Kaum eine Maxime zur Sicherung der eigenen Macht hat, seit seiner theoretischen Ausarbeitung von Niccolò Machiavelli im Jahre 1532, so gut funktioniert wie das Prinzip ‚Teile und Herrsche‘.
Unter diesem Motto gelang es großen Imperien über viele Jahrhunderte zu überleben. Auch wenn das Römische Reich und das britische Empire längst untergegangen sind, so dient es auch als Herschaftspraxis des heute größten Imperiums – Des Westens.
Herrscher, Opposition und der Pöbel
Was steckt hinter dieser geheimnisvoll anmutenden Formel, die lateinisch unter dem Sprichwort „Divide et impera“ paraphrasiert ist? Um dieses Prinzip der auf Teilung bzw. Trennung basierten Herrschaft auf theoretischer Basis verstehen zu können, muss die Schablone des Staatsbegriffs angewendet werden.
Ein Staat, so schreibt schon Platon im alten Griechenland, besteht zu jedem Zeitpunkt seiner Existenz auf zwei grundlegenden Pfeilern. Die eine Gruppe herrscht, die andere steht in Opposition zu dieser Herrschaft. Wahlweise ist das einfache Staatsvolk, in der Sprache Platons „der Pöbel“, entweder unentschieden, wem es sich anschließen möchte, oder es hat sich bereits in seiner Mehrheit für eine der beiden Seiten entschieden. In einem demokratisch verfassten Staat, wie wir ihn in der heutigen Moderne kennen, ist dieses alt-philosophische Rollenbild leicht verschoben. Denn theoretisch entscheidet der „Pöbel“ mittels Abstimmungen und Wahlen wer zu herrschen hat und wer nicht.
Da die Herrscherschicht der Moderne deswegen viel leichter abzusetzen ist, muss die Gruppe, die sich in Opposition zum eigenen Machtanspruch befindet, umso gründlicher voneinander getrennt und ineinader verfeindet werden, während sich die Herrscherschichten um Verbrüderung bemühen. Denn auch in einer Demokratie besteht für die Herrscher stets die Gefahr, dass sich zuerst die Opposition vereint und sich schließlich der „Pöbel“ der neuen Gruppe, die Machtanspruch erhebt, anschließt. In diesem Falle wäre die thronende Gruppe aus Führern, Eliten und gewählten Volksvertretern kaum mehr zu retten. Die letzte Möglichkeit wäre die Anwendung von Gewalt, was in einem verfassungsgebundenen und mehrheitlich in Opposition stehendem Staatsgebilde aber kaum mehr möglich wäre. Kurzum, die Herrscherschicht wäre verloren.
Für die Nutznießer der Herrschaft gilt es also gründlich vorzugehen um derartige Entwicklungen zu vermeiden. Doch wie kann das funktionieren? Diese Frage beantworten historische Beispiele ebenso einwandfrei wie theoretische Ausarbeitungen.
Römer und Briten zum Vorbild
Praktiziert wurde diese Maxime bereits in der rechtlichen Organisation des Römischen Reichs. Die einzelnen Mitgliedsstaaten hatten nur Verträge mit der Zentralmacht Rom, Verträge untereinander abzuschließen war ihnen verboten. Außerdem sorgte Rom für eine deutliche Unterschiedlichkeit der einzelnen Bündnispartner. Hierbei reichte das Spektrum der Wertigkeit von den Unterworfenen, den subiecti, über Verbündete (foederati) und Bundesgenossen (socii) bis zu rechtlich gleichgestellten Freunden des römischen Volks (amici populi Romani), die mit der Zuerkennung der civitas Romana, des römischen Bürgerrechts, für ihre Bündnistreue ausgezeichnet waren. Innerhalb dieser Stufung konnten sich die Staaten durch Wohlverhalten empordienen, auch zu unterschiedlichen Graden der Selbstverwaltung.
Die Opposition war also im alten Rom klar aufgeteilt und damit voneinander getrennt. Sie stand in Konkurrenz um die lobende Hand der Herrscher und verfeindet, da eine Verbrüderung sofort mit drakonischer Politik oder Strafgerichtsbarkeit begegnet wurde. Daraus folgte, dass auch der „Pöbel“ sich nicht der Opposition anschloss, ganz gleich wie schlecht es ihm erging.
Dem Prinzip des Teilens und des Herrschens nahmen sich auch die Briten seit ungefähr 1804 sehr erfolgreich an. Gestärkt durch die geographisch sehr günstige Lage, dem Beginn der Industrialisierung und der eigenen militärischen Stärke wurde die einsame Insel im Norden Europas zum Imperium – dem British Empire. Kolonien und Marionettenstaaten wurden eingesetzt, die Bevölkerung auf die vermeintliche und tatsächliche „nationale Größe“ getrimmt und die Opposition in „königsfeindlich“, „separatistisch“, später dann auch in „links“ und „rechts“ eingeteilt. Wie immer verhedderte sich daraufhin die Opposition sowohl in den Kolonien, wo das Potential eines Aufstandes sehr groß war, als auch im eigenen Kernland in Konkurrenz- und Feindesdenken. Die Herrschaft konnte so fast bis zum Ende des 2. Weltkrieges aufrecht erhalten werden.
