Ein Vortrag von Damianos Vassiliadis, gehalten am 28. November 2017 in der Stadtbibliothek Weimar
Im Allgemeinen gibt es in Deutschland wenige Informationen über die Pontos Griechen, wie die Griechen genannt werden, die über Jahrhunderte in der Türkei entlang der Schwarzmeerküste angesiedelt waren (Pontos ist der griechische Name für das Schwarze Meer). Wer sind sie eigentlich, wo lebten sie, was ist ihre Geschichte und was ist ihr besonderes Schicksal im Vergleich zu den anderen Griechen, wenn es denn ein besonderes Schicksal gibt?
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, ist es nötig, die ganze Geschichte dieses Bevölkerungsteils der Griechen aufzuzeigen, das natürlich mit dem Schicksal der anderen Griechen mehr oder weniger verbunden ist. Dabei zeigen sich im Laufe der Jahrhunderte selbstverständlich Gemeinsamkeiten, aber eben auch Besonderheiten. Zum einen wegen der Region am Schwarzen Meer, in der sie lebten, zum anderen wegen der politischen Ereignisse und Entwicklungen in dieser Region und insbesondere auch wegen ihrer besonderen sozialen und kulturellen Entwicklung als Volk an sich.
Deshalb wird dieser Vortrag die gesamte Geschichte der Pontos Griechen betrachten – von der Mythologie und der Antike über die byzantinische bis hin zur modernen Zeit –, um damit einen so vollständigen und genauen Überblick wie möglich zu bieten.
Damianos Vassiliadis mit seiner Tochter Martha bei einer Pilger-Reise im Kloster Panagia Sumela
Unter anderem wird erwähnt, ob und in welchem Masse die deutsche Politik das tragische Schicksal der Pontos Griechen beeinflusst hat und welche Nachwirkungen bis heute zu spüren sind. Auch die traumatischen Beziehungen Griechenlands und Deutschland in der jüngsten Geschichte, die auch die Pontos Griechen betreffen, bleiben nicht unerwähnt.
Schlußendlich geht der Vortrag auch auf den Völkermord der Jungtürken an den Pontos Griechen ein, bei dem auch das Deutsche Kaiserreich eine entscheidende Rolle spielte. Es wird selbstverständlich über die sogenannte „Kleinasiatische Katastrophe“ berichtet, den Bevölkerungsaustausch, als anderthalb Millionen Griechen aus ihrer Heimat entwurzelt und unter dramatischen Ereignissen vertrieben wurden. (Von Euch gelesen)
Pontos Griechen
Einführung
Die Pontos Griechen (auch Pontus Griechen aus dem Lateinischen) sind die Nachfahren jener Griechen, die im Altertum die historische Landschaft Pontos besiedelten. Sie lebten an der türkischen Schwarzmeerküste und ihr Lebensbereich erstreckte sich bis hin zu angrenzenden Teilen Georgiens und verbreitete sich im Zuge von Wanderungsbewegungen über die Kaukasusregion hinaus bis nach Russland.[1] Das dauerte bis der Bevölkerungsaustausch im Jahr 1923 zwischen Griechenland und der Türkei im Rahmen des Vertrags von Lausanne durchgeführt wurde. Diejenigen Pontos Griechen, die unter staatlichem oder kulturellem Druck muslimisch wurden, leben bis heute noch dort, sind türkische Staatsbürger und haben türkische Namen angenommen.
Der aus der griechischen Mythologie überlieferte Flug von Elli und Phrixos auf dem Goldenen Vlies, die Argonauten Sage über die Reise Iasons und der 50 Helden nach Kolchis, die Reise des Herakles auf dem Schwarzen Meer, sein Kampf gegen die Amazonen an dem pontischen Thermodos -Fluss, die in der Odyssee beschriebenen Abenteuer des Odysseus im Lande der Kimmerier, die Bestrafung des Prometheus durch Zeus am Kaukasus, der Besuch des Gottes Apollo am Schwarzen Meer und andere griechische Mythen mit Bezug auf diese Region belegen vor allem die Existenz antiker Handelsrouten.
Die griechische Präsenz am Schwarzen Meer geht zurück bis in die Zeit der Antike. Die Forschung belegt die ersten Aktivitäten freier Händler und Abenteurer in der Zeit um 1000 v. Chr. und noch früher. Diese waren dort hauptsächlich auf der Suche nach Gold und Erzen.
