Đorđe Mihailović ist der letzte Wächter des Alliierten-Friedhofs Zeitenlik in der nordgriechischen Stadt Thessaloniki
Đorđe Mihailović ist der letzte Wächter des Alliierten-Friedhofs Zeitenlik in der nordgriechischen Stadt Thessaloniki
Titel des griechischen Originals: „Ο τελευταίος φύλακας ψυχών“
http://www.ethnos.gr/article.asp?catid=22768&subid=2&pubid=63989834
Deutsche Übersetzung: Emmanuel Sarides
„Der letzte Seelenwächter“
von Maria Ritzaleou
Er trink einen heißen Sljivovica, schließt die Flasche mit dem starken alkoholischen Getränk , kommt aus dem kleinen Zimmerchen und wandert zwischen den Gräbern des größten griechischen Soldatenfriedhofs, letzte Ruhestätte für 20.500 Soldaten: Franzosen, Serben , Italiener, Briten und Russen, die im ersten Weltkrieg gefallen sind.
Georgios (serbisch Đorđe) Mihajlovič zeigt stolz Fotos von Soldaten, Orden, Souvenirs von Soldaten, die im Alliierten-Friedhof Zeitenlik begraben wurden, 20.500 Franzosen, Serben, Italiener, Briten und Russen.
Đorđe Mihailović ist 86 Jahre alt und sieht aus wie jemand aus den Underground-Filmen von Emir Kusturica. Er ist der letzte serbische Soldat in Griechenland, der treu seiner Pflicht geblieben ist, dass sich die Flamme in den Öllämpchen der Gräber im Alliierten-Friedhof von Zeitenlik (türkisch Zeytinlik, serbisch Зејтинлик, der Olivenhain) im westlichen Teil der Stadt Thessaloniki nicht löscht.
„Wächter der Seelen“ tausender von Soldaten, die ihren letzten Atemzug an der mazedonischen Front des Ersten Weltkrieges ließen, hat sich Đorđe Mihailović der Aufgabe gewidmet, diese weiterhin zu ehren und für sie zu sorgen. Er pflegt täglich seine Uniform, trägt seinen militärischen Zweispitz und die khaki-Jacke mit dem serbischen Hoheitszeichen am Ärmel und seinen Namen genäht auf Herzhöhe und geht zum Friedhof. Diese Tätigkeit hat er geerbt, denn sein Großvater und sein Vater waren ebenfalls Wächter im serbischen Teil des Friedhofs. Er hat sogar seinen Bau miterlebt und er war acht Jahre alt, als dieser im Jahre 1936 eingeweiht wurde. Er kann heute nicht den Schmerz vergessen, den er in den Augen der Angehörigen der Gefallenen gesehen hatte.
„Es war ein Tag, der mir bis heute unvergesslich bleibt. Es kamen Eltern, Witwen, Waisen, einige der Kinder haben ihren Vater nie gekannt. Ich war acht Jahre alt und ich erinnere mich noch wie heute“, sagt er mit einer Stimme, die vor Schmerzen bricht.
Vier Jahre später, im Zweiten Weltkrieg, hat er seinen Vater gesehen, wie er die Überreste weiterer 139 gefallener Landsleute in Empfang genommen hatte. Im Alter von 32 Jahren, 1960, übernahm er in dritter Generation der Familie Mihajlovic die Wächter-Tätigkeit. „Ich bin für diese Aufgabe geweiht und stolz darauf, was ich tue“, sagt er.
Jeden Tag verlässt er das Haus, das er vom serbischen Konsulat in einer Ecke des Friedhofs bekommen hat und betritt die Nekropole. Er reinigt und pflegt die Gräber, zündet die Kerzen, gießt die Blumen, jätet Unkraut, pflegt die Devotionalien, führt die Besucher durch den Friedhof. Er achtet auf das Archivmaterial wie seinen Augapfel. Im unterirdischen Beinhaus mit den 5.500 Soldaten, die ihr Leben im Kaimaktsalan-Kampf im September 1916 verloren haben, beugt seinen Kopf und betet. Am Eingang verbeugt sich vor der serbischen Fahne, zeigt dann stolz Fotos von Soldaten (über Kaimaktsalan/Kajmakčalan, türkisch: Sahne-Schläger, siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/Kajmak%C4%8Dalan ).
