Vor drei Jahren unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin das Gesetz über den Freien Hafen von Wladiwostok. Jetzt gelten dort besondere Regeln für Unternehmer und Investoren. Dazu gehören Steuervergünstigungen; Einwohner sind für fünf Jahre von Steuern auf Gewinne, Eigentum und Grundstücke befreit, sowie vereinfachte Zoll-und Visa- Verfahren und verringerte administrative Hürden. Wer mindestens zehn Millionen Dollar im Fernen Osten investieren wird, darf mit einer vereinfachten Einbürgerung rechnen.
Vom 11. bis zum 13. September findet in Wladiwostok das 4. Östliche Wirtschaftsforum statt. Es konzentriert sich auf die Entwicklung des Fernen Ostens und eröffnet große Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zwischen russischen und ausländischen Geschäftspartnern.
Das Treffen findet alljährlich in Wladiwostok statt. Zu den Hauptanliegen der Veranstaltung zählen die Stärkung internationaler und regionaler Kontakte zwischen Unternehmern und Beamten, die Einschätzung des handelswirtschaftlichen Potenzials des Fernen Ostens und die Präsentation neuer, aussichtsreicher Investitionsprojekte. Über 200 Vereinbarungen im Wert von mehr als 26 Milliarden US-Dollar wurden beim letzten Forum getroffen. Insgesamt wurden 30 bis 35 Großprojekte vorgestellt. Darunter waren der Bau eines Gasverarbeitungswerks in der Oblast Amur mit einer Jahreskapazität von 49 Milliarden Kubikmetern sowie die Erweiterung der Ostsee-Gasleitung Nord Stream.
Auch politisch ist das Forum wichtig. Damit soll gezeigt werden, dass ausländische Investoren bereit sind, nach Russland zu kommen. Asien steht russischen Projekten offener gegenüber als der Westen. Das Forum wird Unternehmen aus Japan, Südkorea, China, Indien, Vietnam und anderen Ländern empfangen. Der Russisch-Japanische Wirtschaftsrat habe eine Reihe russischer Investmentprojekte vorbereitet, um diese mit den japanischen Partnern zu besprechen. China schlug sein Wirtschaftsprojekt vor. Das Projekt sieht zwei Komponenten vor: den Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel und die Seeschifffahrtsstraße des 21. Jahrhunderts, von denen erwartet wird, dass sie mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung und mehr als ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung abdecken werden.
Experten aus Russland, China, Japan und Südkorea werden außerdem die Aussichten für den Tourismus im russischen Fernen Osten beurteilen. Wladiwostok ist heute schon das Tor Russlands in die Pazifikregion. Ohne Frage wird eine solche Entwicklung die Rolle des Fernen Osten weiter befördern.
Der Ferne Osten ist geographisch gesehen der östlichste Teil Russlands und der äußerste Nordosten Asiens. Er hat Zugang zu zwei Ozeanen: dem Pazifik und dem Nordpolarmeer. Der Ferne Osten macht mehr als ein Drittel des Territoriums von Russland aus: Er ist etwa zehn Mal so groß wie Frankreich. Diese Region entwickelt sich rasant. In den letzten drei Jahren wächst die Industrieproduktion im Fernen Osten mit 8,6 Prozent intensiver als landesweit. Das regionale Bruttoprodukt hat um 4,2 Prozent zugelegt.
Für die Entwicklung werden neue Technologien benötigt. Durch die Nachbarschaft der Länder der Asiatisch-Pazifischen Region, die führend in der digitalen Wirtschaft sind, könnten neue technologische Lösungen einbezogen werden. Aber auch die europäischen Firmen zeigen Interesse an Primorje, wie zum Beispiel Siemens.
Konzern-Vertreter Dietrich Möller hob hervor: „Wir sehen, dass im Fernen Osten sehr viel investiert wird – in Infrastruktur und Industrie. Dort braucht man die Ausrüstung von Siemens. Wir glauben, dass die Anwendung digitaler Technologien ein Treiber für den Fernen Osten sein kann. Siemens definiert die Digitalisierung als eine strategische Arbeitsrichtung. Insofern hat Siemens eine ganze Rheine von Lösungen für die Smart-Citys, für die Gebäudeautomatisierung, für die Digitalisierung von Eisenbahn, für digitale Produktion und Schaffung von Produkten mit digitalen Instrumenten. Überall, wo investiert und modernisiert wird, kann man diese Technologien anwenden“.
Laut Möller ließe sich das große Gebiet der fernöstlichen Region Primorje mit relativ kleinen Bevölkerungsschichten durch wenige Spezialisten abdecken. Mit den neuen Technologien werde der Ferne Osten konkurrenzfähig sein, nicht nur in Russland, sondern auch global.
