, also eine vollkommene Integration in globale kapitalistische Wirtschafts- und Finanzinteressen bedeutet.
Die Wirtschaftspolitik wird wesentlich in die Hand der Union gegeben. Die Völker verlieren damit die Hoheit über ihre eigene materielle Existenz und Daseinsvorsorge sowie jeden Schutz einheimischer Produkte und Firmen, wie er nach dem Sozialprinzip des Grundgesetzes etwa je nach Wirtschaftslage und Einzelfall geboten sein könnte. Diese Aufnahme des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in den EU-Vertrag, der gleichsam den Charakter einer europäischen Verfassung hat, bedeutet die rechtlich verpflichtende Festlegung auf die Interessen einer global uneingeschränkten kapitalistischen Wirtschaftsweise, d. h. auf die Interessen der Kapitalbesitzer, ohne dass ein grundlegendes Sozialprinzip ebenso rechtlich verbindlich sicherstellt, dass dieses Wirtschaftsprinzip nicht nur dem Profitinteresse weniger, sondern dem Wohl aller verpflichtet ist.[2]
Universitätsprofessoren produzieren vielfach ökonomische Theorien, die diesen Interessen des Kapitals dienen. Der Kanadier Robert Mundell, dem 1999 für seine Arbeiten zur Theorie optimaler Währungsräume der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde, nahm mit seinen Thesen wesentlichen Einfluss auf die Installierung des €uro. Er bezeichnet sich selbst auch als „Vater des €uro“. Der britische Journalist Greg Palast führte ein Gespräch mit ihm über die €uro-Krise, in dem sich Mundell unverblümt über seine wahren Intentionen äußerte, die er sonst in den öffentlichen Verlautbarungen verborgen hält. Greg Palast berichtete darüber am 26.6.2012 im Londoner Guardian:
„Die Idee, dass der Euro fehlgeschlagen sei, zeugt von gefährlicher Naivität. Der Euro ist genau das, was sein Erzeuger – und die 1% Reichen, die ihn unterstützen – vorhersah und beabsichtigte.“
Das Ende des Sozialstaats
Der €uro würde seinen Zweck wirklich dann erfüllen, wenn die Krise zuschlägt, habe ihm Mundell erklärt. Wenn man die Kontrolle der Regierungen über die Währung beseitige, würden lästige kleine Volksvertreter keine Möglichkeit mehr haben, Finanzmittel einzusetzen, um ihr Land aus der Rezession herauszuholen. Mundell:
„Und ohne die eigene Fiskalpolitik können Nationen nur dann ihre Arbeitsplätze erhalten, wenn sie die Marktregulierungen abbauen und dadurch wettbewerbsfähig werden.“
Wenn die Krise zuschlage, bliebe wirtschaftlich entwaffneten Nationen nur die Möglichkeit, alle staatlichen Regulierungen abzuschaffen, massenhaft staatliche Industrien zu privatisieren, Steuern zu senken und den Sozialstaat auf den Müllhaufen zu befördern. Greg Palast zieht die Schlussfolgerung, die europäische Währungsunion sei Klassenkampf mit anderen Mitteln.[3]
Alles deutet auf eine solche mehr oder weniger verborgene Strategie hin, mit dem €uro eine gewaltige Krise herbeizuführen. Wie kann man dann eine solch ungeheure moralische Niedertracht einer internationalen Clique von Anstiftern, Tätern und Erfüllungsgehilfen bezeichnen, mit der die gewöhnliche Kriminalität, die in der Regel nur einzelne Menschen betrifft, noch gewaltig potenziert und in eine kontinentale Ebene transformiert wird?
Anmerkungen
[1] www.fes.de/fes-publ/eurohandbuch/kap10.htm
[2] siehe: http://de.scribd.com/doc/50186526/Schachtschn-Lissab-Klage
[3] vgl. http://www.bueso.de/node/5782
Über Herbert Ludwig
Herbert Ludwig war viele Jahre Lehrer an einer Freien Waldorfschule. Er befasst sich schwerpunktmäßig mit den inneren und äußeren Bedingungen der Entwicklung des Menschen zur Freiheit und mit den Hintergründen der „europäischen Integrationsbewegung“, woraus seine Schrift „EU oder Europa?“ und Artikel auf seiner Webseite hervorgegangen sind Kontakt: Webseite | Weitere ArtikelQuelle: http://www.geolitico.de/2017/12/10/klassenkampf-mit-dem-euro/