Mit gefälschten Geburtsurkunden sollen Banden aus Osteuropa jährlich rund 100 Millionen Euro Kindergeld kassieren. Doch das Geld geht nicht an die Antragsteller.
Jedes Jahr zahlt der Staat Milliarden Euro an Familien. Eine Hilfsleistung ist das Kindergeld. Doch seit einiger Zeit sollen Banden aus Osteuropa dabei im großen Stil betrügen. Sie schicken Familien nach Deutschland und kassieren ab: für Kinder, die gar nicht existieren oder nicht hier leben. Das berichtet die „Welt am Sonntag“.
Der Schaden soll sich auf über 100 Millionen Euro belaufen – jährlich. „Wir beobachten diesen organisierten Kindergeldbetrug seit ein, zwei Jahren“, sagt Karsten Bunk, Leiter der für das Kindergeld zuständigen Familienkasse, gegenüber dem Blatt.
Geld landet bei den Hintermännern
Die Masche geht so: Die Betrügerbanden werben EU-Bürger in Südosteuropa an. Diese kommen nach Deutschland und erhalten Sozialleistungen. Durch gefälschte Geburtsurkunden oder Schulbescheinigungen erhalten sie zu viel Kindergeld. Der Betrag wandert dann nicht zum Antragsteller, sondern in die Taschen der Hintermänner.
Auch das Finanzamt kennt die Betrugsmasche – und will sie besser bekämpfen. Dafür soll es etwa einen besseren Datenabgleich geben, so die „Welt am Sonntag“ weiter. Die FDP hingegen fordert eine komplette Reform der staatlichen Transferleistungen.
„Deutschland gibt etwa 200 Milliarden Euro für über 150 familienpolitische Leistungen aus. Das durchblickt niemand mehr und erleichtert Missbrauch“, sagte Katja Suding, stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen, gegenüber der Zeitung. Eine Lösung sei die Bündelung der Hilfsleistungen in einem Bürgergeld, so die FDP-Politikerin weiter.
Bayern will Zahlungen ins Ausland kürzen
Unabhängig von dem massenhaften Betrug fordert Bayern Kürzungen beim Kindergeld für Bezieher mit Familien im Ausland. In diesen Fällen solle sich die staatliche Leistung an den dortigen Lebenshaltungskosten orientieren und gegebenenfalls geringer ausfallen. Das Landeskabinett stimmte am Donnerstag für eine Bundesratsinitiative, die eine sogenannte Indexregelung vorsieht. Das bedeutet, die Höhe des deutschen Kindergeldes wird je nach Wohnort mathematisch an die dortigen Lebenshaltungskosten angepasst.
In der vergangenen Wahlperiode hatte der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dazu bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die EU-Kommission lehnt eine solche Regelung aber bislang ab. Laut Sozialministerium hat auch die neue Regierung das Thema auf der Tagesordnung. 2017 wurden nach Regierungsangaben rund 343 Millionen Euro Kindergeld ins Ausland überwiesen. 2010 waren es noch rund 35 Millionen Euro.
Söder will sich an Österreich orientieren
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte am Rande der Kabinettssitzung, er gehe davon aus, dass die Forderung Diskussionen auslösen werde. Da Bayern aber mehr Fairness, Gerechtigkeit und Transparenz wolle, müsse die Diskussion geführt werden. In einigen Ländern wie etwa Rumänien werde das Kindergeld ganz bewusst zu einem zusätzlichen Einkommen umgewidmet. „Wir wollen das deutsche Recht ändern, dem Österreichischen anpassen“, erklärte Söder.
Aktuell erhalten Eltern für das erste und zweite Kind jeweils 194 Euro pro Monat, für das dritte Kind 200 Euro und ab dem vierten Kind je 225.