Wie Griechenland zu einem Buzukistan wurde

Emmanuel Sarides
Alles Griechisch oder was?

Wann und warum wurden Buzuki und Sirtaki zu Identifikationsmerkmalen der Griechen und zu kulturellen Markenzeichen Griechenlands

„Verstand zeigt sich im klaren Wort“, Euripides

These

Die Buzuki-Musik ist in der Zeit des Kalten Kriegs durch ein Umerziehungs-/Reeducations-Programm des Hegemons (der City of London) zum Identifikationsmerkmal der Griechen geworden. Ziel und Zweck dieser Umerziehung war die Errichtung eines Eisernen Vorhangs, der die soziokulturellen und politischen Beziehungen der Griechen zu ihren sozialistisch gewordenen Nachbarn auf dem Balkan und zum sowjetischen Sozialismus unterbinden sollte. Möglich wurde es dadurch, dass den Griechen eine Kultur verpasst wurde, die nicht Balkan identisch war, sondern auf die orientalische Buzuki-Musik der Haschischraucher, vor allem aus Izmir, basierte, die mit dem Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei 1922/23 nach Griechenland gekommen waren.

Um diese These zu untermauern wird zuerst auf einige zum Thema relevante Theorien über die Umprogrammierung von Gesellschaften eingegangen, die in Europa vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg vom Hegemon angewandt wurden, um Länder mental durch Personen zu beherrschen, die egal ob rechts oder links zur Bildung einer fünften Kolonne gefördert werden, die insgeheim mit ihm kollaboriert als Opposition oder zwecks Umsturz, Revolution oder Umwälzung. Danach werden die mir zur Verfügung gestandenen Materialien zum Thema darauf hin überprüft, ob sie die  Feuerprobe zur Verifizierung der These von der Umprogrammierung der Griechen nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen. Die Entscheidung, ob die These richtig oder falsch ist, bleibt dann dem Leser überlassen.

Theoretische Ansätze zum Thema Umprogrammierung

Die in Frage kommenden Stichworte zum Thema Theorien und Programme zur mentalen Manipulation von Menschen sind: Gehirnwäsche, Bewusstseinskontrolle,Propaganda und Umprogrammierung.

Über Gehirnwäsche schreibt Wikipedia (die sich nach einem Selbstlob als eine frei lizenzierte und qualitativ hochwertige Enzyklopädie bezeichnet): „Gehirnwäsche (englisch brainwashing, auch Mind Control, „Bewusstseinskontrolle“) ist ein Konzept zu Manipulation. Dabei wird mit Taktiken der mentalen Umprogrammierung das Selbstvertrauen und die eigene Urteilskraft der Zielperson angegriffen, um deren Grundeinstellungen und Realitätswahrnehmungen zu destabilisieren und anschließend durch neue Einstellungen zu ersetzen“.

Edward L. Bernays (ein Neffe Sigmund Freuds und ein Urenkel des Hamburger Rabbiners Isaak Bernays), der Begründer der später von ihm in Öffentlichkeitsarbeit umbenannten modernen Propaganda, definierte die mentale Umprogrammierung als „in sich stimmige, anhaltende Bemühung zur Schaffung oder Formung von Ereignissen, um die Beziehungen der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder Gruppe zu beeinflussen. Seine psychoanalytische Orientierung ließ ihn die Bedeutung des Unterbewussten und der Phänomene der Verdrängung und Verschiebung als Basis erfolgreicher Propaganda verstehen. Statt auf direkte und rationale Argumente setzte seine Propagandatechnik auf die dem Empfänger unbewusste indirekte Erzeugung von Bedürfnissen, die der Rezipient als seine eigenen Wünsche und als Ausdruck seines freien Willens erlebt. Bernays ging davon aus, dass demokratischer Partizipation der Bürger und der Legitimation des staatlichen Handelns dann am besten gedient sei, wenn der Staat mithilfe wissenschaftlicher Methoden und den Sachanalysen von Experten die öffentliche Meinung so beeinflusst und lenkt, dass ein Konsens entsteht und die Regierung für ihre Politik Unterstützung findet (diese und die folgenden Informationen stammen von der Wikipedia).