Charakteristisch für die pontischen Griechen ist das pontische Griechisch, das viele von uns heute noch sprechen. Es ist ein aus dem Altgriechischen hervorgegangenen griechischen Dialekt, der sich in anderer Art und Weise als das Standardgriechische Dimotiki entwickelt hat und sich folglich merklich davon unterscheidet. Er wird auch von den in der Türkei gebliebenen muslimischen Griechen gesprochen, die Bei dem Bevölkerungsaustausch nicht berücksichtigt waren. Sowohl der pontische Dialekt, als auch die Gesänge, die Tänze und die traditionellen Sitten und Gebräuche werden stark von den zahlreichen pontischen Vereinen im In – und Ausland gepflegt.
Pontosgriechen haben außerdem eine eigene Volkskultur mit Gesängen und Tänzen entwickelt. Das beliebteste Musikinstrument der Pontosgriechen ist die (pontische) Lyra – eine gestrichene Kastenhalslaute, die sich durch ihren langen geraden Korpus von der birnenförmigen (kretischen) Lyra unterscheidet. Die Sackpfeife Tulum wird ebenfalls solo gespielt oder gelegentlich von der Zylindertrommel Davul begleitet. Typischerweise wird die Melodie auf der Lyra in parallelen Quarten gespielt, indem zwei Saiten gleichzeitig gegriffen werden. In der Tanzmusik sind schnelle asymmetrische Rhythmen häufig (3 + 2 oder 3 + 4 Takteinheiten).
Viele Pontosgriechen versuchen bis heute sowohl in Griechenland als auch in anderen Ländern (Deutschland, USA, Australien) ihre kulturelle Identität zu wahren.
I. Geschichte
Im 8. Jahrhundert v. Chr. Begann eine Expansion der Griechen nach allen Richtungen im Mittelmeerraum und am Schwarzen Meer. In dieser Zeit begannen sich griechische Handelszentren an der pontischen Küste zu permanenten Siedlungen zu entwickeln. Die Stadt Milet, selbst eine Kolonie aus dem Jahre 1.000 v.Chr. gründete mit Sinope die erste griechische Kolonie am Schwarzen Meer. Auf Grund ihres Hafens und des guten Zugangs zum Hinterland entwickelte Sinope sich rasch zu einem bedeutenden Handelszentrum. In der Folge wurden entlang der pontischen Südküste nach ähnlichem Muster zahlreiche Städte gegründet, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu bevölkerungsreichen Zentren für Seehandel und Kultur entwickelten. So brachte der Pontos Persönlichkeiten wie der Philosoph Herakleides Pontikos, Diogenes von Sinope, der Geograph Stravon hervor. Zu den bedeutenden pontischen Griechen des Mittelalters, unter anderen, zählt der Humanist und spätere Kardinal Bessarion, dessen reiche Bibliothek heute sich am Markusplatz in Venedig befindet.
Archäologische Funde und zahlreiche schriftliche Quellen der Antike und Postantike dokumentieren die wirtschaftliche und kulturelle Aktivität der pontischen Städte, ihr Verhältnis zu den Mutterstädten (Metropolen) und ihre Beziehungen untereinander, wie auch zu den einheimischen Völkern.
Die politische, kulturelle und wirtschaftliche Dominanz der griechischen Städte am Pontos wird vor allem durch die Betrachtung der weiteren Entwicklung der indigenen Völker der Region offenbar, die im Laufe der Jahrhunderte zu großen Teilen griechische Kultur und griechisches Denken annahmen. In seiner Anabasis beschreibt Xenophon seine Erlebnisse im „Zug der Zehntausend“ – den Strapazen- und verlustreichen Rückzug griechischer Söldner nach der Schlacht bei Kunaxa – durch das ganze Perserreich hindurch bis zum Erreichen der griechischen Städte des Schwarzen Meeres, wie Trapezunt, Synope, Herakleia Pontike. Xenophon liefert hierin ausführliche Berichte im Jahre 400 v.Ch. über Land und Leute, Sitten und Gebräuche.
In der Zeit Alexanders des Großen und seiner Nachfolger war die wirtschaftliche Macht der griechischen Städte auf ihrem Höhepunkt. Die Auswirkung der hellenistischen Kultur auf die eingeborenen Völker war enorm und hatte sie grundlegend in ihrer sozialen und kulturellen Entwicklung beeinflusst. Im 1. Jahrhundert v. Chr. erhob der pontische König Mithridates Eupator mit Hauptstadt die pontische Stadt Amissos die griechische Sprache zur offiziellen Amtssprache seines Reiches und somit zur offiziellen allgemeinen Verkehrssprache der zahlreichen – und dadurch vielsprachigen – indigenen Völker Kleinasiens, was deren Hellenisierung spätestens jetzt nach sich zog.
