Wie EU-reif sind Albanien und Mazedonien?

David Ehl
In Albanien stehen die Europa-Ampeln auf Grün Foto: DW/Ani Ruck

Die EU-Staaten wollen in einem Jahr Beitrittsverhandlungen mit den beiden Westbalkanstaaten eröffnen. Bis sie tatsächlich beitreten können, haben sie in einigen Bereichen noch viel zu tun.

Ein bisschen Geopolitik ist mit im Spiel, wenn die Europäische Union die Westbalkanländer näher an sich heranlässt – schließlich wäre es nicht im Interesse Brüssels, wenn sie sich in Richtung Russland, Türkei oder China orientieren würden. Mit Montenegro und Serbien laufen bereits Beitrittsverhandlungen, nun sollen Mazedonien und Albanien folgen. Die EU-Staaten haben den beiden in Aussicht gestellt, in einem Jahr mit den Beitrittsverhandlungen zu beginnen, wenn sie bis dahin weitere Reformen umsetzen.

Für Mazedonien eröffnet sich nach längerer Wartezeit nun die Gelegenheit, weil ein jahrelanger Namensstreit mit Griechenland bald beigelegt sein dürfte: Weil der Landesname auf Griechisch nicht von der griechischen Provinz Makedonien zu unterscheiden ist und beide Regionen die Herkunft von Alexander dem Großen für sich beanspruchen, hatte Athen den Beitritt in EU und NATO jahrelang blockiert. Erst kürzlich haben beide Regierungen den Kompromiss ausgehandelt, die „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ in „Nordmazedonien“ umzubenennen, um sich von der südlich angrenzenden griechischen Region abzuheben.

Doch bis zu einem EU-Beitritt haben beide Staaten noch einen weiten Weg und jahrelange Verhandlungen vor sich. Damit sie die Standards der Europäischen Union erfüllen, muss sich sowohl in Mazedonien als auch in Albanien noch einiges ändern.

Grundrechte und Minderheitenschutz

Mit dem mazedonischen Rechtsstaat ist man in Brüssel im Großen und Ganzen bereits zufrieden. Die EU-Kommission schreibt in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht jedoch auch, die volle Implementierung der Grundrechte benötige weitere Anstrengungen. So sei die Volksgruppe der Roma bislang nur unzureichend integriert, und überdurchschnittlich viele von ihnen lebten in Armut. Außerdem bemängelt die EU-Kommission die Situation in Gefängnissen und psychiatrischen Einrichtungen, auch Hassverbrechen und Hetze würden in Mazedonien nicht ausreichend verfolgt.

Mazedonische Roma protestieren gegen Diskriminierung (Petr Stojanovski) Diese Roma in der mazedonischen Hauptstadt Skopje machen von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch

Albanien hat laut Fortschrittsbericht zwar schon wichtige Fortschritte beim Minderheitenschutz erzielt, sei aber noch längst nicht am Ziel. Auch hier, heißt es, müssten die Lebensbedingungen der Roma und Balkan-Ägypter im Land verbessert werden. Die Bundesregierung erhofft sich von den Beitrittsverhandlungen, in denen Grundrechte und innere Angelegenheiten als eigenes Kapitel behandelt werden, diesbezügliche Verbesserungen in beiden Ländern.

Die Pressefreiheit weist laut Reporter ohne Grenzen in beiden Ländern „erkennbare Probleme“ auf. Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit belegt Albanien Rang 75, Mazedonien Rang 109 von 180.

Korruption

Albanien hat seine Strafprozessordnung angepasst und baut gerade spezialisierte Abteilungen wie Sonderermittler für Korruption auf. Trotzdem belegt es auf dem Korruptions-Index von Transparency International nur den 91. Platz. Nur selten fallen rechtskräftige Urteile gegen korrupte hochrangige Staatsdiener, und so bleibe Korruption weit verbreitet, so die EU-Kommission.

Noch etwas schlechter, auf Rang 107 des Index, steht Mazedonien da. Hier beschreibt die EU-Kommission „strukturelle und operative Defizite in der Fähigkeit der Institutionen, Korruption effektiv zu bekämpfen“. Die gesetzlichen Voraussetzungen hingegen habe Mazedonien geschaffen, und auch Prävention und Verfolgung seien bereits angelaufen.

Organisierte Kriminalität

Bei beiden Ländern erkennt die EU-Kommission positive Entwicklungen an, stellt aber zugleich Geldwäsche und Finanzkriminalität als Problem heraus, an dem die jeweilige Regierung arbeiten müsse. In Mazedonien ist die Gesetzesbasis weitgehend mit europäischen Standards konform, hier muss vor allem die Koordination zwischen verschiedenen Stellen und die Effektivität der Arbeit verbessert werden. Außerdem muss ein höherer Teil der Verbrecher verurteilt werden.

In Albanien werden Banden nur selten zerschlagen und verurteilt – jedoch hat das Land in den Augen der EU-Kommission Fortschritte gegen Cannabis-Züchter gemacht. Die Zusammenarbeit der Polizei auf internationaler Ebene sieht die EU als Erfolg, im Inland hingegen müsse die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden.

Bildkombo Flagge EU Albanien Mazedonien (Imago) Die Flaggen der EU, Albaniens und Mazedoniens (v. l.)

Verwaltung und Justiz

Die öffentliche Verwaltung bleibt aus europäischer Sicht in beiden Ländern eine Baustelle, macht jedoch Fortschritte: In Mazedonien wurden zuletzt Transparenz und Rechenschaftspflichten ausgebaut, außerdem werde die Zivilgesellschaft verstärkt in politische Prozesse eingebunden. Nach wie vor verlasse sich der mazedonische Staat zu sehr auf Wertetreue und Integrität seiner Beamten, statt wirkungsvolle Kontrollmechanismen einzuführen.

Auch die Justiz nähert sich in beiden Ländern langsam den Anforderungen aus Brüssel: Albanien überprüft alle Richter und Staatsanwälte und vermeldet dabei erste Resultate: Korrupte Richter wurden entlassen oder traten zurück. Dabei hilft eine unabhängige Prüfstelle, die international beobachtet wird. Mazedonien hat einen Abwärtstrend in der Justiz durchbrochen und hat entschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen.

Wirtschaft und EU-Recht

Wenn beide Länder eines Tages Mitglied in der EU werden sollen, muss ihre Wirtschaft auf dem Binnenmarkt bestehen und ihr Rechtssystem mit europäischen Gesetzen vollständig kompatibel sein. Bei der Gesetzgebung ist Mazedonien bereits etwas weiter, während Albanien insgesamt Nachholbedarf hat und zum Beispiel die Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen stärken muss.

Wirtschaftlich fehlt Mazedonien aus Sicht der EU ein langfristiges Steuerkonzept, außerdem müsse das Umfeld für Unternehmen verbessert werden. Verträge würden häufig nicht eingehalten, auch darum müsse die Regierung sich stärker kümmern.

Albanien hat jüngst seine Schuldenlage verbessert und das Haushaltsdefizit reduziert. Fortschritte sieht die EU auch im Bereich Energie, Transport-Infrastuktur und Digitalisierung, trotzdem ist Albanien bislang nur eingeschränkt wettbewerbsfähig.

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Quelle: https://www.dw.com/de/wie-eu-reif-sind-albanien-und-mazedonien/a-44424427

David Ehl  15. Juli 2018
Rubrik: Balkan/Osteuropa/Kaukasus

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