Der Jugoslawienkrieg war der Erste, der in die Zeit der neuen NATO-Strategie von 1999 fiel. Der „gerechte Krieg“, oder auch ’Menschenrechts-Imperialismus’ genannt, schreitet seitdem an vielen Orten der Welt auf verschiedenen Ebenen rasant voran, die EU, um nur eine zu nennen, wurde für ihre „Erfolge“ bekanntlich 2012 mit dem „Friedensnobelpreis“ ausgezeichnet
Der Artikel wurde am 12.05.13 in www.berlin-athen.eu veröffentlicht.
Das gleichnamige Buch erschien 2008 in der dritten Auflage. Im Mittelpunkt der Dokumentation steht die Eröffnungsrede zur Verteidigung von Slobodan Milošević, die er vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag am 31. August und 1. September 2004 hielt. Die Herausgeber des Buches haben mit eigenen ehrenamtlichen Kräften die Übersetzung ins Deutsche besorgt. Der serbokroatische Originalwortlaut und die offiziellen englischsprachigen Sitzungsprotokolle liegen zwar beim Gericht vor, doch es gab bei den Medien und staatlichen Bildungsinstitutionen keinen Drang diese zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu veröffentlichen. Um so mehr fällt dies ins Gewicht, wenn man bedenkt, dass von den NATO-Mächten dieser Prozess als ’Jahrhundertprozess’ dargestellt wurde – jedenfalls sollte ihn die Öffentlichkeit so auffassen. Das ’mediale Gesetz des Schweigens’ soll mit der Veröffentlichung der Rede durchbrochen werden. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Herausgeber des Buches wollen darauf hinweisen, dass das oben genannte Gericht keine Institution des Rechts war, sondern ein Instrument zur Fortsetzung der NATO-Aggression.
Der Jugoslawienkrieg war der erste, der in die Zeit der neuen NATO-Strategie von 1999 fiel. Der ’gerechte Krieg’, oder auch ’Menschenrechts-Imperialismus’ genannt, schreitet seitdem an vielen Orten der Welt auf verschiedenen Ebenen rasant voran, die EU, um nur eins zu nennen, wurde für ihre „Erfolge“ bekanntlich 2012 mit dem „Friedensnobelpreis“ ausgezeichnet. Der damals in den 90ern amtierende US-Präsident Clinton hatte in seiner Antrittsrede gesagt, dass Amerika die Welt weiter führen muss: „…unsere Mission hat keine zeitliche Grenze.“ Mit dem Beginn des neuen Jahrtausends und des Antritts von George W. Bush fielen die Worte noch deutlicher aus: „Unsere Nation wurde von Gott ausgewählt und hat eine historische Mission, als Modell für die ganze Welt zu gelten.“
Serbien und Jugoslawien wehrten sich unter Miloševićs Führung gegenüber Diktaten der Weltbank und des Weltwährungsfonds. Der Westen sah aber für dieses Gebiet vor, zukünftig zur Neuen Weltordnung zu gehören. Mit Hilfe von „Regime Change“ und „Nation Building“ wird der ’neue Staat’ die Verwestlichung des Lebens zum wesentlichen Bestandteil machen (müssen). Der Autor des Vorworts erwähnt, wie dies auf dem Balkan zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verwüstung geführt hat.
Bezeichnend für die ’humanitären Beweggründe’ einer der ’Befreier’ (USA) war, die Errichtung des größten ausländischen Militärstützpunktes seit Vietnam südlich von Priština. Passenderweise liegt dieses Camp an der Pipeline-Route, auf der das kaspische Öl vom schwarzen Meer zu den albanischen Mittelmeerhäfen transportiert werden soll. Auf dem Militärgelände wurde gleichzeitig ein Gefängnis im Stil von Guantanamo errichtet.
Das „Massaker von Račak“ war der „Wendepunkt“ für die Intervention der NATO-Mächte in Jugoslawien, wie es Joseph (Joschka) Fischer, der damalige Außenminister, nannte. Faktisch ist dieses „Massaker“ widerlegt als Kriegs-Zwecklüge.
