Der Syrische Volkskongress in Sotschi im Spiegel der deutschen Presse
1700 Delegierte aus Syrien, mehr als 500 Journalisten aus 26 Ländern, vom Außenministerium eigens aus Moskau per Chartermaschine eingeflogen, Sotschi mit Plakaten und Transparenten geschmückt: der von Russland organisierte „Syrische Volkskongress“ in der Schwarzmeerstadt soll die Botschaft in die Welt senden, dass „Syrien reif ist für den Frieden“. Und er soll zeigen, dass Russland maßgeblich daran beteiligt ist, ebenso wie an der Gestaltung einer Nachkriegsordnung, betonte die „Süddeutsche Zeitung“.
Die Teilnehmer der Syrien-Friedenskonferenz im russischen Sotschi haben sich für demokratische Wahlen in dem Bürgerkriegsland ausgesprochen, schreibt “Der Tagesspiegel”. Das syrische Volk alleine entscheide über das politische System des Landes, hieß es in der Abschlusserklärung des Treffens, das von der Opposition boykottiert wurde. „Niemand hätte erwartet, dass es möglich sein würde, Vertreter aller Gruppen von Syrern zusammenzubringen, ohne jemanden auszuschließen. Es ist keine große Tragödie, dass zwei oder drei Gruppen nicht teilnehmen konnten“, zitiert “Die Zeit” in diesem Zusammenhang den russischen Chefdiplomaten.
Offen blieb in der Erklärung, ob an den Wahlen auch die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge teilnehmen dürfen. Dies wird von der Opposition und westlichen Staaten gefordert. Auch auf die Forderung der Opposition nach einer Reform der Streitkräfte wird in der Erklärung nicht eingegangen. Diese müssten erhalten bleiben, hieß es dazu.
Die Teilnehmer der Friedenskonferenz haben sich auf die Bildung einer Kommission geeinigt, die eine neue Verfassung Syriens ausarbeiten soll, setzt “Die Zeit” fort. Das Gremium solle seinen Sitz in Genf haben und ihm sollten sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition angehören. Auch jene Oppositionsgruppen, die die Konferenz boykottiert hätten, könnten Delegierte dafür benennen.
Russland, der Iran und die Türkei haben sich geeinigt, je 50 Kandidaten für die Verfassungskommission Syriens zu nennen, doch der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, wird daraus 45 bis 50 Personen auswählen.
Mit der militärischen Unterstützung Russlands eroberte die syrische Armee große Gebiete des Landes wieder von den Rebellen zurück, schreibt “Die Tageszeitung”. Und nach anfänglichem Zögern nimmt auch UN-Sondervermittler Staffan de Mistura an der Konferenz teil. De Mistura solle die geplante Verfassungskommission leiten. Entscheidend dafür sei die Zusicherung Moskaus, dass die Konferenz den UN-geführten Friedensprozess nur ergänzen solle. In diesem Sinne seien die UN zuversichtlich, dass die Konferenz einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung des innersyrischen Dialogs liefern könne.
Ferner betonte de Mistura die Tatsache, dass sich beim Syrien-Kongress des nationalen Dialogs in Sotschi erstmals Vertreter der Regierung und der Opposition von Angesicht zu Angesicht getroffen hätten, ganz im Unterschied zu den vorausgegangenen neun Runden der Syrien-Gespräche in Genf. Es bietet sich die gute Möglichkeit, die Bestrebungen der Syrer zur Beendigung des Bruderkriegs, einer endgültigen Ausrottung des Terrorismus, Rückkehr zum normalen Leben umzusetzen. Gerade deswegen initiierte Russland die Durchführung des jetzigen Kongresses, der von den Vereinten Nationen unterstützt wurde.
Der Vizechef des syrischen Journalistenverbandes und politische Analytiker Mustafa al Miqdad klärt auf: “Beim Friedenskongress in Sotschi seien im Vergleich zu den Verhandlungen in Genf unterschiedliche politische und soziale Gruppen sowie versöhnungsbereite Militante aus den syrischen Schutzzonen vertreten. In Genf hätten sich nur Oppositionelle versammelt, die einer politischen Lösung der Syrien-Krise entgegengewirkt hätten”. Al Miqdad zufolge geht es jetzt darum, die Ergebnisse der militärischen Siege nicht an die Feinde zu verlieren.