Für Russland wäre das eine Art ‚Sprungbrett‘ für die weitere Entwicklung der Region und des ganzen Landes in verschiedenen Hightech-Bereichen wie Maschinenbau, Weltraumforschung (durch den Bau des Weltraumbahnhofs Wostotschny) sowie Tourismus. Besonderes Augenmerk sollte auf den Bau von neuen Seehäfen zur Förderung der Handelskontakte der Fernöstlichen Küstenregion gerichtet werden. Der Teilnehmer des Östlichen Wirtschaftsforums, chinesische Milliardär Ronnie Chichung Chan, verwies darauf, dass der Handel im transpazifischen Raum den im transatlantischen etwas übertreffe, während 50 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums in den vergangenen drei bis vier Jahren durch diesen Erdteil gesichert worden seien.
Das wohl größte Problem im Fernen Osten ist aber das demografische: 1991 hatten dort noch 8,1 Millionen Menschen gelebt. Am 1. Januar 2018 belief sich diese Zahl auf nur 6,2 Millionen. Viele Jahre lang ließ sich der natürliche Bevölkerungsverlust beobachten: Es starben mehr Menschen als geboren wurden. Von 2012 bis 2016 war ein positiver Trend zu erkennen, als die natürliche Bevölkerungszunahme (um 5000 bis 9000 Menschen pro Jahr) begann. Obwohl der Schwerpunkt des Forums im handelswirtschaftlichen Bereich liegt, werden in diesem Jahr auch das Gesundheitswesen und die demografische Politik in der Region, zur Sprache kommen.
Das Hauptereignis wird die Diskussionsveranstaltung „Ferner Osten: Die Grenzen der Möglichkeiten ausdehnend“ sein. Das Thema des Geschäftsprogramms umfasst die industrielle und investitionswirtschaftliche Entwicklung des Fernen Ostens, die Integration Russlands in die Wirtschaft des Asien-Pazifik-Raums und die Energiewirtschaft, der Städtebau und das Verkehrswesen in der Region. Die Erweiterung der ausländischen Präsenz auf dem Forum bedeutet, dass Russland ein wichtiges Anziehungszentrum der Geschäftsgemeinschaft aus der ganzen Welt ist.
Die Teilnehmer des Forums werden das Investitionspotential der Region und die Perspektiven für die Schaffung eines „intelligenten“ Energieknotens im russischen Fernen Osten für die Länder des asiatisch-pazifischen Raums diskutieren. Eines der Themen des Forums ist die internationale Zusammenarbeit zwischen Mitgliedsstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Europäischen Union (EU) von Lissabon bis Wladiwostok. Die Teilnehmer werden darüber diskutieren, welche Chancen auf Erfolg es trotz politischer Schwierigkeiten gibt.
Während des Östlichen Wirtschaftsforums 2017 hat der Start der ersten internationalen Containerlinie im freien Hafen von Kamschatka stattgefunden. Die Lagerstätte mit einer Kapazität von 15.000 Tonnen wird es ermöglichen, dass Fische aus Petropawlowsk-Kamtschatski direkt an die asiatischen Märkte geliefert werden. Das Projekt sieht auch die Entwicklung des Güterverkehrs entlang der Nordsee-Route (Nordostpassage) vor, die die russische Arktis-Region überquert.
Die Entwicklung der Nordostpassage – der kürzesten Seestrecke von Asien nach Europa – kann für viele Unternehmen von Interesse sein. Nach Ansicht von Experten wird diese Strecke nach dem Jahr 2050 für Schiffe ganzjährig ohne Eisverstärkung zur Verfügung stehen. Der Containertransport wird günstiger sein als über die südliche Route. Die Nordostpassage soll die Häfen Nordostasiens (China, Japan, Südkorea) mit denen von Nordeuropa (Rotterdam, Hamburg u.a.) verbinden.
Auf dem Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok werden potenziellen Investoren geplante russische und ausländische Investitionsprojekte vorgestellt. Erwartungsgemäß sollen Investitionsvereinbarungen für mehrere Milliarden Euro unterzeichnet werden. Diesmal steht die Finanzierung des fernöstlichen Hochtechnologiefonds im Mittelpunkt. Rund 30 Unternehmen wollen die Nuklearmedizin, erneuerbare Energien, neue Verbundwerkstoffe für die Luft- und Raumfahrtproduktion, einschließlich der Produktion von unbemannten Luftfahrzeugen, fördern.
Die Regionen des Fernen Ostens sind auf dem Forum traditionell breit vertreten. Die jährliche Ausstellung mit dem Titel „Fernosten-Straße“ präsentiert ihre wirtschaftliche Potenzial, kulturelle Traditionen und touristische Möglichkeiten. So präsentiert die Region Tschukotka Projekte zur Gewinnung von Zinn und Gas. Ein Pavillon hat die Form eines Wals und ist mit Multimedia-Bildschirmen ausgestattet, die Informationen über den Lebensraum und die Besonderheiten des Verhaltens dieses Seegiganten zeigen. Es werden auch andere Überraschungen erwartet.
Das Geschäftsprogramm des Forums ist auf der Website des EEF2018 verfügbar: https://forumvostok.ru/en/about-the-forum/
Herzlich willkommen in Wladiwostok!