Blickt man andererseits auf die Umstände, die zur Anklageerhebung gegenüber Milošević führten, tritt einem die gewohnte ’Humanität’ entgegen: auf dem Höhepunkt des NATO-Bombardements im Krieg und nach einem missglückten Mordanschlag auf Milošević per Bombardierung, wurde sie erhoben.
Milošević hatte den Strafgerichtshof (er sprach von Tribunal) nicht anerkannt. Der Weltsicherheitsrat hatte dieses Sondergericht, bei gleichzeitiger Hinwegsetzung über die eigene UN-Charta, installiert. Beachtenswert ist auch die Finanzierung des Gerichts gewesen: er wurde überwiegend von den an den Aggressionen beteiligten Staaten und deren Rüstungs- und Medienkonzernen gestützt.
Wie ungleich die Behandlung von Milošević vor Gericht gegenüber den Anklägern war, zeigen schon folgende Phänomene: er hatte im Verhältnis zu seinen Anklägern nur die Hälfte der Zeit für seine Verteidigung; Milošević erhielt nicht einen Euro für seine Verteidigung von den NATO-Staaten, er hatte weder einen PC noch Internetzugang, während hinter den Anklägern voll und ganz die NATO-Staaten mit ihren Geheimdiensten standen. Ehrenamtliche Kräfte, die sich für die Verteidigung von Milošević einsetzten, bekamen von den Finanzbehörden der NATO-Staaten ’Besuch’ – Computer, Unterlagen und Gelder wurden einfach konfisziert.
Die leicht gekürzte Rede von Milošević – immer noch über hundert Seiten lang – sei jedem empfohlen, der die Ereignisse um die Zerschlagung des Vielvölkerstaates Jugoslawien studieren möchte. Ich möchte im Folgenden einige Auszüge daraus geben. Natürlich können dabei nur einige Dinge erfasst werden. Der Charakter seiner Verteidigung sollte dabei erlebt werden. Immer wieder greift Milošević auf die Quellen von denjenigen zurück, die entweder selbst Zeugen im Sinne der Anklage sind, wodurch manches zurechtgerückt wird, oder aber auf Autoren, die im Ausland tätig sind z.B. Ex-Botschafter und offizielle Regierungsdokumente. Dadurch muss Milošević an vielen Stellen gar nichts sagen, weil die Dinge schon längst vorliegen. Was er zusammenträgt wird aber von dem Gericht unbeachtet bleiben.
Zur besseren Einordnung der Ereignisse, möchte ich kurz chronologisch auf vorher Gewesenes ausschnittsweise hinweisen.
24. März 1999: Die NATO-Staaten beginnen unter Führung der USA mit massiven Luftangriffen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien.
27. Mai 1999: Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien erhebt Anklage gegen Milošević wegen angeblicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der kosovo-albanischen Bevölkerung.
5. Oktober 2000: Milošević tritt als jugoslawischer Präsident zurück, nachdem das Parlament unter Führung der vom Westen finanzierten und ausgebildeten „Oppositionsbewegung“ Otpor gestürmt wurde. Die Stichwahl, die nach dem Resultat der jugoslawischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom 24. September verfassungsgemäß hätte stattfinden müssen, wird damit verhindert.
1. April 2001: Milošević wird unter dem Vorwand von Korruptionsvorwürfen in Belgrad verhaftet.
28. Juni 2001: Am Vidovan, dem höchsten serbischen Feiertag, wird Milošević in einer Nacht- und Nebelaktion unter Bruch der jugoslawischen Verfassung aus dem Belgrader Gefängnis nach Den Haag entführt und in Untersuchungshaft genommen. Die neue Belgrader Regierung reagiert damit auf massive US-amerikanische Drohungen.
8. Oktober/ 21. November 2001: Die Anklageschrift macht in Nachträgen Milošević nun auch für Verbrechen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina verantwortlich.