Die Apostel Andreas und Petrus brachten das Christentum bereits sehr früh in die Region des Pontos. Die ganze Gegend wurde in kurzer Zeit christianisiert. Dabei war der Status des Griechischen als allgemeine Verkehrssprache der Region bei der Christianisierung vor allem auch der hellenisierten indigenen Gemeinschaften eine willkommene Hilfestellung – sowohl anfangs für die Apostel als auch später für die Kirchenväter. Auf der anderen Seite führte die Christianisierung der hellenisierten indigenen Bevölkerung zur endgültigen Annahme der griechischen Identität und Kultur. So verschmolzen sie mit den Griechen zu einer einheitlichen Kultur, die auf der gemeinsamen Basis des Christentums und der griechischen Kultur, Geschichte und Sprache gründete.
II. Mittelalter
Die Eroberung Konstantinopels durch die Franken, wie die römisch-katholischen Westeuropäer in Erinnerung an das Fränkische Reich im Osten genannt wurden, im Vierten Kreuzzug führte im Jahre 1204 zur Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches, das sich feudal in kleine fränkische Staaten zergliederte. In den Gebieten des Byzantinischen Reiches, die die Eroberer nicht besetzen konnten, entstanden aber auch kleinere griechische Staaten, deren Herrscher alsbald den Kaisertitel für sich beanspruchten. So kam es, dass Alexios Komnenos aus der Dynastie der Komnenen gemeinsam mit seinem Bruder David (beide waren vor der Eroberung der Hauptstadt geflohen) das Kaiserreich Trapezunt gründete. Dadurch wurde das bis dahin eher unbedeutende Trapezunt (das heutige Trabzon) Hauptstadt eines Staates, der durch geschickte Diplomatie und durch Anlehnung an regionale Mächte, wie christliche Georgien und Armenien seine Unabhängigkeit bis zum Ausgang des Mittelalters behaupten konnte und durch Fernhandelsverbindungen, wie die bekannte Seidenstraße zu Reichtum gelangte.
Eine Flagge der Pontosgriechen, mit dem Pontischen Adler, ein Symbol das sich bereits auf antiken Münzen des Königreichs Pontos aus Sinope findet, wurde später von der Dynastie Komnenos als Herrscher des Kaiserreichs Trapezunt verwendet.[10]
- Die Zeit des Osmanischen Reiches
Die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 und der Fall von Trapezunt acht Jahre später (1461) bildete für die pontischen Griechen eine Zäsur in ihrer Geschichte. Viele – insbesondere wohlhabende Einwohner der reichen Küstenstädte und der Dörfer – flohen in die umliegenden Gebirgsregionen des Pontus, in dem Versuch, fernab der Aufmerksamkeit der neuen Herrscher in neu gegründeten und freien griechischen Dörfern und Städten zu leben. Ein großer Teil wanderte in das Russische Reich[1] bzw. in dessen südliche Küstengebiete nach Georgien, Armenien Kaukasus aus, wo sie neue griechische Gemeinden gründeten. So entstanden kulturelle Zentren, die auch in den Folgejahrzehnten vom nunmehr osmanischen Pontus geflohene Griechen aufnahmen. Im Jahr 1878 flohen von Pontosgebiet, von allem von der Region der Stadt Argyroupolis, das heutige Gümüshane, um die 75 Tausend Pontosgriechen zu der Region Kars, die unter russischen Besetzung war, um sich von den vielen Schikanen und Verfolgungen der Türken zu befreien. Dazu gehörten auch meine Vorfahren, von denen ich anschließend kurz sprechen werde.
IV. Neuzeit
In seinem 1845 herausgegebenen Werk Fragmente aus dem Orient erwähnt Jakob Philipp Fallmerayer christliche Pontosgriechen, denen er auf seinen Reisen im Osmanischen Reich begegnet war. Sie seien griechischsprachig und dienten der Schutzpatronin ihres Tales, der Panagia Sumela. Fallmerayer bezeichnet sie als „byzantinische Griechen“ und ihr Griechisch als „Matschuka-Griechisch“ (nach dem Ort Maçka, griech. Ματσούκα). Nach dem Aufstand der Griechen im Jahr 1821 gegen das Osmanische Reich aber insbesondere nach Anerkennung der Unabhängigkeit von Griechenland nach der Londoner Konferenz von 1832, hatte sich die Stimmung gegenüber der griechischen Bevölkerung im Osmanischen Reich weitgehend verschlechtert. Nationalistische Gedanken fanden immer mehr Anhänger auch unter der türkischen Bevölkerung im Vielvölkerstaat der Osmanen. Ein Miteinander wurde mit der Zeit und dem Zerfall des Reiches immer schwieriger.