Dabei bezog sich Bernays unter anderem auf die Arbeiten des US-amerikanischen politischen Theoretikers und Journalisten Walter Lippmann, der in der Herstellung einer einheitlichen Meinung eine der Hauptaufgaben von Massenmedien in Zusammenarbeit mit den Entscheidungsträgern sah. Diese „spezialisierte Klasse“ englisch specialised class, sollte im wesentlichen politischen Entscheidungen vorbehalten sein sollten.

Propaganda (von lateinisch propagare‚ „weiter ausbreiten“, „ausbreiten“, „verbreiten“) bezeichnet in ihrer modernen Bedeutung zielgerichtete Versuche, politische Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern bzw. politische Ideen zu verbreiten.

Umprogrammierung meint „das medienwissenschaftliche Modell ist Teil eines gesellschaftskritischen Konzeptes der Politischen Soziologie, nach dem die öffentliche Meinung in formal demokratischen Gesellschaften manipuliert wird, um einen gesellschaftlichen Schein-Konsens bezüglich ökonomischer, sozialer und politischer Entscheidungen zu erzielen, von dem letztlich nur eine kleine Minderheit der Gesellschaft profitiere, die wirtschaftliche und politische Machtelite. Das Propagandamodell von Edward S. Herman und Noam Chomsky stellt dar, wie in den Massenmedien die objektive Berichterstattung durch eine in der Regel ungesteuerte und unbewusste „Filterung“ von Informationen verhindert wird.

Nach Walter Lippmann, einer der einflussreichsten Propagandisten des Neoliberalismus und einer gelenkten Demokratie, wird die öffentliche Meinung durch die Medien gemacht. Die „Herde der Bürger“ wird durch die herrschende Klasse mit Unterstützung von Experten regiert. Für eine notwendige und umfassende Information sind die Bürger überfordert – Public Opinion, 1922). Die Medien-Inhalte werden vor allem nach politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt (Agenda Setting) und eingeordnet (Framing): Kritische Perspektiven und Fragen werden aussortiert (Gate Keeping), spektakuläre, aber banale Informationen in den Mittelpunkt gestellt (Ablenkung).

Wie wurden diese Theorien in die Praxis umgesetzt? Eine wichtige Rolle dabei spielte das Londoner Tavistock Institute, spezialisiert auf die psychologische Kriegsführung (Massenmanipulation – siehe auch Das Tavistock-Institut : Auftrag: Manipulation). Die Hauptagentur von Tavistock in den USA, das Institut für polizeiliche Studien, wurde vom Roosevelt-Berater James Paul Warburg finanziert, dem Sohn von Paul Warburg und Neffen von Max Warburg, der Hitler finanziert hatte. Sein Mitbegründer war Marcus Raskin, Protege von McGeorge Bundy, Präsident der Ford Foundation. Alles klar?

„In fast jedem Akt unseres Alltags, ob in der Politik oder in der Wirtschaft, in unserem Sozialverhalten oder unserem ethischen Denken, werden wir von der relativ kleinen Zahl von Menschen dominiert, die die mentalen Prozesse und sozialen Muster der Massen lenken“(Das Tavistock-Institut / Die Britische Psychologische Gesellschaft).

Ein Massenexperiment waren „The Beatles“, ihre Paten: das Tavistock-Institut, der CIA, und der britische MI6 (Secret Intelligence Service). Mit den Beatles wurde der weltweite Drogenkonsum forciert, um die Menschen zu versklaven und ihnen ihre menschlichen Rechte zu berauben. Das Ziel war eine schutzlose und geschwächte Gesellschaft. Das berüchtigte MK-Ultra-Programm der CIA endete mit mehreren Todesfällen, das nächste Experiment mit LSD fand in den frühen Sechzigern in San Francisco statt und war in MK-Ultra eingebunden.  Das LSD-Programm wurde von der Schweizer Pharmafirma Sandez AG entwickelt LSD (= Lysergsäurediäthylamid) und Tavistock förderte die Droge mit Hilfe des Institute for Policy Studies. Das Ergebnis war die LSD-„Gegenkultur“ der 60er Jahre und die Studentenrevolten, die von der CIA mit 25 Mio. Dollar finanziert wurden und in der ganzen Welt angewandt wurden (Die Lockmittel Satans, Die Macht der Musik).

