Laut Angaben des Statistischen Landesamtes leben 12.450 griechische Staatsbürger in Berlin. Das sind 2% der in Berlin lebenden Ausländer. Griechische Akzente finden sich heute in der Berliner Kultur, Musik, Wirtschaft und nicht zuletzt natürlich in den Medien.
Ein Gespräch mit dem griechischen Journalisten Dr. Emmanuel Sarides, einem promovierten Soziologen, der seit mehr als 50 Jahren in Berlin lebt. Seine ersten Schritte im Medienbereich tat er Ende der 1990er Jahre mit dem griechisch-deutschen Fernsehprogramm Kalimera, was auf Deutsch „Guten Tag“ bedeutet. Der heute 81-jährige Journalist ist seit 2005 Betreiber des Internet-Portals Berlin-Athen, wo Artikel sowohl auf Griechisch als auch auf Deutsch veröffentlicht werden.
Von Mariam Jamalyan
Herr Sarides, Sie sind schon lange in Berlin. Warum haben Sie Deutschland als Ihre neue Heimat gewählt, und was hat Ihnen hier so gut gefallen, dass Sie geblieben sind?
Ich bin Anfang der 1960-er Jahre nach Deutschland gekommen. Es gab zwei Gründe: Einer davon kann als persönlich bezeichnet werden – mir war es ein bisschen zu eng in meiner Heimat Thrakien. Schon immer wollte ich die Welt sehen. Der zweite Grund war, dass 1960 die erste große Gastarbeiterwelle aus Griechenland in Deutschland eintraf. Außerdem habe ich mich in eine deutsche Frau verliebt und sie geheiratet. Sie war eine Berlinerin, und so bin ich nach Berlin gezogen. 1965 habe ich angefangen, an der FU Berlin Soziologie und Politikwissenschaft zu studieren.
Sie waren Inhaber von zwei Restaurants und sogar Taxifahrer. In der Zeit von 1960 bis 1975 haben Sie Ihren Job vielmals gewechselt. War es schwer, sich in Berlin zurechtzufinden?
Na klar, am Anfang als ich nach Deutschland kam, hatte ich Schwierigkeiten mit der Sprache. Ich arbeitete in Fabriken in Westfalen. Außerdem war ich auch als Taxifahrer in Berlin tätig. So habe ich mit Rundfunksendungen, ich habe nie Angst gehabt, Neues auszuprobieren, und meiner Meinung nach ist es auch gut, nicht nur geistig, sondern auch körperlich arbeiten zu können.
1989 gründeten Sie den Sender Kalimera in Berlin, der wöchentlich im Spreekanal ein einstündiges griechisch-deutsches Fernsehprogramm präsentiert hat. Wie kamen Sie auf die Idee, eine solche Sendung zu machen?
Interesse am Schreiben hatte ich eigentlich immer. Schon seit meiner Kindheit bin ich vom Journalismus begeistert. Bereits während meiner Schulzeit habe ich es mit Rubriken und Kolumnen für diverse Zeitungen versucht. Mich hat auch Film interessiert. So entstand die Idee, mit einem griechisch-deutschen Fernsehprogramm dazu beizutragen, dass Griechen und Deutsche mehr übereinander erfahren. Damals haben die Deutschen den Griechen viel Sympathie entgegengebracht, weil in Griechenland von 1967 bis 1974 eine Militärdiktatur herrschte, und viele Deutsche es interessierte, was da passierte. Der Sender hatte damals 110.000 Zuschauer.
Sie betreiben seit Jahren das Internetportal Berlin-Athen. Mit welchen Herausforderungen ist das verbunden?
Das Portal ist rein privat, selbstproduziert und nicht kommerziell. Es dient dem Zweck, Menschen alternative Informationen zu geben, die in der Regel in Massenmedien schwer zu finden sind. Die Artikel sind auf Deutsch, deswegen sind unter unseren Lesern nicht nur Griechen.
Es gibt die Meinung, dass Journalisten auf die öffentliche Meinung einwirken und sogar das Image eines Landes beeinflussen können. Wie beeinflusst das Portal Berlin-Athen seine Leser?
Mein Internetportal hat viele Leser, aber es hat keinen Einfluss auf irgendwelche Ereignisse. Das will ich auch nicht. Meine Motivation ist es, Leuten Impulse zum Weiterdenken zu geben. Das ist die einzige Intention…
Es zeigt sich, dass die Berichterstattung zur griechischen Staatsschuldenkrise sehr stark durch die Regierung geprägt, überwiegend meinungsorientiert und wertend ist. Dabei wird die deutsche Regierung in den Artikeln viel weniger bewertet als die griechische. Wie beurteilen Sie die Lage des Journalismus in Griechenland und Deutschland? Und wie ist Ihre Meinung über die Rolle der Medien in der griechischen Finanzkrise?
“Journalisten sind Huren”, sagte John Swinton, Chefredakteur der New York Times. Natürlich nicht alle, aber meistens ist es so. Journalisten sagen und schreiben das, was der Chef und die Menschen hören möchten. Es gibt sowieso nicht nur eine einzige Wahrheit, es gibt immer mehrere. Was die deutsche Presse schreibt, ist bestimmt eine Seite der Wahrheit, was die griechische Presse schreibt, ist in Griechenland offiziell auch eine Wahrheit. Ich beschäftige mich seit Jahren mit der Berichterstattung und habe eines verstanden: Wenn man etwas verstehen möchte, muss man es analysieren und auf den Kopf stellen. Nur so kann man die Dinge annähernd richtig beurteilen.
Welchen Beruf hätten Sie ergriffen, wenn Sie in Griechenland geblieben wären?
Das ist schwer zu sagen. Deutschland hat vieles, was einem Griechen als kalt erscheint. Aber eine Stadt wie Berlin bietet auch sehr viele Möglichkeiten, die ich definitiv in Griechenland nicht zur Verfügung hätte.
Danke Herr Sarides für dieses Gespräch.
Mariam Jamalyan studierte an der Staatlichen Universität Eriwan Übersetzungswissenschaft. Da ihre große Leidenschaft die Politik ist, wechselte sie in ihrem Masterstudium zum Fach „Öffentliche Verwaltung und Politikwissenschaft“. Ihren journalistischen Werdegang begann sie in der studentischen Zeitung der Eriwaner Universität, ihren politischen als Assistentin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Armenien. Die Kombination von Journalismus und Politikwissenschaft hilft Mariam, sich in ihrem Heimatland zu engagieren und sich nützlich und wertvoll zu fühlen. Sie mag Dokumentarfilme und Poetry Slam. In Berlin absolvierte sie ihr Praktikum im Ressort Politik beim „Tagesspiegel“.
Quelle: http://userpage.fu-berlin.de/melab/wordpress/?p=7666