- Auswirkungen des Bevölkerungsaustausches auf die Bevölkerung Griechenlands
Die Ansiedlung der pontischen Flüchtlinge in Griechenland war mit enormen Problemen verbunden. Das Land, das bis dahin eine Bevölkerung von nur etwa 5,5 Millionen hatte, sah sich nun einem Flüchtlingsstrom von insgesamt etwa 1,5 Millionen Menschen gegenübergestellt. Das bedeutete einen abrupten Zuwachs von über 25 % der bisherigen Bevölkerung. Die Flüchtlinge wurden nach ihrer Ankunft zunächst in Lagern untergebracht, meist in Randgebieten von Städten vor allem der beiden großen Städte Athen und Thessaloniki, deren beider damalige Bevölkerungszahl von unter 200.000 Einwohnern sich nun in kürzester Zeit verdoppelte. Die hygienischen Missstände in den Flüchtlingslagern und der erste Wintereinbruch sorgten dafür, dass sich Epidemien wie Pocken und Typhus und Malaria sehr schnell verbreiteten. Die Gründung von Quarantänestationen auf der Insel Makronissos und in Thessaloniki waren nötig. Auf dem Land wurden die Pontosgriechen hauptsächlich auf ehemals türkischem Besitz in der nun griechischen Provinz Makedonien angesiedelt. Da allerdings die Zahl der aus Griechenland vertriebenen Türken kaum 500.000 überstieg, war das frei gewordene Ackerland absolut unzureichend für den Millionenstrom griechischer Flüchtlinge, was den Neusiedlern die Gründung einer neuen Existenzgrundlage sehr erschwerte. Die Verhältnisse der Griechen war mehr als dramatisch. Dabei starben viele Flüchtlinge. Darüber berichtet auch mein Vater, der als Flüchtling alles miterlebte.
Noch dazu wurden die pontischen Flüchtlinge insbesondere von der mehrheitlich ungebildeten Landbevölkerung als unwillkommene Türken empfunden, an die der Staat eigentlich ihnen selbst zustehendes Ackerland vergab.
Viele der Flüchtlinge brachten ihren beruflichen Qualifikationen mit, wie beispielsweise in der Textil– und Tabakverarbeitung. Für die griechische Wirtschaft wurden sie zu einer quasi unerschöpflichen Quelle preiswerter Arbeitskraft und als solche auch ausgiebig genutzt. Wie die anderen Flüchtlinge aus dem Osten trugen auch die Pontier somit ihren Teil zur Industrialisierung des Landes bei.
VI. Der Völkermord und die Rolle der deutschen Militärmission im Osmanischen Reich
Als Folge des Aufstiegs der Jungtürken im 20. Jahrhundert wurden viele der ursprünglich mehr als 700.000 Pontier Opfer von Deportationen und Massaker.
Seit den 1980er-Jahren nimmt die Diskussion zu, ob es sich dabei auch um einen Völkermord handelte. Aus diesem Grunde ist es nötig zu klären, was man unter Völkermord oder Genozid gemeint ist.
Genozid ist die methodische Vernichtung, partiell oder ganzheitlich, einer nationalen, ethnischen oder religiösen Gruppe. Es ist ein Verbrechen, dessen Ziel ist es, eine ganze Rasse, oder einen Teil dieser, mit überwiegend gewalttätigen Mitteln, systematisch zu vernichten. Dieses Verbrechen steht in keinem Zusammenhang mit einem Krieg, den es geht in diesem Falle um die Zivilbevölkerung.
Es gibt bisher nur eine rechtsverbindliche Definition, und das ist die der Vereinten Nationen, die am 9. Dezember 1948 eine „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ verabschiedeten. Artikel 2 dieser UN-Konvention zählt fünf Straftatbestände auf, die jeder für sich allein genommen bereits Völkermord darstellen. Im Wortlaut der Konvention heißt es:
„Artikel II: In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.“
Anfang Juni 1915 erklärte der osmanische Innenminister Mehmet Talaat gegenüber der deutschen Botschaft zu Konstantinopel, dass seine Regierung «den Weltkrieg dazu benutzen wolle, um mit ihren inneren Feinden – den einheimischen Christen aller Konfessionen – gründlich aufzuräumen, ohne durch diplomatische Interventionen des Auslands gestört zu werden.» Diesen Beispielen lassen sich andere hinzufügen.
