Wer stranguliert die Griechen?

Dr. Emmanuel Sarides

Fragt sich Klaus Steiniger im „Rotfuchs“ (Heft 12/2011). Seine Antwort: Merkel, Sarkozy, Jean-Claude Juncker und eine Athener Kollaboranten Gruppe. Stimmt nicht ganz, sagt Dr. Emmanuel Sarides und erklärt, wer wirklich Griechenland stranguliert. Denn nicht der Henker ist Schuld, sondern Derjenige, der die Exekution befiehlt

Vorwort

Klaus Steiniger, Chefredakteur der Monatszeitschrift „Rotfuchs“, die sich eine „Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland“ nennt, befasst sich im Heft Nr. 167, Dezember 2011, mit meiner Heimat und stellt die Frage „wer stranguliert die Griechen?“.

Sein Artikel kommt weiter unten, doch zunächst einmal sei es gesagt, dass Klaus Steiniger war, wie er sagt, ein „erprobter“ Journalist der DDR. Er schrieb für das „Neue Deutschland“, berichtete aus aller Herren Länder, darunter den USA, begleitete hohe Staatsbeamte der DDR bei ihren Reisen in diesen Ländern und hatte dort auch gut funktionierende Kontakte zu internationalemn Kollegen und Genossen. Dazu zählten in Griechenland Manolis Glezos, Harilaos Florakis und andere Persönlichkeiten der griechischen kommunistischen Partei KKE und der Organisationen, die sich von ihr ständig abspalteten. Hinzufügen möchte ich auch, dass Klaus Steiniger ein Meister der Feder ist, er schreibt fließend, bleibt beim Thema und seine Schreibe ist angenehm zu lesen ist. Das ist zwar gut, kann aber auch, wie es auch mit Rhetoren der Fall ist, den Leser zu Schlüssen verführen, die nicht schlüssig, nicht korrekt, ja einfach falsch sind.

Ich werde hier einige Ungereimtheiten in seinem Artikel herausstreichen, die so nicht zu akzeptieren sind. Und da Herr Steiniger weit ausholt, mit dem griechischen Bürgerkrieg (1946-1949), sei mir erlaubt, diesen als eine Auseinandersetzung zwischen der linken, kommunistischen Volksfront bzw. der Demokratischen Armee Griechenlands (Δημοκρατικός Στρατός Ελλάδας) und der Regierung, die im Libanon 1944 unter den Auspizien Englands und des Westens gebildet wurde, mit einer Armee, die bis 1947 von Großbritannien und ab März 1947 von den USA im Rahmen der Truman-Doktrin militärisch unterstützt wurde. Es handelte sich also nicht um eine Konterrevolution, wie Steiniger schreibt, denn diese Demokratische Armee Griechenlands war aus den Resten der Volksbefreiungsarmee (Ελληνικός / Εθνικός Λαϊκός Απελευθερωτικός Στρατός [ΕΛΑΣ]), des militärischen Arms der kommunistischen „Nationalen Befreiungsfront“ und regulär rekrutierten Soldaten hervorgegangen und wurde, aus Gründen, die hier nicht weiter ausgeführt werden können, direkt in einen aussichtslosen Bürgerkrieg hineinmarschiert. Zumal die Vertreter der Kommunistischen Partei Griechenlands (ΚΚΕ) hatten in Varkiza 1946 einen Vertrag mit der Regierung unterzeichnet, der eine Entwaffnung der militärischen Verbände der ΕΛΑΣ vorsah und Stalin hatte außerdem schon vorher, in Jalta, die griechischen Genossen im Regen stehen lassen bzw. den Repressalien der konservativen Regierung und deren US-amerikanischen und englischen Hintermänner überlassen. Das hätten die Führer der KKE wissen müssen, doch es kam anders, es kam zur Katastrophe eines Bürgerkriegs, der bis 1949 andaurte.

Und um diese Geschichtsepoche zu schließen, sei noch gesagt, dass die Kinder, die die fliehenden Partisanen nach deren Niederlage in die damaligen sozialistischen Länder mitnahmen, nicht unbedingt „vom konterrevolutionären Terror in Sicherheit gebracht“ wurden, wie Steiniger schreibt. Viele Griechen sprechen da von „Paidomazoma“, von einer Kinderlese von etwa 28000 Kindern, in Anlehung an die Knabenlese, das Devşirme, im Osmanischen Reich. Auch Begriffe wie Monarcho-Faschismus, für die Zeit nach dem Bürgerkrieg, gehören eher schon in der Mottenkiste kommunistischer Propaganda, die nicht selektiv auf die politische Situation in Griechenland in Anschlag gebracht werden sollten, denn die Situation in Griechenland war nicht anders als die in Italien oder Deutschland.

Und ein Wort zum „Widerstandsheld Manolis Glezos, der die Hakenkreuzfahne der Nazi-Okkupanten von der Akropolis heruntergerissen hatte“. Nun ja, diese schöne Glezos-Legende wird aber in Griechenland stark angezweifelt: Die Deutschen, gründlich wie sie sind, haben immer die Fahne Sonnenuntergang herunter geholt, wie konnte sie Glezos in der Nacht herunter holen können?

