Die Koalition der Kriegswilligen

Mosaik "Krieg" auf der Nordseite des Podests des Friedensengels in München (Bild von Rolf Schlagenhaft via wikimedia commons | CC BY-SA 3.0)

Deutschland beteiligt sich an einer neugegründeten europäischen Militärformation. Die Europäische Interventionsinitiative, die auf einen französischen Vorstoß zurückgeht, steht EU- wie auch Nicht-EU-Staaten offen; sie soll schnelle Entscheidungen über gemeinsame Kriegseinsätze ermöglichen und die bisherige EU-Militärkooperation („PESCO“) um eine operative Komponente erweitern.

 

 

Bereits für September ist eine erste Zusammenkunft der militärischen Führungsstäbe der – bislang – neun beteiligten Staaten angekündigt. Mit dabei sind Großbritannien, das auch nach dem EU-Austritt die Militärzusammenarbeit mit dem Kontinent fortsetzen will, und Dänemark, das seiner Bevölkerung einst ein Opt Out aus der EU-Militärpolitik zugestanden hat, dies nun aber umgehen kann, weil die Interventionsebene offiziell nicht innerhalb der EU angesiedelt ist. Experten sprechen von einer europäischen „Koalition der Willigen“. Deren Gründung geht mit milliardenschweren Militarisierungsplänen der EU-Kommission und mit teuren deutsch-französischen Rüstungsprojekten einher.

Deutschlands PESCO

Die Europäische Interventionsinitiative geht zurück auf die europapolitischen Vorstöße, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am 26. September 2017 in seiner programmatischen Rede an der Sorbonne vorgestellt hat. Hintergrund seiner Ausführungen zur Militärpolitik war, dass sich in den damaligen Verhandlungen zur EU-Militärkooperation, die wenig später in die Permanent Structured Cooperation (PESCO) münden sollten [1], Berlin mit seinen Vorstellungen weitgehend durchgesetzt hatte und zentrale französische Forderungen nicht berücksichtigt wurden. PESCO zielt vor allem darauf ab, die militärischen Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten enger aufeinander abzustimmen und gemeinsame militärische Kapazitäten zu entwickeln. Damit ergänzt die Initiative den EU-Rüstungsfonds, der seinerseits die Rüstungsforschung sowie die Entwicklung neuer Waffen durch europäische Konzerne forcieren soll.[2] Der breite, recht allgemein gehaltene Ansatz hat es möglich gemacht, 25 der – noch – 28 EU-Staaten in die Initiative einzubeziehen; lediglich Großbritannien, Dänemark und Malta sind nicht beteiligt: Großbritannien, weil es die EU verlässt; Dänemark, weil es seiner Bevölkerung nach deren Nein im Referendum zum Maastricht-Vertrag ein Opt Out aus der EU-Militärpolitik zugesichert hat; Malta, weil es, anders als Irland, Schweden, Finnland und Österreich, an seiner Neutralität bis heute offiziell festhält. Die maltesische Regierung behält sich allerdings explizit vor, zu einem späteren Zeitpunkt bei PESCO einzusteigen.[3]

Frankreichs Interventionsinitiative

Frankreich hingegen hatte bereits in den Verhandlungen über PESCO einen anderen Ansatz befürwortet und weniger auf eine breite Beteiligung als vielmehr auf eine verlässliche Bereitschaft und Fähigkeit zu raschen Kriegseinsätzen abgezielt. Grund war, dass die französischen Streitkräfte schon seit einiger Zeit – so hieß es kürzlich in einer Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) – stark „überlastet“ sind; aus französischer Sicht hätten sich, hieß es weiter, „die EU-Strukturen bislang als wenig hilfreich für schnelle Interventionen erwiesen“.[4] In der Tat würden „Entscheidungen im Rahmen der EU immer noch sehr langsam“ gefällt, monierte Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly am Wochenende.[5] Als sich abzeichnete, dass Berlin sich bei PESCO durchsetzen würde, begann Paris mit der Planung eines alternativen Formats – der Initiative européenne d’intervention. Zu Beginn des kommenden Jahrzehnts solle die EU nicht nur über eine gemeinsame Interventionstruppe, sondern auch über einen gemeinsamen Militärhaushalt und über eine gemeinsame Militärdoktrin verfügen, forderte Macron in seiner Rede an der Sorbonne.[6] Einen Krieg wie denjenigen im Jahr 2013 in Mali („Opération Serval“) wolle man in Zukunft nicht mehr alleine, sondern „zu mehreren führen“, bekräftigte Parly nun.

Bündnisunabhängig

Nach abschließenden Verhandlungen zwischen Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche ist die Europäische Interventionsinitiative am gestrigen Montag offiziell gegründet worden. Formal ist sie von der EU unabhängig und deshalb nicht auf langwierige Abstimmungen innerhalb der Union angewiesen. Zudem erleichtert sie es, Großbritannien auch nach seinem Ausstieg aus der EU einzubeziehen; London, das schon seit 2010 militärische Sonderabkommen mit Paris geschlossen hat, die unter anderem Grundlage der gemeinsamen Kriegführung in Libyen waren [7], gehört dem inneren Kern der Initiative an. Auch Dänemark ist involviert: Da die Initiative formal kein EU-Projekt ist, widerspricht die Einbindung in sie dem Buchstaben nach nicht dem dänischen Opt Out aus der EU-Militärpolitik. Beteiligt sind neben dem Initiator Frankreich Deutschland, Spanien, Portugal, Belgien und die Niederlande sowie – quasi als Vertreter der antirussisch orientierten osteuropäischen Staaten – Estland. Finnland behält sich den späteren Beitritt ausdrücklich vor. Eine künftige Erweiterung etwa um das NATO-Mitglied Norwegen gilt als denkbar.