18.-19. Februar 2002: Die Anklage beginnt mit ihrer Beweisaufnahme.
11.-15. April/13. Mai 2002: General Karol John Drewienkiewicz, stellvertretender Kommandeur der OSZE-Beobachtermission im Kosovo, sagt aus, dass ihm von einem serbischen Vertreibungsplan nichts bekannt gewesen sei.
16.-17. April 2002: Der britische Leutnant Colonel Richard Ciaglinski aus Drewienkiewiczs Stab sagt aus, er habe von einem serbischen Offizier von der Existenz von Vertreibungsplänen der Serben gehört. Den Namen des Offiziers gibt er jedoch nicht preis.
24.-27. Juli 2002: Der ehemalige Chef des serbischen Staatssicherheitsdienstes, Radomir Rade Markovic, sagt als Zeuge der Anklage während des Kreuzverhörs durch Milošević aus, dass ihm selbst Straffreiheit und eine neue Identität zugesichert wurden, sollte er Milošević belasten. Andernfalls seien ihm „Konsequenzen“ angedroht worden.
Rede
Milošević begnügte sich nicht mit einem einfachen „nicht schuldig“, sondern wollte dem Gericht Tatsachen entgegensetzen. „Seit langem wird in der internationalen Öffentlichkeit mit einer klaren politischen Zielsetzung ein wahrheitsfremdes Zerrbild davon entworfen, was auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens passierte. Die gegen mich erhobenen Anschuldigungen sind gewissenlose Lügen und vor allem eine bodenlose Geschichtsverdrehung. Alles wurde einseitig dargestellt, um die wahrhaft Verantwortlichen der Verantwortung zu entziehen und um falsche Schlussfolgerungen über die Ereignisse und den Hintergrund des Krieges gegen Jugoslawien ziehen zu können“ (S. 1). […] „Jugoslawien hat sich nicht einfach in Luft aufgelöst, wie Robert Badinter darzulegen versuchte und sich damit in einer Art juristischer Metaphysik bewegte. Dieses Land wurde gewaltsam durch einen Plan zerstört und durch einen Krieg, der noch immer geführt wird, und in diesem Krieg sind eine Menge Kriegsverbrechen begangen worden“ (S. 2). […] „Es ist gelinde gesagt zynisch, dass diejenigen, die die Völker des ehemaligen Jugoslawiens in gegenseitige Kriege und in einen Teufelskreis von Hass und Gewalt trieben, sich jetzt, die Unwissenden spielend, selbst die Befugnis geben, Gerechtigkeit, wie sie es nennen, durchzusetzen“ (S. 41).
Milošević beginnt in seiner Verteidigung damit, die Umstände zu schildern, die ab dem Beginn der 1990er Jahre dazu führten, dass verschiedene Separatistenbewegungen gewaltsam Sezessionen loslösten, gegen die Rechtslage und mit Hilfe ausländischer Unterstützung. „Im Juni 1991 töteten slowenische Militärverbände grundlos und kaltblütig Soldaten der Jugoslawischen Volksarmee, die die Grenzen zu Österreich und Italien sicherten, und besetzten die Grenzposten“ (S. 4). […] „Am 10. Juli 1991 verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, in der nicht die Rebellen, nicht die Separatisten verurteilt wurden, sondern die ordentlichen Streitkräfte, die Jugoslawische Volksarmee. Es wurden also die Rollen von Täter und Opfer verkehrt, und so haben die Europäische Gemeinschaft und die Vereinigten Staaten den Krieg angeheizt“ (S. 5). Er erinnert daran: „Das Paradoxe ist nur, dass das Recht, das man den Separatisten in Jugoslawien gewährt hat, zum Beispiel den Iren von den Briten, den Basken von den Spaniern, den Korsen von den Franzosen und so weiter nicht gewährt wird“ (S. 10). In Kroatien wurden die radikalen Kräfte auch losgetreten. „Am 18. Juli 1991 gingen die paramilitärischen bewaffneten Verbände in Kroatien zum Frontalangriff über. Vom 20. Juli bis zum 9. August wurden 75 Anschläge auf die Jugoslawische Volksarmee verübt.“ (S. 6). Über die Hintergründe der Unabhängigkeitsbewegung in Bosnien-Herzegowina berichtet Milošević: „Dann erreichten die Kriegshandlungen das Gebiet von Bosnien-Herzegowina. 1970 wurden die ideologischen Grundlagen dafür mit Alija Izetbegovićs„Islamischer Deklaration“ gelegt, die damals noch im Untergrund verbreitet wurde. 1984 veröffentlichte derselbe Autor dann ein Buch „Der Islam zwischen Ost und West“, und 1990 wurde die „Islamische Deklaration“ noch einmal offiziell herausgebracht. Bekanntlich wird dort behauptet, dass es zwischen dem islamischen Glauben und den nicht-islamischen Religionen keine friedliche Koexistenz geben kann; das wird in diesen Publikationen mehrmals wiederholt.