Und nun zur Strangulierung Griechenlands. Ja, Griechenland wird stranguliert, doch nicht von Merkel und Sarkozy, die Steiniger, zu Recht, als Regieassistenten bezeichnet, und auch nicht vom „Finanzmagnat“ Jean-Claude Juncker, der „den Taktstock schwingt“. Nein, Herr Steiniger, auch der angebliche Stardirigent Jean-Claude Juncker ist ein einfaches Mitglied in diesem Orchester williger, eigentlich minderbemittelter Wasserträger des Kapitals.

Und dieses Kapital, von dem so oft im „Rotfuchs“ die Rede ist, ist keine abstrakte Grösse, sondern eine sehr lebendige und aktive Organisation mit einem kompakten Korpus, der auf zwei sehr dicken Beinen steht, das Eine fusst in der City of London (CoL), das Andere in der New Yorker Wall Street. Und das Prinzip dieser Organisation lautet: Geld verleihen und Nationalstaaten in die Schuldenfalle treiben.

Dieser Organisation gehören Geldinstitute „von Weltruf“, die Namen tragen wie Barclays, Merrill Lynch, Société Générale, BNP Paribas, BIZ, Credit Suisse Group, Deutsche Bank u.v.a., außerdem die drei Schwestern ,die Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings, die Nationalstaaten beliebig herabstufen und in den Ruin treiben können, mächtige Unternehmen wie Allianz, AXA, Siemens, den Spekulanten eorge Soros nicht vergessen, die Liste ist sehr, sehr lang. Und sollte man sich das alles als die berühmte Kapital-Pyramide vorstellen, würden diese Geld-Unternehmen als ein Korpus erscheinen, dessen Kopf die Rothschild-Dynastie ist. Und damit es noch deutlicher wird, was hier gemeint ist: Alle diese Organisationen usw. haben eins gemeinsam, sie gehören Juden, in der Leitung, als Großaktionär oder als den Mann hinter der Marionette.

Dass in dieser Riege der globalen zionistischen Macht der derzeitige griechische Ministerpräsident Papademos von Steiniger als Großbankier bezeichnet wird, kann nur ein müdes Lächeln hervorbringen, ist doch dieser ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank ein einfacher Wasserträger des Pyramiden-Hegemons, genau wie sein Vorgänger Geoffrey Papandreou.

Ja, die Situation in Griechenland ist nicht gut und ich würde die Hoffnung, die Steiniger zum Schluss auf die sich – unter Führung der lauten Kommunistischen Partei Griechenlands KKE und deren Schlägertrupp PAME – wehrenden Massen setzt, einen Dämpfer setzen. Eine Hoffnung auf Besserung in Griechenland – wie auch in Deutschland  – ist unter dem Einfluss der Manipulation der Massen durch die Massenmedien kaum möglich. Kaum möglich ist eine Besserung auch unter der Beibehaltung des Hegemon-Prinzips des Schuldenmachens und des Parlamentarismus mit seinen bunten (rechten, linken, grünen usw.) Parteien als Vollstrecker der Schuldeneintreiberei. Doch die Eigentumsfrage und die Bewusstseinserweiterung und wirkliche Emanzipation der Menschen wird leider selten thematisiert. Hier ist, auch beim „Rotfuchs“, dringender Handlungsbedarf.

Wer stranguliert die Griechen?

von Klaus Steiniger
Während meiner Tätigkeit als die portugiesische Revolution begleitender ND-Korrespondent mußte ich erleben, daß unser Lissabonner Quartier nicht nur von Wohlmeinenden angesteuert wurde. So instruierten wir die Kinder, in unserer Abwesenheit keine Unbekannten inzulassen. Doch als wir eines Tages nach Hause kamen, umringten sie in der „Sala“ freudig einen Fremden. „Das ist ein alter Krieger aus Athen“, verkündete die knapp sechsjährige Susanne. Thanassis Georgiu hatte sich auf die durch einen Türschlitz an ihn gerichtete Frage, wer er denn sei, als „alter Grieche aus Athen“ vorgestellt. Da er sich bereit erklärte, den Kindern ein Märchen zu erzählen, wurde ihm die Tür geöffnet.