Die Befürworter der These beziffern die Zahl der Opfer mit 353.000 Pontosgriechen.
Der im Vertrag geregelte Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei bedeutete für die pontischen Griechen nun auch de jure die Vertreibung aus der Heimat. Rund 300.000 christliche Pontier wurden nach Griechenland umgesiedelt; nur einige wenige Tausende muslimische Pontosgriechen durften verbleiben. Insgesamt mussten auf beiden Seiten völkerrechtlich sanktioniert fast zwei Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, davon etwa 1,25 Millionen Griechen und 356.000 Türken.[8]
Auf Basis dieser Definition gelten die systematische Vertreibung und der Mord der Griechen aus Pontos als Genozid.
Der Genozid der Griechen aus Pontos kann in drei Phasen aufgeteilt werden:
- Die erste Phase startet 1908 und hält bis zum Beginn des 1. Weltkriegs an. Während dieser Periode werden durch den Aufstieg der Jungtürken, die balkanischen Kriege und den politischen, militärischen und ökonomischen Eintritt Deutschlands in den osmanischen Staat die Rahmenbedingungen für den Beginn der Christenverfolgung geschaffen.
- Die zweite Phase beginnt 1915, als die Konflikte des 1. Weltkriegs dazu beitragen, die Politik des Genozids zu verbreiten. 1918 hat der österreichische Konsul in Trabzon die ausgegrenzten Griechen aus Pontos auf 80.000-100.000 geschätzt. Demgegenüber stehen griechische Zeugenaussagen, die von 233.000 Toten und von 85.000 nach Russland vertriebenen Griechen sprechen.
- Der Zeitraum 1919-1924 bildet die dritte, letzte und intensivste Phase des Genozids. Während dieser Periode festigt Mustafa Kemal seine Position im Kern des othomanischen Staates. Ein Ereignis, welches mit der Gründung der UDSSR und deren Hilfe in Richtung der ethnischen kemalischen Bewegung zusammenfällt. Kurz gesagt: Die Entscheidung für den Massenmord der Pontons-Griechen wurde von den Jungtürken 1911 getroffen. Sie ist während des 1. Weltkriegs umgesetzt und von Mustafa Kemal vollendet worden (1919-1923).
Wie das Zitat aus der UN-Völkermordkonvention belegt, geht es bei der Feststellung von Genozid wesentlich um den Nachweis der Vorsätzlichkeit dieses Verbrechens. Genau dies bestreitet allerdings die offizielle Türkei bis heute auf das Hartnäckigste.
- Die Rolle der deutschen Militärmission
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Rolle der deutschen Militärmission zu klären. Liman von Sanders, der Leiter der deutschen Militärmission in der Türkei, hat die strategische Grundlage für den bedeutungsvollen Sieg über die Entente in der Schlacht um den Zugang zu den Dardanellen gelegt, die so genannte Schlacht um Kallipoli.
Ein, durch und durch negatives Bild Liman von Sanders‘ vermittelte die griechische Schriftstellerin Dido Sotiriou in ihrem Roman Grüß mir die Erde, die uns beide geboren hat (griechischer Originaltitel: Blutige Erde). Sie erlebte die Massaker als kleines Kind. Das Buch beruht angeblich auf den Aufzeichnungen eines griechischen Kleinbauern, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts und während des Ersten Weltkriegs in Kleinasien lebte. Um einen Eindruck der Griechen über Liman von Sanders sowie die Rolle Deutschlands im Osmanischen Reich zu bekommen, berichtet der Ich-Erzähler des Buchs:
«Herr in Kleinasien war jetzt [Anm.: nach dem Kriegseintritt der Türkei 1914] nicht nur der Türke; es war auch der Deutsche. Der Deutsche war der Kopf und der Türke die Hand. Der eine machte den Plan und der andere führte ihn aus. In Smyrna trieb ein Deutscher als Pascha sein Unwesen, dürr und herzlos, in preußischer Uniform und mit dem Gehabe eines Eroberers, Liman von Sanders nannten sie ihn. Der Metropolit von Smyrna, Chrysostomos, riet: „Ihr müsst euren Mund desinfizieren, wenn ihr seinen Namen nennt. Er kannte kein Mitleid und kein Erbarmen, dieser böse Dämon von Kleinasien. Bei ihm gab es keinen Platz – wie bei dem Türken – für ein Gespräch, ein Gefühl oder Bakschisch. Man hatte ihn mit dem eiskalten Plan geschickt, uns zu vernichten, um uns das goldene Vlies zu rauben.“ Tatsächlich war die Türkei jetzt eine deutsche Kolonie. […] Mit einem Wort, die Griechen, wie auch die Armenier, war ein ernst zu nehmendes Hindernis für die deutschen Interessen und man musste sie, wie auch immer, ausschalten. […] Aber das Auslöschen von uns geschah nicht mit einem unschuldigen Bleistiftstrich und mit dem Radiergummi, sondern mit zahllosen Verbrechen. Liman von Sanders und seine Helfershelfer begannen damit, und unsere Freunde und Beschützer von der „Entente“ vollendeten die Aktion».