Ist Musik eine Waffe? Das „Handbuch der populären Musik“ definiert das politische Lied als ein „Liedgenre mit einer primär politischen Funktion und vorwiegend operativem Charakter, das agitierend, propagierend, mobilisierend, solidarisierend und reflektierend in die sozialen Auseinandersetzungen eingreift (Wicke/Ziegenrücker 1997: 385). Und ein Artikel in der Westberliner Zeitung Agit 883 von 1970 trägt den Titel „Musik ist eine Waffe!“ (Johler/Sichtermann/Stahl 2000: 41).

Die in Deutschland und Österreich der Nachkriegszeit durchgeführten Maßnahmen zur Reeducation (Umerziehung) oder Umprogrammierung der Bevölkerung, sonst Entnazifizierung genannt,hatten in Wirklichkeit die Amerikanisierung von Mensch, Gesellschaft, Politik und Kultur zum Ziel. Noch radikaler hat sie 1945 Sefton Delmer, ein jüdischer Propagandist der englischen Geheimdienste, formuliert: „Durch Propaganda über Gräueltaten haben wir den Krieg gewonnen … Und jetzt fangen wir gerade erst an! Wir werden diese Propaganda der Gräueltaten so lange fortsetzen, und zwar noch intensiver, bis niemand mehr auf der Welt ein einziges gutes Wort über die Deutschen sagt und alle Sympathien, die sie für andere Länder haben, verschwinden. Und sie selbst sind so verwirrt, dass sie nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Wenn dies erreicht sein wird, wenn sie selbst beginnen, sich selbst die Schuld zu geben, ohne sich zu beschweren, sondern darüber zu wetteifern, wer ihren Eroberern am meisten gefallen wird“ (Wir machen aus den Deutschen ein Helotenvolk).

Eine Parallele der damaligen Reeducation (Umerziehung) in Deutschland sehen wir heute in der Ukraine mit der Entrussifizierung der Bevölkerung und der Umstellung der ukrainischen Gesellschaft und Kultur auf westliche Standards.

Zu erwähnen ist auch die Rolle, die das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, die „Frankfurter Schule“, zur Umerziehung der Deutschen spielte, wo eine Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen an die Theorien von Friedrich Hegel, Karl Marx und Sigmund Freud anknüpfte, die Vertreter der sogenannten Kritischen Theorie. Denn diese übte in den 60er Jahren einen enormen Einfluss auf die Studenten und trieb sie auf die Straßen („Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren“). Nachfolger dieser Studentenbewegung ist heute die Partei „Die Grünen“ (siehe auch Von der Studentenbewegung zu den Grünen).

Das Griechenland der Belle Époque

Wie sah Griechenlands Kultur vor ihrer Buzukisierung aus? Den Griechen wurde schon immer eine lockere und gesellige Lebensweise angesagt, die vergleichbar mit der italienischen ist. So hatte sich in der Zeit zwischen 1850 und 1970 trotz ständiger Kriege (Balkankriege 1912/1913, Erste Weltkrieg 1914-1918, Griechisch-Türkischer Krieg 1919-1922), politischer Instabilität und wirtschaftlicher Unzulänglichkeit eine bürgerliche Musik- und Tanzkultur westeuropäischer Prägung etabliert, die in der Literatur als Belle Époque bezeichnet wird. Musikalisch herrschte das sogenannte „ελαφρό τραγούδι“, das „leichte Lied“ vor, nach italienischen, französischen und deutschen Vorgaben und Tänze wie der argentinische Tango, der Foxtrot, Samba und Walzer. Eine Liste von Liedern dieser Zeit findet sich unter H φωνητικά καταγεγραμμένη (προ)ϊστορία του ελληνικού ελαφρού τραγουδιού Από τις απαρχές του 1858 έως το 1958 (Συλλεκτικό!) « Κάδος Ανατύπωσης (Die tonmäßig aufgenommene (Vor)Geschichte des griechischen leichten Liedes. Von Anfang im Jahr 1858 bis 1958 (Sammler!) „Reprint Bottich.