Am 21. Dezember 1991 sagte Izetbegović im Parlament von Bosnien-Herzegowina, dass er bereit sei, für die Souveränität Bosnien-Herzegowinas den Frieden zu opfern. Man betrieb eine massenhafte Mobilmachung, und mit großzügiger finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien, dem Iran und anderen islamischen Ländern begann der Bürgerkrieg. Bald darauf traf eine Vielzahl von Mudschaheddin ein.
Auf dem 6. Gipfel der Islamischen Konferenz vom 9. bis 12. Dezember 1991, noch bevor der Krieg vollständig ausbrach und Bosnien-Herzegowina diplomatisch anerkannt wurde, sagte man den Glaubensbrüdern Unterstützung für die Schaffung des ersten islamischen Staates in Europa zu. Dabei hat Bosnien-Herzegowina selbst heute noch keine mehrheitlich muslimische Bevölkerung. Dies schloss nicht nur bedeutende finanzielle Hilfe ein, sondern Alija Izetbegović wurde auf der islamischen Konferenz, die am 1. und 2. Dezember in Dschiddah stattfand, gefeiert und geehrt. Man weitete das Interesse auch auf zwei Gebiete innerhalb Serbiens aus: Kosovo und Raška, oder wie die Muslime es nennen, Sandžak.
Die ersten heiligen Krieger oder Mudschaheddin reisten aus Afghanistan, dem Libanon, Marokko und Pakistan an, mit Waffen ausgerüstet, die von der CIA an die Rebellen in Afghanistan geliefert worden waren. 400 Mitglieder der Hisbollah trafen als militärische Ausbilder in Sarajevo ein […]“ (S. 7-8). „Wie es schon in Kroatien geschehen war, wurden auch nach Bosnien-Herzegowina angeblich ausgediente amerikanische Offiziere geschickt, um die muslimische Armee auszubilden. Die Kampfhandlungen breiteten sich von Nord nach Süd aus, drangen schließlich in das Gebiet Serbiens ein, nämlich in Kosovo. Das Muster, nach dem Jugoslawien planmäßig zerstört wurde, mit Kosovo als letzter Station, ist einfach: man stützte sich auf paramilitärische Rebellengruppen, Kriminelle, und im Kosovo auf die Drogenmafia und auf Terrorgruppen“ (S. 8). […] Auf die Rolle, die die UÇK spielte, im Westen „Befreiungsarmee“ genannt, geht Milošević ausführlich ein. „Laut OSZE-Mitgliedern, die sich an einem Kontrollpunkt an der Grenze zwischen Jugoslawien und Albanien befanden, bemerkten Beobachter dort überrascht, dass die UÇK-Mitglieder tatsächlich deutsche Uniformen trugen. Jedenfalls gab der deutsche Geheimdienst zu, dass er die Ausbildung albanischer Terroristen in Berlin und anderswo sowie ihren Transport organisiert hat“ (S. 55). […] „Die Kampftaktik der UÇK besteht in Überfällen, die UÇK-Mitglieder sind in Zellen von drei bis fünf Personen organisiert, was für Terrororganisationen charakteristisch ist. Die Gruppenmitglieder sind erkennbar von der Idee der Abspaltung von Jugoslawien und der Angliederung an Albanien besessen und führen Befehle ohne Widerrede aus.“ (S. 57). Der Senatsausschuss legte der amerikanischen republikanischen Partei ein Dokument vor in dem es u.a. heißt: „Als die NATO-Bombardements begannen, bestand zwischen der Clinton-Regierung und der UÇK eine unverbrüchliche Partnerschaft. Eine solche überschwängliche Akzeptanz führender Mitglieder der Clinton-Regierung für eine Organisation, die nur ein Jahr zuvor von ihrem eigenen Regierungsvertreter als terroristische Organisation gebrandmarkt worden war, ist, gelinde gesagt, erschreckend. Noch wichtiger ist, dass durch diese neue Partnerschaft zwischen Clinton und der UÇK einige besorgniserregende Vorwürfe gegen die UÇK verschleiert werden könnten, über die die Clinton-Regierung bisher hinweggegangen ist.“ (S. 58) […]