„Nach so vielen Jahren fühle ich mich wie ein Mitglied einer sehr großen, schweigenden Familie“, sagt er und erzählt viele Geschichten für jeden von den Marmorkreuzen. Wie eine lebende Enzyklopädie erinnert er sich, wenn er nur den Namen sieht, deren Lebensgeschichte von damals und heute – von ihren Nachkommen.
Seit mehr als ein halbes Jahrhundert führt er die Besucher durch den Friedhof, Serben und andere, während er am 11. November eines jeden Jahres bekommt er den Besuch der offiziellen Führung Serbiens zum Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs. Er hat Präsidenten und Präsidenten begrüßt, Slobodan Milošević, Radovan Karadžić, Vojislav Koštunica, Boris Tadić, und hatte das Glück, im Jahr 2007 den letzten überlebenden Veteran des Krieges zu begrüßen, der damals 104 Jahre alt ar.
Trotz seiner 86 Jahre gibt er nicht auf, er will nicht in den Ruhestand, er könnte nicht den Tag verbringen ohne seine Freunde. Er will sie nicht allein lassen. Obwohl seine Stimme ziemlich leise wurde, Đorđe Mihailović schafft es, sogar Schulen und organisierte Gruppen von Gästen durch den Friedhof zu führen. Und wenn man ihn fragt, was ihm dieser Job einbringt und warum er ein Friedhofs-Wächter bleibt, antwortet er: „Um die Menschen zur Vernunft zu bringen.“
Đorđe Mihailović ist mit einer Griechin verheiratet und hat eine Tochter. Nach der zwischenstaatlichen Vereinbarung zwischen Griechenland und Serbien kann die Stelle eines Wächters nicht mit einer Frau besetzte werden. Und weil er auch zwei Enkelinnen hat, scheint es, dass die Familie Mihajlovic die letzte zur Bewachung des Alliierten Friedhofs sein wird. Doch Mihajlovic wird ihn niemals verlassen. Sein letzter Wunsch ist es, in Zeitenlik begraben zu werden, wie sein Vater und Großvater. „Ich denke, dass ich dazu berechtigt bin, obwohl dies die serbische Regierung entscheiden wird“, sagt er.
Der Alliierten-Friedhof von Zeitenlik wurde in den 1920er Jahren in Thessaloniki an der Langada Straße errichtet, auf einem Areal, das vom griechischen Staat gekauft wurde und er seine Nutzungsrechte auf die verbündeten Staaten übertrug. Auf dem Friedhof liegen 20.500 Soldaten der Entente, die in der mazedonischen Front des Zweiten Weltkrieges gefallen sind. Er ist in fünf Sektoren geteilt. Den französischen mit 8089 Gräbern, den serbischen mit 7.500 Gräbern , den italienischen mit 3000, dem britischen mit 1600 und den russischen mit 400 Gräbern. Im französischen Sektor sind auch Soldaten aus Senegal, Marokko und Algerien begraben.
Quelle: http://www.ethnos.gr/article.asp?catid=22768&subid=2&pubid=63989834
Über Đorđe Mihailović und den Alliierten-Friedhof in Thessaloniki siehe auch http://www.karicawards.com/The-Karic-Brothers-Award-Laureates-in-2013/919/For-preservation-of-the-tradition-and-the.shtml
Über den Zeitenlik-Friedhof (türkisch Zeytinlik, serbisch Зејтинлик) siehe auch https://www.flickr.com/photos/bocko-m/albums/72157646861338566/page2/
Rubrik: Balkan/Βαλκάνια
Maria Ritzaleou
10. April 2014