Ist die besetzte Seifenfabrik in Thessaloniki „eines der aufregendsten sozialen Experimente Europas“ (ARTE) oder ein Ergebnis der ideologischen Irrungen und Wirrungen, die seit dem 2. Weltkrieg in Griechenland herrschen und das Land zum Bankrott führten? Schaun mer mal
Am 16.01.2018, um 19:20 Uhr, habe ich mir bei ARTE Re: die Sendung „Klassenkampf mit Bioseife – Eine griechische Fabrik in Arbeiterhand“ angeschaut. Es ging um die Fabrik Philkeram-Johnson im nordgriechischen Thessaloniki, einer der bedeutendsten griechischen Produzenten für Baustoffe und Keramikfliesen, die auf dem Höhepunkt der Finanzkrise bankrott gegangen war. Seitdem wird die Fabrik von einer Handvoll Aktivisten besetzt gehalten, um eine Liquidation zu verhindern.
Philkeram-Johnson wurde von den Besetzern zu Vio.Me (Βιομηχανική-Μεταλλευτική, Industriell-Metallwaren…??!!) umbenannt und produziert jetzt Seifen und Spülmittel. Und diese Seifenfabrik, die inzwischen Mangels Wartung zu einer industriellen Ruine verkommen ist, bezeichnet ARTE als „eines der aufregendsten sozialen Experimente Europas. Die Belegschaft hat ihren Arbeitsplatz vor drei Jahren besetzt. Seitdem sind die Arbeiter ihre eigenen Chefs und verstehen sich als Beispiel für eine Wirtschaftsordnung jenseits des Kapitalismus.“ Und weiter: „Unter ihnen gibt es keine Hierarchie, jeder bekommt den gleichen Lohn und alle Entscheidungen werden im Kollektiv getroffen. Doch die Gläubiger von Philkeram-Johnson drängen auf eine Zwangsversteigerung der Fabrik, wodurch die Arbeiter alles verlieren würden. Kann das soziale Experiment bestehen?“
Nein, sage ich, die Besetzung dieser Fabrik ist nicht „eines der aufregendsten sozialen Experimente Europas“, sondern das Hirngespinst einiger so genannter Aktivisten, von denen es in Griechenland Dank Soros- und EU-Unterstützung nur so wimmelt. Der zionistische Sender ARTE findet es natürlich, wie könnte es auch anders sein, als sehr romantisch und revolutionär, womit er wieder mal sein Herz für „Arbeiterkämpfe“ und „sozialrevolutionäre Idealisten und Utopisten„ zur Schau trägt, getreu seinem Konzept, den angebotenen Brei aus nackter bis brutaler Realität, etwas Sozialromantik, viel Herz und noch mehr Schmerz als Sand in die Augen seiner eher gebildeten Klienteldie zu streuen, damit sie die Realität nicht sehen. Die besonders hier sehr tragisch ist.
Ich, als gebürtiger Grieche, war entsetzt von dem, was ich da gesehen habe. Eine Handvoll „Arbeiter, Familienväter und Aktivisten“ hatten mit Hilfe von „Kollegen“ aus Politik (SYRIZA, KPG usw.) vor drei Jahren die Fabrik, die in der Vergangenheit Baustoffe und Keramikfliesen in 30 Ländern exportiert hatte, durch Streiks, Einschüchterung der Eigentümer und schleppende Arbeit in die Pleite geführt und sie dann besetzt und betrachten sie jetzt als ihr Eigentum. Wie die Eigentümerin, Christina Philippou sagte, es kamen fünf Männer in mein Büro und forderten mich auf, die Fabrik sofort zu verlassen. Sie gehöre nicht mehr mir, sondern den Arbeitern. Und wenn ich nicht gleich gehe und nicht eine Frau wäre, würden sie mich verprügeln.
Die Fabrik ist seitdem besetzt, die Besetzer produzieren eine Bioseife, die sie dann per Internet oder auf Märkten verkaufen, in die Stadt Katerini zum Beispiel, wo sie sich mit vielen Aktivisten trafen, die Aktionen gegen Zwischenhändler organisieren, die den Verkaufspreis der landwirtschaftlichen Produkte verteuern. Das Ganze sah wie eine Kulisse, eine Inszenierung aus und weniger als ein üblicher Wochenmarkt, einige Bauern waren aus den benachbarten Dörfern und boten in ihren Autos Kartoffeln und Zwiebeln an. Ob dieses Theater auch in den Städten machbar ist, bleibt allerdings das Geheimnis der Fabrik-Besetzer und den sie begleitenden Aktivisten und Solidarność-Kollegen, denn die Konsumenten sind eher dem Preisdiktat der Supermarkt-Ketten ausgeliefert als dem der Zwischenhändler. Wovon die hinter den Akltivisten und ARTE-Dokumentaristen stehenden Mächte mit diesem Beitrag offensichtlich ablenken wollten.