Russland braucht eine vollständige Einstellung der Kämpfe in Syrien, um den Verhandlungsprozess nicht infrage zu stellen. Die Moskauer Regie macht dem festgefahrenen UN-Friedensprozess Beine, bemerkte “Handelsblatt”. Neben Russland und Iran gehört auch die Türkei zu den Garanten des syrischen Dialogs.
Syriens Kurden waren nicht offiziell vertreten. Erst hatte die Türkei alles getan, um ihre Teilnahme zu verhindern.
Die „Operation Olivenzweig“ gegen die kurdischen YPG-Einheiten in Afrin wird durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss der türkischen Truppen unterstützt. Doch das half den Einheiten der Freien Syrischen Armee nur zum Teil, tief in die Provinz vorzurücken. Anscheinend wird diese Operation lange dauern. Die Türken würden die Ausweitung ihrer Gebiete anstreben, die sie historisch für sich reklamieren. Es stellt sich die Frage, warum Russland, das für die Aufrechterhaltung der territorialen Integrität Syriens eintritt, die Besetzung des Landes durch die Türkei zulässt? Moskau und Damaskus erlaubten der türkischen Luftwaffe, Syriens Luftraum zu nutzen, Russland zog seine Truppen aus Afrin ab, teilt “Die Welt” mit.
Aber wer unterstützt die kurdischen Bestrebungen nach Unabhängigkeit? Die USA und Israel. Für die Vereinigten Staaten wäre ein unabhängiges Kurdistan ein geeignetes Mittel, um die regionalen Supermächte zu schwächen. Vor allem die Türkei und den Iran, die sich weigern, nach amerikanischen Regeln zu spielen. An der Schwächung islamischer Länder ist auch Israel interessiert, das als einziges Land die Unabhängigkeitserklärung des irakischen Kurdistans im Herbst anerkannte.
Die kurdischen Verbände der YPG in Afrin und andernorts in Nordsyrien arbeiten direkt mit den USA und den NATO Aggressoren zusammen, berichtete Markus Heizmann aus Damaskus (“Neue Rheinische Zeitung”). Sie erhalten von den USA Waffen, Geld, Logistik und Ausrüstung. Im Gegenzug erlauben sie den USA und der NATO die Stationierung von Militärbasen auf syrischem Staatsgebiet, welches zur Zeit unter Kontrolle dieser sogenannten kurdischen Kämpfer ist. Mittlerweile 13 US Basen, weitere sind geplant. Bis dahin gab es überhaupt keine US/NATO-Basen in Syrien.
Ein echtes Dilemma also für die USA, die NATO und die Zionisten. Man ist geneigt, diese Entwicklung als genialen Schachzug zu interpretieren, möglicherweise eine Zusammenarbeit zwischen Damaskus und Moskau? Die türkische Armee soll nun also anstelle von Syrien und dessen Verbündeten gegen diese sogenannt kurdischen Milizen im Norden des Landes kämpfen, so Heizmann.
Die türkische Offensive bringt jedoch sowohl für Russland als auch für Assad Vorteile: Sie schwächt die Kurden und damit den US-Einfluss in der Region, meint “Der Tagesspiegel”. Die USA haben derzeit in der Region kaum Einfluss, dafür sind auch ihre Risiken am geringsten. Washington kann gelassen auf die Sotschi-Konferenz blicken. Man kann derzeit sagen: Assad hat im Augenblick gewonnen. Zumindest militärisch scheint der Krieg damit zugunsten des Regimes entschieden. Der Machthaber ist also wieder ein Machtfaktor. Das heißt, in Sotschi wird mit Assad und nicht über ihn geredet. Noch vor zweieinhalb Jahren hätte das wohl selbst der heute 52-Jährige für wenig wahrscheinlich gehalten.
Der Westen fürchtet, Russlands politischer Einfluss in Syrien könnte zu groß warden, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Der Kongress von Sotschi galt Diplomaten deshalb auch als Test, wie weit Russlands Einfluss in Syrien tatsächlich reicht, und ob Moskau bereit ist, dem Regime mehr als nur kosmetische Zugeständnisse abzutrotzen.
Die Bericherstattung über diese Versammlung zeigt nur den Frust darüber das der Westen keinerlei mehr Einfluss in dieser Region hat. Russland hat wenigstens einen Plan, wie es in Syrien weitergehen muss. Auf diesem Weg werden sicherlich noch viele Probleme und Rückschläge auftreten.