Das westliche Imperium
Doch gibt es solche Imperien auch noch in der heutigen Zeit – im 21. Jahrhundert? Die Antwort lautet ja, es gibt sie. Besonders hervorstechen in seiner Effizienz, Ausdehnung und Macht tut jedoch nur das westliche Imperium unter Führung angloamerikanischer Oligopole – genauer, den USA. Es erstreckt sich über Nordamerika über nahezu ganz Europa über Teile Afrikas bis in den arabischen- und asiatischen Raum, eben bis zur Grenze eines aufstrebenden Imperiums; der Russisch-Chinesischen Achse.
Um sowohl die ausländischen Imperien zurückzudrängen als auch die inländische Opposition zu trennen und in Streitereien und Ideologiekonflikte verfallen zu lassen, muss das Prinzip „Teile und Herrsche“ sehr gründlich angewendet werden. Denn das Imperium ist groß, die Mittel der „Mundtotmachung“ geringer ausgeprägt wie zu Zeiten früherer Imperien und der „Pöbel“ ist – anders als viele eventuell glauben möchten -intelligenter geworden.
Doch mit Intelligenz kommt auch ein entscheidender Vorteil zu Tage: Arroganz. Denn wer sich nicht mehr nur für einen einfachen Bauern hält, der weder Lesen noch Schreiben kann wie in früheren Jahrhunderten, sondern für einen einigermaßen gebildeten Familienvater der Mittelschicht hält, der sich beim morgendlichen Aufschlagen des Kulturteils einer als „renommiert“ angepriesenen Tageszeitung gerne etwas auf seinen Bildungsabschluss einbildet, der verteidigt seine Weltanschauung nicht nur gegen die Herrscherschicht – in unserem Falle die Regierung und die dazugehörigen Eliten in Partei und Parlament – sondern vor allem gegen die Opposition und eben jene Teile des „Pöbels“, die nicht vollumfänglich seiner Meinung entsprechen. Mit der in der Moderne auftauchenden Intellektuellisierung der einfachen Bevölkerung, taucht also auch eine unsägliche Eitelkeit auf, die verhindert, dass sich „links“ und „rechts“, „liberal“ und „etatistisch“ gegen die Herrscher vereinen, um sich gegen die bewusst von der Elite begangenen Machtmissbräuche wie Überwachung, Krieg und Verarmung zu wehren.
Um dafür zu sorgen dass sich die Bevölkerung selbst bei den größten verbrecherischen Tätigkeiten der Regierungen, Eliten und Militärs des westlichen Imperiums nicht miteinander versöhnt , um gegen die Herrscher vorzugehen, muss die Eitelkeit zum Beispiel des politischen „rechts“ -„links“ Denkens ausgenutzt werden, um sie zu teilen.
So wird in aller Öffentlichkeit bewusst in alter Kategorien gesprochen. Von „Sozialisten“, „Sozialdemokraten“, „Kommunisten“, „Liberalen“, „Konservativen“, „Patrioten“, „Verschwörungstheoretikern“,“Chaoten“, „Radikalen“, „Spießern“, „Experten“, „Humanisten“, „Pragmatikern“, „Antiamerikanern und „Putin-Verstehern“ ist die Rede. Dass die meisten davon eins gemeinsam haben: nämlich der oppositionellen Einstellung gegenüber des westlichen Imperiums, wird nicht erwähnt.
Die Aufrechterhaltung dieser Teilung der Bevölkerung und damit der Sicherung der eigenen Macht funktioniert mittels Medien, zivilgesellschaftlichen Organisationen, dem Einschleusen von Oppositionellen, die selbst – wenn auch ganz unbewusst – nur all zu gerne zur allgemeinen Teilung beitragen und vielen weiteren Operationen. So funktioniert „Teile und Herrsche“ im westlichen Imperium bereits seit Jahrzehnten hervorragend. Für die Kritiker dieser Praktik gibt es jedoch einen Grund zum Aufatmen: Weder das Römische- noch das Britische Imperium haben überlebt und Niccolò Machiavelli ist längst gestorben.
Wilhelm von Pax
Wilhelm von Pax steht für kritischen und investigativen Journalismus. Der Parteilose Publizist und Ökonom sieht seine journalistische Aufgabe in den Ressorts Politik, Medien und Wirtschaft. Politisch ist der Berliner Journalist liberal orientiert.