Im Krieg gegen den übrig gebliebenen Teil Jugoslawiens, also Serbien und Montenegro, wurden zehntausende Bomben abgeworfen, viele davon mit Sprengköpfen, die abgereichertes Uran enthielten, und der Boden wurde nach den Erkenntnissen internationaler Experten fünf- bis sechsmal stärker verseucht als in Hiroshima, alles während des Angriffskrieges des NATO-Paktes gegen Jugoslawien“ (Ebd.). Später kommt Milošević darauf noch einmal zurück: „Man verwendete Munition mit abgereichertem Uran, das den Boden für viele tausend Jahre verseucht hat. Man kann mit Sicherheit sagen, dass diese Umweltverschmutzung nicht nur auf dem Gebiet Jugoslawiens, sondern auch auf einer weiteren Fläche Osteuropas auftrat. Die Munition mit abgereichertem Uran wurde zumeist im Kosovo verwendet, wo viele Flüsse entspringen, die durch Europa fließen. Es ist also offensichtlich, dass man beabsichtigte, die Flüsse zu verseuchen, die nach Serbien fließen, die Große Morava, die Save und die Donau. Die NATO hat absichtlich eine ökologische Katastrophe herbeigeführt, indem große Flüsse und viele Mineralquellen und Heilgewässer verseucht wurden, und Serbien ist wohlgemerkt eines der an solchen Gewässern reichsten Gebiete in Europa.
Man dachte, dass Jugoslawien eine Zukunft in der Herstellung von Lebensmitteln für Westeuropa und Amerika haben würde, weil es vor der NATO-Aggression unbelasteten Boden und sauberes Wasser hatte. Es gab in Jugoslawien eine langfristige landwirtschaftliche Planung bis zum Jahr 2020, in der gefragte organisch angebaute Nahrungsmittel einen besonderen Platz einnahmen. Mit der 78-tägigen Bombardierung, bei der viele verbotene Chemikalien in den Boden gelangten, wurde die Produktion dieser gesunden Nahrungsmittel langfristig verhindert“ (S. 74-75).
Über das ad-hoc Tribunal äußert sich Milošević folgendermaßen: „Als ich hier zum ersten Mal erschien, wie auch bei verschiedenen späteren Gelegenheiten, stellte ich die Rechtmäßigkeit dieses so genannten Tribunals in Frage. […] Aber Sie müssen der internationalen Gemeinschaft Rechenschaft darüber ablegen, woher der Sicherheitsrat das Recht nimmt, internationale Verträge aufzuheben […](S. 14). Dieses illegale Tribunal hat auch nicht das Recht, den Personen, die vor ihm stehen, eine Auskunft darüber vorzuenthalten, ob sie sich vor einem legalen oder illegalen Organ befinden. Vor allem, wenn es einen gangbaren Rechtsweg gibt, um diese Frage zu klären“ (S. 15). […] „Mit anderen Worten, das Tribunal ist ein Instrument des Krieges und nicht des Rechts“ (S. 17). […] „Wenn diese Farce auch dem Inhalt und Niveau nach billig ist, so werden doch erhebliche Finanzmittel für sie zur Verfügung gestellt, z.B. von Saudi-Arabien, George Soros, den USA und anderen angeblich unparteilichen Geldgebern“ (S. 76). Milošević, wie auch anderen, den Serben überhaupt, wurde ein „gemeinschaftliches kriminelles Unterfangen“ vorgeworfen. Aus Mangel an Beweisen wurde diese nebulose Konstruktion aufgestellt.
