Airports, Häfen, Telekommunikation: Mit dem Verkauf von Staatsbesitz wollte Griechenland 50 Milliarden Euro einnehmen. Davon bleibt das Land laut neuen Zahlen weit entfernt. Seine Überwachung durch die Geldgeber könnte noch Jahrzehnte dauern.
Wie realistisch sind die Reformziele für Griechenland? Diese Frage dürfte spätestens im August wieder aufkommen. Nach acht Jahren finanzieller Unterstützung durch seine Europartner soll das Land dann wieder auf eigenen Füßen stehen. Als Gegenleistung für die bis dahin empfangenen Milliardenkredite hat sich die griechische Regierung zu weitgehenden Reformen verpflichtet – darunter auch die Privatisierung von Staatsbesitz.
Doch von seinen ursprünglichen Privatisierungszielen bleibt Griechenland weit entfernt. Das zeigt eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken, die dem SPIEGEL vorliegt. Für die Jahre 2011 bis 2017 werden darin Erlöse aus Privatisierungen von insgesamt 5,1 Milliarden Euro aufgeführt. Eigentlich sollte Griechenland zehnmal so viel Geld einnehmen. Ein Zielwert von 50 Milliarden Euro wurde noch 2015 als Teil des dritten Hilfsprogramms vereinbart, obwohl er schon damals als unrealistisch galt.
Seitdem mussten die Annahmen immer wieder nach unten korrigiert werden. So erwartete man zeitweise allein 2015 Einnahmen von 15 Milliarden Euro – am Ende waren es den Angaben zufolge gerade einmal 300 Millionen.
Immobilien zu Schleuderpreisen
Laut dem jüngsten Überprüfungsbericht der EU-Kommission werden von 2018 bis 2060 nun noch Einnahmen von rund 14 Milliarden Euro erwartet. Es habe „Verzögerungen bei der Umsetzung des Privatisierungsprogramms in den vergangenen zwei Jahren gegeben“, heißt es in dem Report. Im laufenden Jahr aber seien unter anderem durch die Verpachtung des Hafens von Thessaloniki an ein deutsches Konsortium sowie die noch laufende Privatisierung des ehemaligen Athener Flughafens Hellenikon Einnahmen von 4,5 Milliarden Euro möglich. Damit könnte Griechenland erstmals ein Jahresziel für Privatisierungen erreichen.
Als ein Grund für das schleppende Vorankommen der Verkäufe gelten politische Widerstände. Wie schon die Vorgängerregierungen ist auch das Linksbündnis Syriza von Premierminister Alexis Tsipras eigentlich gegen Privatisierungen. Zwar gibt es mittlerweile einen formal unabhängigen Privatisierungsfonds, doch dieser arbeitet langsam und gilt immer noch nicht als frei von politischer Einflussnahme. Fonds-Chefin Rania Ekaterinari hat zugesichert, dass die Privatisierungen auch nach dem Ende des Hilfsprogramms weitergehen sollen.
Privatisierungen in Griechenland: Hellas zum Verkauf
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Ein Problem ist aber auch, dass die Privatisierungen unter Zeitdruck und in einer nach wie vor schlechten wirtschaftlichen Lage erfolgen und somit oft keine guten Preise erzielen. Das erleben auch viele Bürger, die ihre Immobilien zu Schleuderpreisen an ausländische Investoren verkaufen müssen. „Die Privatisierung öffentlicher Vermögenswerte in einem depressiven Umfeld ist wie Räumungsverkauf“, kritisiert Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi.
Auf die Frage, ob sie solche fire sales unter Zeitdruck und mit wenigen Bietern für angemessen halte, antwortete die Bundesregierung, es gehe bei den Privatisierungen neben dem Schuldenabbau auch um Marktöffnung sowie die „Depolitisierung und Verbesserung des Managements“.
Der IWF ist raus
Die Frage, wie realistisch die Erwartungen an Griechenland sind, spaltete bereits die europäischen Geldgeber und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) hatten immer wieder versichert, der IWF werde bei den Hilfsprogrammen an Bord bleiben. Doch nach langem Hin und Her steht mittlerweile fest: Am nun auslaufenden Programm für Griechenland beteiligt sich der Fonds finanziell nicht mehr. „Eine weitere Auszahlung des IWF ist finanziell nicht notwendig und nicht mehr vorgesehen“, heißt es dazu in der Antwort.
Der IWF beurteilt die Tragfähigkeit der griechischen Schulden deutlich kritischer als die Europäer. EU-Kommission und griechische Regierung haben die Krise in Griechenland anlässlich des bevorstehenden Endes des dritten Programms bereits für beendet erklärt. Sie beriefen sich dabei unter anderem auf steigende Wachstums- und sinkende Arbeitslosenzahlen.
Dass Griechenlands Wirtschaft aber weiterhin fragil ist, zeigt unter anderem der Blick auf die Nettoanlage-Investitionen privater Unternehmen. Diese sind seit 2011 rückläufig und lagen im vergangenen Jahr bei minus 9,7 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass viele Firmen von der Substanz leben. Auch die Spareinlagen privater Haushalte sind weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Lagen sie 2009 noch bei 197 Milliarden Euro, so sind es heute nur noch 104 Milliarden Euro.
Unter diesen Vorzeichen dürfte Griechenland noch lange im Blick der Geldgeber bleiben. Im Gegensatz zu anderen Krisenländern soll für das Land bis auf Weiteres das Instrument der „verstärkten Überwachung“ (enhanced surveillance) gelten, das alle sechs Monate erneuert werden muss.
Auf die Frage, ob sie Griechenland grundsätzlich über die gesamte, 40-jährige Laufzeit der Kredite überwachen will, verwies die Bundesregierung auf eine EU-Verordnung. Demnach gilt die sogenannte Nach-Programmüberwachung, bis mindestens 75 Prozent der Finanzhilfen zurückgezahlt sind. Für einen großen Teil der Kredite beginnt die Rückzahlung jedoch überhaupt erst im Jahr 2034.