Beeindruckend, imposant und architektonisch großartig war das Hotel „Aktaion“ im Athener Neo Faliro, das für viele Jahrzehnte Mittelpunkt des weltlichen Lebens der Athener war…und in vielen Büchern, Zeitungsberichten und ausländischen Schriftstellern erwähnt wurde, die das Leben der Athener in der Zeit der Belle Époque aufzeichnen (huffingtonpost.gr).

Noch in den 50er Jahren brachten die Kinos neben Western auch Filme mit Elvis Presley und seinem Rock and Roll und das Radio präsentierte junge Leute, die sich nach lateinamerikanischen Vorbildern in Gruppen, sogenannte Trios, zusammen schlossen, am bekanntesten wurden das Trio Kitara, Trio Bel Canto oder das Trio Canzone, hier mit Nana Mouskouri „TRIO KANTSONE – NANA MOUSKOURI „O TROXOS GYRIZEI“.


Diese Zeit war in den 60er und 70er Jahren vorbei. Die Schallplattenfirmen begannen, Buzuki-Musik und Aman-Aman-Gesänge zu verbreiten, in den Tanzlokalen wurde Karsilamas (türkisch karşılama) oder Zembekikos (türkisch Zeybekiko) getanzt und die Kinos zeigten massenweise ägyptische und indische Filmproduktionen mit viel orientalischem Gesang und Tanz. Und dann kam der Film Alexis Sorbas mit dem Buzuki basierten Syrtaki-Tanz und brach der griechischen Belle Époque das Genick. Die Belle Époque war Geschichte und die griechische Kultur war, wie Jannis Lazaris schreibt, türkisch-arabisch geworden (Jannis Lazaris ΜΙΚΡΑΣΙΑΤΙΚΟΣ ΧΑΒΑΣ– kleinasiatischer Hava, ein langatmiger Aman Aman (Gnade!, Erbarmen!) Gesang

Intermezzo: Wie ich die griechische Kultur der 50er und 60er Jahre erlebte

Meine persönliche Geschichte kann zum kulturellen Umbruch in Griechenland der 50er und 60er Jahre als ein Dokument betrachtet werden, denn ich bin ein Zeitzeuge. Ich wurde im westthrakischen Stavrupolis am 04.04.1935 geboren, der Ort hieß im Osmanischen Reich Yeniköy und war 1923 griechisch geworden. Dort habe ich den 2. Weltkrieg und die von Deutschland verfügte Besetzung der Region durch Bulgarien, seinen Verbündeten, erlebt. In der Zeit von 1941 bis 1944 gab es eine unvorstellbare Armut, Hunger und Hoffnungslosigkeit, Stavrupolis lebte vom Tabakanbau und Tabak kann man nicht essen, davon mal abgesehen, dass der Tabak-Export komplett eingebrochen war. Die Misere setzte sich in den griechischen Bürgerkrieg fort, der 1949 zu Ende gegangen war.

Unsere Familie hatte einen bürgerlichen Hintergrund, in unserer Sala/Saloni, im schönen Raum, wo man Gäste empfängt, stand ein Grammophon, daneben 78er Schallplatten, die ich gern hörte, besonders das Abendlied/die Serenata von Schubert (auf griechisch) und die Tangolita. Grammophon und Schallplatten wurden dann wegen des schrecklichen Hungers an die Besatzer für ein Topf Corba verkauft. Auch unsere Kuh Maro (Μάρω), die morgens allein zur Sammelstelle ging und abends, nach der Weide, alleine zurück kam, musste geschlachtet werden, dann gab es keine Milch mehr für die Kinder.