Der seit über sechs Jahrzehnten in Berlin lebende heute 97jährige symbolisiert die besten Traditionen seiner hellenischen Heimat: Ein Veteran der Griechischen Demokratischen Armee, hatte Thanassis nach deren Niederlage Ende der 40er Jahre politisches Asyl in der DDR erhalten. Zunächst Journalist der Nachrichtenagentur ADN, ist er seit „einer Ewigkeit“ Berliner Korrespondent der Athener Tageszeitung „Rizospastis“ – des Organs der KKE. Die drei Buchstaben stehen für eine besonders gestählte Abteilung der internationalen kommunistischen Bewegung: die über beachtlichen Masseneinfluß verfügende und der Gewerkschaftszentrale PAME starke Impulse verleihende KP Griechenlands. Nach der Niederlage der Volksarmee im Grammos-Massiv nahm die DDR auch viele hundert Kinder von Genossen auf. Sie waren vor dem konterrevolutionären Terror in Sicherheit gebracht worden. Ich erinnere mich noch genau daran, mit welcher Wärme und Herzlichkeit wir sie in unsere Arme schlossen. Hellas – das war für uns zunächst der Widerstandsheld Manolis Glezos, der die Hakenkreuzfahne der Nazi-Okkupanten von der Akropolis heruntergerissen hatte. Zur Zeit des griechischen Monarcho-Faschismus erfuhren wir Schreckliches über Makronissos und andere KZ-Inseln in der Ägäis. Verzweifelt und erfolglos kämpften wir um das Leben des zum Tode verurteilten ZK-Mitglieds der KKE Nikos Belojannis. Damals waren die kommunistischen Parteien nur in vier Ländern Europas verboten: in Hellas, in Franco-Spanien, im Portugal Salazars und in der „freiheitlichdemokratischen“ BRD.

In jenen Jahren ging der Name eines einzigartigen Künstlers um die Welt: Mikis Theodorakis. Seine eingängigen Lieder wurden sofort zur Folklore, die Vertonung von Pablo Nerudas Großem Gesang war eine Kampfansage des Griechen an Chiles Pinochet-Faschisten. Als im April 1967 über Athen die sieben Jahre wütende Schreckensherrschaft der Schwarzen Obristen hereinbrach, begann eine neue Periode besonders grausamer Verfolgung aller Demokraten. Zu jenen aber, welche schon zuvor auf Makronissos Schwerstes hatten erdulden müssen, gehörte KKE-Generalsekretär Harilaos Florakis. Als ich Mitte der 80er Jahre DDRVolkskammerpräsident Horst Sindermann nach Athen begleiten durfte, saß ich dem
legendären Arbeiterführer im Parlamentsgebäude gegenüber. Absolvent eines humanistischen Gymnasiums, wo Homers Ilias und Odyssee im Originaltext gelesen wurden, ließ ich die imposante Geschichte der Griechen vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ich dachte an Sokrates, Aristoteles, Plato, Aischylos und Heraklit, dessen berühmtes Wort „Alles fließt“ zum Grundstein der Dialektik wurde.

Hellas – das Land des zur Sonne strebenden Prometheus – ist heute Spielball finsterer Mächte des Kapitals, reaktionärer Politiker und profaner Politikaster. Beim Inszenieren der modernen griechischen Tragödie sind selbst die Merkels und Sarkozys nicht mehr als Regieassistenten, während der den Euro „beschirmende“ Finanzmagnat Jean-Claude Juncker aus dem territorial zwergenhaften Luxemburg in diesem Orchester den Taktstock schwingt. Eine willige Athener
Kollaboranten-Truppe unter dem Großbankier Papadimos soll den Hellenen, die unter Brüssels „Rettungsschirm“ im Regen stehen, jetzt die Würgeschlinge noch fester um den Hals ziehen. Wie der antike Brandstifter Herostratos einst den Diana-Tempel auf der Akropolis
ansteckte, um wenigstens so in die Geschichte einzugehen, bereiten sich auch Brüssels Bankrotteure auf neue Herostratentaten vor. Sie erwägen ungeniert, in das Boot der Euro-one hineingezerrte schwächere Nationalstaaten im Falle weiteren „Versagens“ wieder über Bord zu werfen.

Das Elend Athens ist zugleich ein Offenbarungseid der EU. Denn nicht den Griechen angedichtetes eigenes Unvermögen, sondern das ihnen übergestülpte Euro- und Europa-Projekt der tonangebenden imperialistischen Mächte hat die Nachfahren der größten Kulturnation der Antike in derartige Bedrängnis gebracht. Ohne Brüssel gäbe es heute in und um Hellas kein solches Gezeter. Manolis Glezos und Mikis Theodorakis haben das in ihrem dringlichen Appell an die Völker der Welt unterstrichen. Doch die Augen jener, welche Griechenland auf ihre Speisekarte gesetzt haben, sind größer als deren Mägen. So wird aus
Triumphgebrüll am Ende Katzenjammer. Immerhin: Die Banken haben ihr Schäfchen ins trockene gebracht.

Man sollte indes nicht verkennen, daß mit der Verschärfung der innenpolitischen Konfrontation zwischen sich wehrenden Massen und staatlichen Repressionsorganen ein neuer Rückgriff auch auf „Schwarze Obristen“ nicht ausgeschlossen werden kann. Während andere sich darauf kaprizieren, weitere „Tranchen“ ihrer „Rettungspakete“ lockerzumachen oder festzuzurren, setzen wir auf die Kraft der griechischen Werktätigen: Ihre Generalstreiks haben gezeigt, daß der kämpferische Geist unseres „alten Kriegers aus Athen“ in dessen Heimat nicht erloschen ist.

URL: http://www.rotfuchs.net/Zeitung/Aktuell/RF-167-12-11.pdf

Dr. Emmanuel Sarides  5. Dezember 2011
Rubrik: Griechenland, Türkei

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