Einen kleinen Einblick in die Propagandabetätigungen liefert er auch: „Ich erwähne nur Kinkel, der am 27. Mai 1992 sagte: „Serbien muss in die Knie gezwungen werden.“ Kohl 1993: „Die Serben in ihrem eigenen Gestank ertrinken lassen“, Blair sagte 1999, dass der Krieg gegen Serbien kein militärischer mehr sei, sondern eine Schlacht zwischen Gut und Böse, zwischen Zivilisation und Barbarei. Und Clinton am 25. April 1999: „Die Serben übten Terror aus und vergewaltigten albanische Kinder“ (S. 74). Mit dem offiziellen Eintritt der USA in den Krieg erdreistete sich Clinton zu Folgendem: „In der Nacht zum 24. März 1999 sagte der damalige US-Präsident Clinton, als er der amerikanischen Öffentlichkeit im Fernsehen den Beginn des Luftfeldzuges, wie er ihn nannte, erklärte, dass die Serben nicht nur den Ersten Weltkrieg ausgelöst hätten, sondern dass es ohne sie auch keinen „Holocaust“ gegeben hätte“ (S. 30). Der kanadische General Lewis MacKenzie, ehemaliger Kommandeur in Bosnien, sagte in einem Artikel vom 6. April 2004 in einer kanadischen Tageszeitung: „Alle Informationen, die als Deckmantel dienten, um die Bombardierung Serbiens zu rechtfertigen, erwiesen sich als schwere Fälschungen“ (S. 69). Er spricht sich auch offen darüber aus, dass der Zweck des UÇK-Terrors darin lag, einen ethnisch reinen Kosovo zu schaffen, so dass nur Albaner, aber keine Serben dort leben sollten.
Auf den illegalen Charakter der Sezessionen weist Milošević hin, indem er auf die damals gültige jugoslawische Verfassung, Artikel 5, zu sprechen kommt: „Das Gebiet der Sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien ist ein einheitliches Gebiet, das sich aus den Gebieten der Sozialistischen Republiken zusammensetzt. Die Grenzen der SFRJ können nicht ohne die Zustimmung aller Republiken und autonomen Gebiete geändert werden“ (S. 44). Das wurde bei der Zerschlagung Jugoslawiens natürlich nicht berücksichtigt.