Es wurde auch der Arbeitstag der Fabrik-Besetzer gezeigt, der mit langen Diskussionen beginnt, die manchmal so lange dauern, bis eine Entscheidung gefallen ist, wie ein Gay-Arbeiter sagte (siehe Screenshot links). Interessant auch der Diskussionsraum, dessen Wände voll mit revolutionären Plakaten beklebt waren. Ach ja, auch im Büro vom Elias Tsolakidis, SYRIZA-Politiker in Thessaloniki, den ARTE interviewt hatte, klebte an der Wand das Konterfei von Rosa Luxemburg. Auf die Frage, wie es mit der Insolvenz weitergehen soll, wenn die Besetzer den Zutritt des Insolvenzverwalters in die Fabrik behindern, sagte er, dass die Liquidation erst dann erfolgen kann, wenn die „Arbeiter“ dem zustimmen. Drei Mal bisher konnte die Fabrik nicht liquidiert werden, allerdings mangels Interessenten.
Und inzwischen machen die Besetzer ihre Arbeit weiter, sie diskutieren lange, planen und organisieren Aktionen gegen die Liquidierung der Fabrik, produzieren etwas Seife und einmal in der Woche ttreffen sie sich in der Taverna bei Ouzo und Essen. Löhne, Stromverbrauch, sonstige Kosten? Na ja, da hat die Regierung Tsipras doch ein Herz für Besetzer und hilft so gut sie kann, es gibt bestimmt auch andere Philanthropen, Soros zum Beispiel, die immer ein Herz für Sozialrevolutionäre haben, denn die Besetzer sind auch organisierte Aktivisten, die, wie wir gesehen haben, gegen die Zwischenhändler agitieren.
Ich habe die Deindustrialisierung Griechenlands in meiner Seite www.berlin-athen.eu mehrmals protokoliert. Schon in den 50er Jahren organisierten die Linken, damals unter Führung der Lambrakis-Jugend des Komponisten Mikis Theodorakis, der illegalen KPGr, der Gewerkschaften und diverser Aktivisten aus dem Ausland fast täglich Demonstrationen und Fabrikbesetzungen, die monate dauerten und die Fabrikeigentümer zur Aufgabe zwangen, die wegen ihrer dünnen Kapitaldecke, der hohen Zinsen und einer verbrecherischen Industrie-Politik den Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten konnten. So sind gut gehende Fabriken wie die Hersteller von Elektroherden und Kühlschränken wie PITSOS und IZOLA in die Insolvenz getrieben und wurden sofort auf die lauernden Haie aus Deutschland, hier von AEG, aufgekauft, die anstatt den Betrieb weiter zu führen, die Werke schlossen und die Arbeiter entließen.
Und diese Praxis wurde mit einem Intermezzo zwischen 1967-1974 (Militärjunta, verstärkte Industrialisierung!) weiter praktiziert, bis kein industrieller Stein auf dem Anderem übrif blieb, eine der letzten kaputtgestreikten Firmen ist offensichtlich die von ARTE so gelobte Fabrik Philkeram-Johnson bzw. deren groteske Form Vio.Me. Vor allem während der Regierung von Andreas Papandreou (Ministerpräsident von 1981 bis 1989 und von 1993 bis 1996) öffneten sich die Schleusen und Griechenland wurde überschwemmt von importierten Ideologien über Sozialismus, Kommunismus, Utopie und Anarchie, welche die Gehirne vor allem der Studenten und jungen Leute dermaßen vergifteten, dass eine wirtschaftliche Produktion in Griechenland unter den heute herrschenden Bedingungen als absolut unmöglich betrachtet werden kann.
Wie es scheint, wurde Griechenland dazu verurteil, als ein Erholungsort für die Bürger Mittel- und Westeuropas als Erholungsort zu dienen, auch als ein Reservoir für gut qualifierte Wissenschaftler und Fachleute, die Entwicklung und Produktion in Westeuropa verstärken sollen. Und diejenigen, die in der Heimat verbleiben, sollen als tanzende Derwische unter Buzuk-Klängen, mit viel opa, opa! Gejauchze und noch mehr Ouzo die Belustigung der westeuropäischen Urlauber übernehmen.
Über die Besetzer-Seite siehe auch http://biom-metal.blogspot.de/2017/12/ana.html. Die Seite, auf Griechisch, wird offensichtlich in Deutschland produziert (de), merkwürdig wa?
Und hier zum ARTE-Video „Klassenkampf mit Bioseife – Eine griechische Fabrik in Arbeiterhand“ (31 Min., verfügbar von 16.01.2018 bis 15.02.2018)