Dazu noch eine Stellungnahme, von Michael Rodas, unter vielen, über die Rolle von Liman von Sanders und der kaiserlichen Militärmission in der Türkei. Michel Rodas war enger Mitarbeiter des griechischen Konsul in Smyrna gewesen und alle tragischen Ereignisse damals miterlebt. Seine Gedanken drücken die Meinung der Griechen über die Rolle Deutschlands aus. Zwei Passagen aus seinem Buch, mit dem Titel: Wie Deutschland den Hellenismus in der Türkei zerstörte“, sind in diesem Sinne charakteristisch:
Erste Passage: «Die Jungtürken und die Deutschen treffen sich in dem jungtürkischen Club in Konstantinopel in einer geheimen Sitzung, um die Einzelheiten der Verfolgung der Griechen zu untersuchen. An diesem Treffen beteiligten sich auch deutsche Offiziere und Vertreter von Liman von Sanders. Als sie gefragt wurden, wie sie über die griechische Bevölkerung an der kleinasiatischen Küste, in Binnenland und in Thrazien aus militärischer Sicht denken, antworteten kategorisch und ohne Umschweife, «dass die Türkei niemals Sicherheit hat und sich in der Zukunft auch niemals frei organisieren kann, wegen der Anwesenheit feindlicher Elemente, die von Außen mit revolutionären Ideen erfühlt sind». (Seite 49)
Zweite Passage: «Der Leiter der deutschen Militärmission Liman von Sanders in der Türkei sagt zu den Türken in Anwesenheit eines griechischen Bischoffs: «Warum Schützen Sie diese Leute?». Er meinte die Griechen. Indem er auf die griechischen Kirchen und Schulen zeigte, sagte er zu den Türken dazu: «Solange Sie sie frei lassen, Sie sind Sklaven der Griechen». (Seite 60)
Viele Quellen berichten über den Völkermord der Pontosgriechen. Laut den Berichten der Internationalen Liga für die Rechte und Freiheit der Völker zwischen 1916 und 1923 wurden bis zu 350.000 griechische Pontosgriechen in Massakern, Vertreibungsaktionen und Todesmärschen getötet.[30] Die Professorin für Geschichte, Merrill D. Peterson, bestätigt, dass die Zahl der Todesopfer unter den Pontosgriechen bei 360.000 liegt.[31] Laut George K. Valavanis muss „die Vernichtung menschlichen Lebens unter den Pontosgriechen seit dem Großen Krieg [sci. dem Ersten Weltkrieg] bis zum März 1924 mit 353.000 getöteten Menschenleben beziffert werden, als Folge von Ermordungen, Erhängungen sowie von Bestrafungen, Krankheiten und anderen Beschwernissen.“[32]
Constantine Hatzidimitriou schreibt, dass der «Verlust von Leben unter anatolischen Griechen während der Periode des Ersten Weltkrieges und seines Nachwirkens bei ungefähr 715.370 lag». Gemäß Edward Hale Bierstadt heißt es, dass «nach offizieller Bezeugung die Türken seit 1914 kaltblütig 1.500.000 Armenier und 500.000 Griechen – Männer, Frauen und Kinder – ohne den geringsten Anlass abgeschlachtet haben». Auf der Konferenz von Lausanne Ende 1922 wird der britische Außenminister Lord Curzon aufgezeichnet mit den Worten, dass «eine Million Griechen deportiert, getötet wurden oder gestorben sind».
Das objektivste Urteil über das Verhalten der deutschen Diplomatie und der Militärmission gab Frau Tessa Hofmann, wissenschaftliche Assistentin an der Freien Universität Berlin, bei einem Interview.
Frage: «War die Deutsche Militärmission im Osmanischen Reich unter Liman von Sanders über die Massaker an Armeniern, Aramäern/Assyrern und Griechen, die zum größten Teil Bürger des osmanischen Reiches waren, unterrichtet?