Immer wieder erwähnt Milošević die Rolle des Vatikans und der USA bei der Eroberung und Neugestaltung der gesamten Balkanhalbinsel: „Die Bemühungen des Vatikans um enge Beziehungen zu den Siegern des Zweiten Weltkriegs, besonders den Vereinigten Staaten, führten zu Beginn der 80er Jahre zum Erfolg, als von einem Treffen zwischen dem Papst und Reagan durchsickerte, dass man über die Prinzipien diskutiert habe, die 1945 auf der Konferenz von Jalta beschlossen worden waren. Es gab auch noch weitere Treffen mit politischen Verbündeten, bei denen feste Verbindungen hergestellt wurden, von denen der Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Richard Allen sagte, dass sie zu den größten Geheimbünden aller Zeiten zählten.“ […] „Was bekannte Intellektuelle über die Rolle des Heiligen Stuhls sagten, wurde von Michail Gorbatschow 1992 in La Stampa bestätigt: «Alles, was in den letzten paar Jahren in Osteuropa geschah, wäre nicht ohne die Beteiligung des Papstes Johannes Paul II. möglich gewesen»“ (S. 34-35). […] „Was die Vereinigten Staaten betrifft, so haben sie in Osteuropa und im ehemaligen Jugoslawien ihre eigenen Interessen. Die Gegensätze und Konflikte zwischen den kleinen Ländern, die im ehemaligen Jugoslawien geschaffen worden sind, und ihre Unfähigkeit, auf politischem, ökonomischen oder irgendeinem anderen Gebiet unabhängig zu agieren, bilden für die Vereinigten Staaten eine vorzügliche Grundlage, um ihre ökonomische, politische und besonders ihre militärische Präsenz in Europa auszubauen. Das letztere ist ganz wichtig, denn nach dem Ende des Warschauer Vertrages hat die Anwesenheit des US-Militärs in Westeuropa jeden Vorwand oder jede Berechtigung verloren. So überrascht es nicht, dass sich die Vereinigten Staaten daran beteiligen, die bedauerliche Situation zu schaffen, die gegenwärtig in der Mehrzahl der Balkanländer herrscht. Nach dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ ist der Kalte Krieg auf eine gewisse Art weitergeführt worden, um das Überleben einer jedweden Gesellschaft zu verhindern, die als Beispiel einer erfolgreichen Alternative zu der primitiven Durchsetzung des kapitalistischen Modells dienen könnte, die jetzt vor sich geht. Jedenfalls durfte Jugoslawien den Warschauer Vertrag nicht überleben, denn sonst hätten die Osteuropäischen Länder ein unliebsames Beispiel für eine unabhängige Entwicklung und eine Alternative zur kritiklosen Annahme der westlichen Werte gehabt, was ein Hindernis für die Durchsetzung der Neuen Weltordnung durch die einzige verbliebene Supermacht USA dargestellt hätte, nämlich die Verwandlung der Welt in eine Aktiengesellschaft unter der von räuberischen Absichten geleiteten Führung der Weltbank und der Vereinigten Staaten“ (S. 37-38).
In einem Schauprozess dürfen auch nicht die falschen Zeugen fehlen. So erwähnt Milošević einmal: „Einer ihrer Zeugen [der Anklage] antwortete mir auf die Frage, wie er eine Erklärung unterschreiben konnte, dass in Srebrenica 7000 Muslime erschossen wurden, dass seine Verteidiger einen Brief geschrieben hatten, in dem sie sich verpflichteten, keine Zahlen in Frage zu stellen. Sie hätten dann auch 70000 hinschreiben können. Sie hätten hinschreiben können, was immer sie wollten“ (S. 98).
Die Tagespresse leistete wie stets einen guten Dienst für die böse Sache. Anhand von Zitaten aus dem Independent vom 1. Juli 2001 und vom 29. Juni 1989 zeigt Milošević, wie über ein und dieselbe Sache, wenn es gebraucht wird für die Verleumdung, unterschiedlich berichtet wird. 2001 hieß es: „Der serbische Führer [Milošević] legt während des sechshundertsten Jahrestages der Schlacht auf dem Amselfeld vor mehr als einer Million Serben seine Ziele und sein Programm dar, wobei er offen mit Gewalt droht, um den Bund aus sechs Republiken zusammen zu halten“ (S. 100). 1989 hieß es noch: „Der serbische Präsident sprach kein einziges Mal in aggressiver Weise von ’albanischen Konterrevolutionären’, stattdessen sprach er von gegenseitiger Toleranz, vom ’Aufbau einer reichen und demokratischen Gesellschaft’ und von der Beendigung der Zwietracht, die, wie er sagte, zu Serbiens Niederlage gegen die Türken vor sechs Jahrhunderten geführt hatte“ (S. 100-101).