Die normative Kraft des Militärischen

Auf deutschen Druck ist die Interventionsinitiative allerdings ein wenig abgespeckt und zumindest an PESCO angekoppelt worden: Berlin ist der Auffassung, französisch inspirierte Interventionen, die seinen Interessen zuwiderlaufen, über EU-Strukturen besser ausbremsen zu können. Auch mündet die Initiative zumindest vorläufig nicht in die Gründung eigener Truppenverbände, sondern nur in eine regelmäßige Koordination auf der militärischen Führungsebene: Die teilnehmenden Staaten werden einen Verbindungsoffizier in das französische Operationszentrum entsenden [8]; Mitte September werden ihre militärischen Führungsstäbe in Paris zusammentreffen, um ein erstes gemeinsames Arbeitsprogramm zu erstellen [9]. Geplant sind unter anderem gemeinsame Lageanalysen und die gemeinsame Entwicklung von Interventionsplänen. Dabei orientiert die französische Regierung ausdrücklich auf die Schaffung einer einheitlichen „strategischen Kultur“; für deren Herausbildung soll die militärische Praxis normative Wirkung entfalten. Tatsächlich dominierte bisher, wie es etwa bei der DGAP heißt, „die Sichtweise, dass gemeinsam erarbeitete Strategiedokumente, beispielsweise ein europäisches Weißbuch, der erste Schritt zu einem europäischen Ansatz sein müssten“.[10] Hätte ein derartiges Vorgehen klar die EU-Führungsmacht Deutschland begünstigt, kann bei stärkerer Gewichtung der militärischen Praxis das insbesondere in Afrika kriegserfahrene Frankreich auf Vorteile hoffen. Dies erklärt eine immer noch vorhandene gewisse Zurückhaltung auf Seiten Berlins.

Russland im Visier

Die Gründung der neuen Europäischen Interventionsinitiative geht mit dem Ausbau von PESCO und mit neuen Plänen der EU-Kommission einher, die Infrastruktur der EU-Staaten – insbesondere Straßen, Schienen und Brücken – an militärische Standards anzupassen; allein hierfür sollen im kommenden Jahrzehnt 6,5 Milliarden Euro ausgegeben werden. Darüber hinaus treiben Berlin und Paris energisch milliardenschwere Rüstungsprojekte voran.[11] In der vergangenen Woche einigten sich am Rande des deutsch-französischen Ministerrats Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre Pariser Amtskollegin Parly auf die nächsten Schritte zur Entwicklung eines modernen deutsch-französischen Kampfjets, der um das Jahr 2040 herum den Eurofighter ablösen soll, sowie zur Entwicklung eines deutsch-französischen Nachfolgemodells für den Kampfpanzer Leopard 2. Bei dem Kampfjet, den Airbus und der französische Dassault-Konzern („Rafale“) gemeinsam entwickeln sollen, hat Paris die Führung, bei dem Kampfpanzer, der von KNDS hergestellt wird – einem Zusammenschluss von Krauss-Maffei Wegmann mit der französischen Nexter -, hingegen Berlin. Der Panzer soll ausdrücklich in der Lage sein, gegen den hochmodernen russischen T-14 Armata zu bestehen. Von dem Kampfjet heißt es, er werde als Verbund mit Drohnen und Drohnenschwärmen konzipiert und müsse es schaffen, modernste russische Luftabwehrsysteme des Modells S400 zu überwinden. Ein möglicher Gegner künftiger EU-Kriege wird damit in der deutsch-französischen Rüstungsproduktion klar anvisiert.

 

[1] S. dazu Der Start der Militärunion.

[2] S. dazu Milliarden für europäische Kriege (II) und Europas strategische Rüstungsautonomie.

[3] Malta among three countries opting out of EU’s new defence agreement. timesofmalta.com 11.12.2017.

[4] Claudia Major, Christian Mölling: Die Europäische Interventionsinitiative EI2. Warum mitmachen für Deutschland die richtige Entscheidung ist. DGAPkompakt Nr. 10, Juni 2018.

[5] Florence Parly: «L’Europe de la défense nécessite une culture stratégique commune». lefigaro.fr 24.06.2018.

[6] Initiative pour l’Europe – Discours d’Emmanuel Macron pour une Europe souveraine, unie, démocratique. Paris, 26 septembre 2017.

[7] S. dazu Die neue Entente Cordiale und Der neue Frontstaat des Westens.

[8] Claudia Major, Christian Mölling: Die Europäische Interventionsinitiative EI2. Warum mitmachen für Deutschland die richtige Entscheidung ist. DGAPkompakt Nr. 10, Juni 2018.

[9] Florence Parly: «L’Europe de la défense nécessite une culture stratégique commune». lefigaro.fr 24.06.2018.

[10] Claudia Major, Christian Mölling: Die Europäische Interventionsinitiative EI2. Warum mitmachen für Deutschland die richtige Entscheidung ist. DGAPkompakt Nr. 10, Juni 2018.

[11] S. dazu Die Rüstungsachse Berlin-Paris.

2. Juli 2018
Rubrik: Global/Globalisierung/NWO

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