Tessa Hofmann: Nicht nur die deutschen Militärbehörden im Osmanischen Reich waren umfassend über die Vernichtungsabsichten des türkischen Bündnispartners informiert, sondern ebenso die Zivilbehörden, namentlich das diplomatische Corps; in fast allen osmanischen Provinzhauptstädten waren deutsche Konsulate vertreten, und dieses dichte Informationsnetz, das dank des deutsch-osmanischen Militärbündnisses ungehindert von Zensurauflagen funktionierte, versorgte das deutsche Auswärtige Amt telegrafisch umgehend mit Informationen. So wussten die deutschen politischen Entscheidungsträger zu jeder Etappe der Deportation der Armenier genau über deren Umfang Bescheid. Sehr früh schon, Anfang Juli 1915, formulierte der deutsche Geschäftsträger zu Konstantinopel, Baron Hans von Wangenheim, die Schlussfolgerung, dass es sich bei den Deportationen der Armenier um keine durch den Krieg bedingte Maßnahme handele, sondern „dass die Regierung tatsächlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reich zu vernichten.“
Frage: Welche Maßnahmen wurden zu dieser Zeit vom deutschen Kaiserreich ergriffen, um die genannte Massaker und Todesmärsche einzudämmen?
Tessa Hofmann: Deutsche Diplomaten äußerten bei verschiedenen Anlässen die Befürchtung, dass die osmanischen Griechen dasselbe Schicksal wie die Armenier ereilen würde, sollte Griechenland seine Neutralität aufgeben und an der Seite der Entente eintreten. Dieses Kalkül hinderte allerdings die Jungtürken nicht, im Pontos schon 1916, also vor dem Kriegseintritt Griechenlands (27.06.1917), zu deportieren und sich dabei gegenüber den immer wieder nachfragenden und gelegentlich auch protestierenden deutschen Diplomaten ganz ähnlich wie im Fall der Armenier zu verhalten: also abzustreiten, hinzuhalten, notfalls Versprechungen auf Besserungen oder Erleichterungen zu machen und im Übrigen vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Jungtürken wussten nur zu gut, dass Deutschland das Militärbündnis mit den Osmanen über alle humanitären Grundsätze stellte und wegen der osmanischen Christen nichts aufs Spiel setzen würde.
Sieht man von wirkungslosen Protestnoten ab, haben deutsche Diplomaten und hochrangige deutsche Militärs im Osmanischen Reich letztlich nur eine Beobachterrolle gespielt; So telegrafierte der deutsche Vize-Konsul zu Samsun, M. Kuckhoff, am 16. Juli 1916 mit Blick auf die Deportation der Griechen aus dem pontischen Gebiet von Sinope und Kastamonu:
«(…) Ausweisung und Ausrottung sind türkisch gleiche Begriffe, denn wer nicht umgebracht wird, verfällt meist den Krankheiten und dem Hungertode».
In diesem Zusammenhang, der nicht unbedingt in direkter Beziehung zu dem Völkermord der Pontosgriechen und der Griechen allgemein steht, soll ich abschließend ganz kurz die letzte Tragische Geschichte Griechenlands im Zweiten Weltkrieg erzählen. Viele wissen in Deutschland wahrscheinlich nicht, dass Hitler mit seiner Arme im April 1941 Griechenland überfiel und besetzte, nachdem die Musolini –Arme 1940 von der griechischen Arme besiegt wurde. Das Land erlebte einer des schlimmsten Zeiten seiner Geschichte. Es wurde total zerstört. Griechenland verlor 1.106. 922 griechische Bürger, 13% seine Bevölkerung. Es kam zu keiner Entschädigung für dieses Verbrechen und die traumatischen Beziehungen beider Länder gehen weiter bis heute.
Es gibt doch in griechenland auch die tükenponties die nur türkisch sprechen. Angeblich wurden sie dazu gezwungen türkisch zu sprechen. Die familie meiner verstorbenen mutter stammen aus einem gebiet das im kaukasus liegt und heute zu georgien gehört. Mein opa mütterlicherseits ist als 12 jähriger von dort aus georgien ca 1923 gekommen. Scheint das gebiet in georgien gehörte schon ca seit mitte des 19 jahrhundert zu russland. Auf die territoriale geschichte und ihre entwicklung die letzten 200 jahre gehe ich jetzt aber nicht ein.