Der ehemalige Präsident der Serben ist sich natürlich über seine Lage bewusst. In seinen letzten Worten der Eröffnungsrede sagt er: „Meine Herren, mir ist völlig klar, dass es illusorisch wäre, in einem Schauprozess nach Logik zu suchen […] Meine Herren, Sie wissen gar nicht, was für ein Privileg es selbst unter den Bedingungen, die Sie mir auferlegt haben, ist, dass ich Wahrheit und Recht als meine Verbündeten habe. Ich bin sicher, dass Sie sich das nicht einmal vorstellen können“ (S. 105).
Am 2. September, also nur einen Tag nach der Eröffnungsrede zur Verteidigung, wurde Milošević das Recht zur Selbstverteidigung, gegen seinen Willen, entzogen. Stattdessen wurde die Vollmacht für die Verteidigung „zwei Freunden des Gerichts“ übertragen, die die Strategie und die Zeugenauswahl nun selbständig handhaben konnten, ohne dabei den Instruktionen des Angeklagten Folge leisten zu müssen. Diese offensichtliche Abstrafung für seine Verteidigung erhöhte weiter seine gesundheitlichen Probleme. Er litt an schwerem instabilen Bluthochdruck, der durch die Haftbedingungen verschlimmert wurden. Am 4. November 2005 wurde Milošević von drei internationalen Ärzten untersucht, die auf den kritischen Gesundheitszustand aufmerksam machten und eine mindestens sechswöchige Unterbrechung des Verfahrens forderten. Doch das Gericht ging auf diese Empfehlungen nicht ein.
Während des gesamten Prozesses befand sich Milošević in Isolationshaft. Die Verteidigung musste er vom Gefängnis aus durchführen, Familienmitglieder durfte er in den fünf Jahren nicht empfangen. Vor Gericht erwähnte er, wie sein Essen im Gefängnis, das sich äußerlich von dem der übrigen Insassen nicht unterschied, von einem Wärter hektisch ausgetauscht wurde. Das Gericht ging auch darauf nicht ein. Am 10. März 2006 bereitete sich Milošević mit seinem nächsten Zeugen, dem ehemaligen Expräsident Montenegros, Momir Bulatović, vor und gegenüber seinem Rechtsberater Zdenko Tomanović äußerte Milošević den Verdacht, im Gefängnis vergiftet und mit falschen Medikamenten behandelt worden zu sein. Aus diesem Grund verfasste er einen Brief an die russische Regierung mit der Bitte um Schutz. Er wollte sich in einem russischen Krankenhaus behandeln lassen, was ihm zuvor bereits angeboten wurde.
Dieser Brief, der in der russischen Botschaft in den Niederlanden am 11. März 2006 einging, sollte der letzte Brief Miloševićs gewesen sein. Am selben Tag wurde Slobodan Milošević in seiner Zelle im Den Haager Gefängnis „tot aufgefunden“. „Verschwörungstheorien“ wurden in der Mainstreampresse reflexhaft abgewiesen, ebenso wie die „Schuld“ von Milošević bereits vor dem Schauprozess erwiesen war. Die NATO-Staaten und die zu ihr gehörenden Journalistenvereinigungen heuchelten, dass sie nun um ihr Urteil im Prozess betrogen wurden. Die meisten der Prozessbeobachter mussten im Verlauf der Gerichtsverhandlungen jedoch konstatieren, dass weder die Absicht zu den Verbrechen, die Milošević zu Last gelegt wurden, noch konkrete Tatverbrechen nachgewiesen werden konnten, trotz der ausufernden Dokumente, welche die Anklageseite vorbrachte. Zu recht beklagte sich Milošević damals darüber, dass ca. 1 Millionen (!) Seiten „Beweismaterial“ von der Anklage eingebracht wurden, auf die sich die Verteidigung innerhalb von 3 Monaten einstellen musste. Jedenfalls wurde durch den Tod die Prozessniederlage für die Anklageseite verhindert. Fakt ist auch, dass kurz vor dem Tod bei einer Blutuntersuchung „unerklärliche“ Spuren von Tuberkulose- und Lepra-Medikamenten festgestellt wurden, die der Wirkung der Blutdruckmittel, die er einnahm, entgegen arbeiteten.