Revolution oder Staatsstreich?

Bodo Bost
Im Fokus der Ermittlungen: Ex-Vizepremier Voican Voiculescu, Ex-Präsident Iliescu und Ex-Premier Roman (v.l.) Bild: Getty

Rumänien versucht, die »Wende« von 1989 juristisch aufzuarbeiten

 

Das blutige Ende des Kommunismus in Rumänien mit dem Sturz von Staatspräsident Nicolae Ceausescu im Jahre 1989 soll nicht die Folge einer Revolution, sondern eines Staatsstreichs gewesen sein. Den Verantwortlichen  der „Wende“ mit mehr als 1000 Toten droht jetzt im vierten Anlauf eine Anklage. Der Vorwurf lautet auf absichtliche Desinformation und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Fast drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kommunismus in Rumänien bemüht sich das Land immer noch um die Aufklärung der damaligen Ereignisse. Warum mussten so viele Menschen sterben? Warum verlief die „Wende“ in Rumänien nicht friedlich wie in anderen Ostblockländern? Nach 29 Jahren weiß man immer noch nicht genau, was damals geschehen ist. Die Aufarbeitung der Ereignisse von 1989 wurde nie vollendet. Das jetzt eingeleitete Strafverfahren ist bereits der vierte Anlauf, Licht ins Dunkel zu bringen. Die drei vorherigen Verfahren wurden wegen politischen Drucks eingestellt. Anfang 2016 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Rumänien zu Entschädigungszahlungen an Angehörige einiger Opfer der damaligen „Wende“ verurteilt.

Nun ist ein Strafverfahren gegen drei Politiker eröffnet worden, die im Dezember 1989 am Sturz des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu beteiligt gewesen waren. Bei den Dreien handelt es sich um den Staatspräsidenten von von Dezember 1989 bis 1996 sowie von 2000 bis 2004, Ion Iliescu (88), den von ihm eingesetzten Ministerpräsidenten Petre Roman (71) und dessen Stellvertreter Gelu Voican Voiculescu (77). Den dreien werden angesichts der mehr als 1000 Todesopfer „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen. Laut der ermittelnden Militärstaatsanwaltschaft war die sogenannte Revolution de facto ein Staatsstreich. Staatspräsident Klaus Johannis billigte einen entsprechenden Antrag der obersten Ankläger und machte damit den Weg frei für das Verfahren. Strafverfahren gegen frühere Staats- und Regierungschefs sind in Rumänien nur mit Billigung des Staatsoberhaupts zulässig. „Es ist inakzeptabel, nicht zu wissen, was während der Revolution geschehen ist, wer schuldig ist“, hatte Johannis bereits 2016 gesagt, als die Justiz in Bukarest mit den Ermittlungen anfing.

Iliescu, Roman und Voican Voiculescu hätten durch Desinformation und Täuschungsmanöver Angst vor nichtexistierenden „Terroristen“ geschürt, um nach Ceausescus Sturz die eigene Macht zu festigen. Den Straßenkämpfen, die durch die den Angeklagten zur Last gelegten Falschinformationen ausgelöst worden waren, sind 1104 Menschen zum Opfer gefallen. Wer genau schoss, ist bis heute unklar. „Es war nicht nur die Geheimpolizei Securitate“, hatte Iliescu gesagt.

Ceausescu war am 21. Dezember 1989 während einer Rede auf dem Bukarester Gebäude des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei mit Hunderttausend Zuhörern, in der er die Erhöhung des Mindestlohns sowie Renten- und Kindergelderhöhungen angekündigt hatte, durch Proteste und Schüsse unterbrochen worden. Einen Tag später verließ Ceausescu das Gebäude per Hubschrauber. Viele Experten meinen, dass der Diktator zu dem Zeitpunkt bereits entmachtet war. Am 25. Dezember 1989 wurden Ceausescu und seine Frau Elena nach einem umstrittenen Schauprozess vor einem Militärtribunal zum Tode verurteilt und sofort hingerichtet, angeblich um das Morden zu stoppen. Paradoxerweise wurden die meisten aber erst nach dem Sturz Ceausescus getötet.

Bereits zehn Tage vor dem Aufstand in Bukarest war es in Temeschwar in Westrumänien zu einem Aufstand gegen die Diktatur Ceausescus gekommen, der von dem ungarischstämmigen Pfarrer Laszlo Tökés organisiert worden war. Iliescu war in den frühen 70er Jahren kurzzeitig Sekretär im Zentralkomitee gewesen, bis Ceausescu ihn entmachtet und „zur Bewährung“ in die Provinz geschickt hatte. Nach der „Wende“ wurde er zunächst Chef der „Front zur Nationalen Rettung“, und anschließend Rumäniens Staatspräsident. Das blieb er bis 1996 und war es dann noch einmal von 2000 bis 2004. Roman war Regierungschef und Außenminister vom 26. Dezember 1989 bis zum 26. September 1991. Sein Vize Voican Voiculescu hatte persönlich die geheime Beerdigung des Ehepaars Ceausescu auf dem Bukarester Ghencea-Friedhof organisiert. In Romans provisorischer Regierung war er vom 28. Dezember 1989 bis zum 28. Juni 1990 für die Geheimdienste zuständig.

Roman, der bis 1989 ein ziemlich unspektakuläres Leben als Dozent für Strömungslehre am Bukarester Polytechnikum geführt hatte, gab sich nach den neuerlichen Vorwürfen empört ob der ihm drohenden strafrechtlichen Konsequenzen. Er sei als „Revolutionär“ jener Tage selbst Zielscheibe und in keinster Weise in Verschwörungen verstrickt gewesen, erklärte er der in Bukarest erscheinenden „Deutschen Zeitung“.

Quelle: http://www.preussische-allgemeine.de/nachrichten/artikel/revolution-oder-staatsstreich.html

Bodo Bost  3. Mai 2018
Rubrik: Balkan/Osteuropa/Kaukasus

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