Ich fragte immer meine mutter warum sie türkisch spricht, als antwort kam weil unsere leute von dort gekommen sind. Aber ich dachte wir sind griechen? Die türkischsprechenden griechen glauben sie wären die orginalgrieche, und sie erklären es damit das angeblich die „griechen“ die ihre sprache „behalten“ haben ihre christlich orthodoxe religion verkauft hätten sozusagen als gegenleistung dafür das sie ihre religion gewechselt haben durften sie ihre sprache behalten. Natürlich gibt es für diese ausrede keinen einzigen beweis.
Kein staat und seine regierung der welt können einfach irgend eine sprache einem teil der bevölkerung aufzwingen. Auch wenn sprache aufgezwungen werden würde müsste es jahrhunderte dauern bis die alte sprache nicht länger gesprochen wird und nur noch die neue sprache gesprochen wird.
Ich denke nicht man kann alle orthodoxen christen aus kleinasien die um das schwarze meer leben oder gelebt haben ponties nennen. Ja ich weiß das hätte man gerne, alle sind pondies ich sehe aber keinen zusammenhang.
Sehr wahrscheinlich sind die türksprachigen orthodoxen christen verschiedene türkvölker die schon sehr lange im byzantinischen reich überall hauptsächlich an den reichsgrenzen und zb gegen die slawen zum schutz angesiedelt wurden, zumindest geht das aus verschiedenen quellen hervor.
Mike Kokkinidis: Wie auch Wikipedia schreibt, war „das Osmanische Reich ein multikonfessionelles Gemeinwesen, in dem das Millet-System die auf dem islamischen Recht beruhende Rechtsordnung für den Status nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften regelte. Sie hatten Anspruch auf den Schutz des Sultans, wofür sie besondere Steuerleistungen zu entrichten hatten.“
Wegen einiger Vergünstigungen, die das Millet-System vorsah, haben viele Christen den Glauben gewechselt und sind Muslime geworden. Das bedeutet aber nicht, dass sie mit dem Glaubenswechsel auch ihre Sprache aufgeben müssten.
So verstehe ich nicht das, was sie schreiben, dass sie „als gegenleistung dafür das sie ihre religion gewechselt haben durften sie ihre sprache behalten“.
Können Sie das, bitte, nochmal erklären, was sie – oder ihre Mutter – damit meinen?
SariBlog μιλούσαν μεταξύ τούς το σόι τής μάνας μού τούρκικα. Ποντιακά δεν μιλάνε εκεί στην τσαλκα γεωργια (εκτός από 2 η 3 χωριά από τι ξέρω). Οί γονείς (της μάνας μού) και παππούδες, γιαγιάδες πού ήρθαν από την μικρή ασία και Καύκασο δεν μιλούσαν το 1923 ελληνικά. (Μετά) Στην Ελλάδα μάθανε ελληνικά. Η μάνα μού γεννήθηκε το 1933 στην Ελλάδα άρα έμαθε τα ελληνικά κανονικά όμως ήξερε από τούς γονείς και συγγενής τις τα τούρκικα. Ακόμα και τώρα στο χωριό της μάνας μού μιλάνε άτομα ηλικίας άνω τών 45 και 50 τούρκικα.
Άμα τούς ρωτήσεις γιατί μιλούσαν τουρκικά στην οθωμανική αυτοκρατορία θα σού πούνε ότι τάχα εκείνοι πού μιλούσαν τούρκικα κράτησαν την θρησκεία.
Με την λογική τούς „έδωσαν“ και έχασαν τάχα εκείνοι πού μιλάνε αποκλειστικά μόνο ποντιακά την θρησκεία τούς για να κρατήσουν την γλώσσα.
Μην με ρωτήσεις γιατί και πώς βγάζουν τόσο παράλογο συμπέρασμα.
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Καταρχήν δεν θέλουν στην Ελλάδα να αναγνωρίσουν ότι οί περισσότεροι „πόντιοι“ έγιναν μουσουλμάνοι εθελοντικά. Υπάρχουν στοιχεία πού ολόκληρα χωριά μαζί με τών παπά άλλαξαν θρησκεία εθελοντικά.
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Ποιοί είναι όμως οί πόντιοι? Ξέρω αρμενιους μιλάνε ποντιακά. Ξέρω Έλληνες πού ο παππούς τούς διώχθηκε εκτός Ελλάδας μετά τών εμφύλιο πόλεμο (1948), και μιλάνε τώρα ποντιακά μάλλον επειδή ζούσαν μαζί με πόντιους.
Ein sehr interessanter Artikel über die Pontos-Griechen!