In Xanthi, wohin unsere Familie 1946 gezogen war, hat sich nach 1950 das Leben allmählich normalisiert. Die Menschen arbeiteten in der Tabakverarbeitung und zum Wochenende hatte es in den Gartenlokalen „Nisaki“ und „Pisina“ Tanzabende (Soireen, Χοροεσπερίδες) gegeben, bei denen Musikensembles mit Gitarre, Akkordeon, Geige und Saxophon zum Tanz einluden, es wurde meistens Tango getanzt. Die Stadt hatte an bestimmten Stellen Lautsprecher installiert, die abends zur Volta, dem klassischen Spaziergang zum Sehen-und-Gesehen-Werden, leichte oder  klassische Musik übertrugen (ich erinnere mich an die Cavalleria Rusticana), die Volta-Straße war vorher von der Feuerwehr gesprenkelt worden. Jugendliche Gruppen spielten mit Gitarre und Akkordeon die modernen Schlager aus Athen (siehe dazu auch  Επιστολή για το Νησάκι και τον νερόμυλο auf Griechisch).


Jugendliche in Xanthi der 50er Jahre zur Zeit der Trio-Kitara-Welle

1960 wanderte ich als Gastarbeiter nach Deutschland aus, wo ich heute noch lebe. Ich schuftete zuerst in dreckigen und toxischen Fabriken in Gütersloh/Westfalen, in einem Galvanisierbetrieb für Fahrradteile, in der Lackiererei einer Möbelfabrik, in einem Betrieb wo Marmor geschnitten und geschleift wurde, usw. Ich wohnte in einem CVJM-Heim.

Im deutschen Rundfunk gab es eine Sendung für Gastarbeiter und da hörte ich eines Abends im Kofferradio die Sendung für die griechischen Gastarbeiter. Es gab da viel blabla und auch griechische Lieder, die ich aus Griechenland nicht kannte. Sie waren mir ganz fremd und gefielen mir ganz und gar nicht, denn sie klangen orientalisch-jämmerlich und wurden von Buzukiklängen begleitet. In Xanthi hatte ich eine solche Musik nicht gehört. Als ich dann Mitte der 60er Jahre meine erste Urlaubsreise nach Griechenland machte, hörte ich unterwegs im Autoradio, es war in Süd-Jugoslawien, wieder diese Musik. In Griechenland angekommen, wurde alles noch schlimmer, alle Radiosender spielten nur noch diese jammervolle Buzukimusik, immer wieder Lieder von Stelios Kazantzidis mit seinem Geschluchze und andere indisch klingende Sängerstimmen. Ich hatte das Gefühl, nicht in Griechenland, sondern in Ägypten, im Orient zu sein. Was war passiert, warum war Griechenland von einem Balkan- zu einem orientalischen Land geworden?

Krieg, Bürgerkrieg und Eiserner Vorhang

Griechenland wurde 1941 von Deutschland besetzt, seine Verbündeten, Italien und Bulgarien, bekamen jeweils die Kontrolle über die Ionischen Inseln und Thrakien. Gegen die Besatzer begann 1942 ein Partisanenkrieg, geführt von der linksgerichteten Widerstandsgruppe EAM und der paramilitärischen ELAS (Griechische Volksarmee), die von der Sowjetunion unterstützt wurden und auf von der monarchistischen EDES (Nationale Demokratische Griechische Liga), die von England aufgebaut, finanziert und gelenkt wurde.

Gegen Ende des Krieges hatten 1944 Stalin und Churchill auf der Moskauer Konferenz ihre Einflusszonen in Südosteuropa festgelegt: Churchill hatte Stalin einen Zettel überreicht, auf dem über Griechenland „Großbritannien 90 % – Russland 10 %“ stand, Stalin hatte dem zugestimmt. Diese Aufteilung wurde auch auf der Jalta-Konferenz 1945 bestätigt.

Noch während des Krieges hatte sich aber in Griechenland ein Widerstand gegen die Besatzer formiert. Der EAM/ELAS kontrollierte große Teile vor allem Nordgriechenlands und 1944 hatte er sogar in Zentralgriechenland die sogenannte Bergregierung (Κυβέρνηση του Βουνού gebildet (Η γέννηση, η δράση και το τέλος της Κυβέρνησης του Βουνού). In dieser Zeit wurden Lieder über die Partizanen und das Leben und Leiden der Bevölkerung gesungen, die erst später, nach 1970, auf Schallplatten aufgenommen wurden.
Hier 5 Partisanen-Lieder der EAM/ELAS von damals

Ein Sieg des EAM/ELAS war natürlich nicht im Sinne des Hegemons von der City of London und der Wall Street und so kam es zu einem Bürgerkrieg, der von 1944 bis 1949 tobte und den Rest Griechenlands zerstörte, was die deutsche Besatzung und die Kämpfe mit den Partizanen übrig gelassen hatte. Nach der Einstellung der sowjetischen Hilfe und dem militärischen Eingreifen Englands, das Athen mit Panzern und Flugzeugen angriff, erlitt EAM/ELAS eine bittere Niederlage, die Verlierer wurden auf Inseln-KZ’s deportiert oder flüchteten in die sozialistischen Länder Osteuropas (siehe auch: Αυτοί που δε γύρισαν. Οι (Σλαβο)Μακεδόνες πολιτικοί πρόσφυγες του Εμφυλίου).

Das „befreite“ Griechenland wurde streng antikommunistisch und durch einen Eisernen Vorhang von seinen nördlichen Nachbarn und der Sowjetunion getrennt. Volkslieder und Tänze wie Payduska, Zonaradiko, Tsestos in Makedonien und Thrakien, die Gemeinsamkeiten mit seinen Nachbarn in Albanien, Jugoslawien und Bulgarien hatten, wurden verboten und galten als „bulgarisch“. Meine Mutter (Eltern: Vater Vlachos, Mutter Slawin) wollte uns das Kinderlied sareni Tsourapi nicht mehr singen, das sie von ihrer slawischen Mutter kannte, sie hatte Angst, dass „sie uns hören werden“, wie sie sagte. Selbst Fußballmannschaften aus Thessaloniki, die in Athen spielten, wurden mit dem Ruf Bulgaren, Bulgaren, ausgebuht.

Von der westlichen Belle Époque zur arabischen Buzuq-/Buzuki-Kultur

Wie kam diese orientalische Musik zum Balkan-Griechenland? Nun ja, wie bereits erwähnt, waren unter den 1,5 Millionen aus Kleinasien ausgewiesen Menschen auch viele Haschischraucher und Drogensüchtige vor allem aus Izmir und Istanbul, die mit ihrem Buzuq als Begleiter gekommen waren. Diese Menschen konnten sich im Osmanischen Reich unbeschwert ihrer Neigung nachgehen, da der Haschisch- und Opium-Konsum erlaubt war, in Griechenland war das aber verboten. So tauchten sie in ein Milieu der Kleinkriminalität, Prostitution und Drogen, das in den Kaschemen (griechisch χαμαιτυπεία, bordellartige Etablissements), auch Kutukia genannt, der Hafenstädte Piräus und Thessaloniki Zuhause war und wo sie relativ geschützt dem Drogen- und Gesanggenuss hingeben konnten. Sie nannten sich Rebetes/Rembetes (das türkische rembet steht für Musik „aus der Gosse“ – siehe auch Rembétika in Musik | Schülerlexikon), fristeten ihr Dasein mit Drogendeal, Prostitution und Gelegenheitsjobs und abends lauschten sie, voll gedröhnt, ihren aus der Türkei mitgebrachten Taksim und Hidjaz Liedern, begleitet von Buzuki und Baglama.
Beispiel hier

Aus dieser Szene kamen bedeutende Künstler hervor. Einer der Größen war Markos Vamvakaris, nach Wikipedia „der Patriarch des Rebetiko“. Vamvakaris, geboren auf der Insel Syros, ging noch jung nach Piräus um Großstadtluft, sprich Shitduft, einzuziehen. Er verdingte sich im Hafen als Lastenträger und Kohlenarbeiter Abhäuter und abends besuchte er die Kaschemen von Trumba oder Botanikos um einen durchzuziehen. Er gründete dann die Musikgruppe „Η Τετράς η ξακουστή του Πειραιώς“ („Die Berühmte Tetras von Piräus“), dessen Mitglied Anestos Delias mit 32 Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben war. Ein Leben lang kämpfte Vamvakaris ums Überleben und um die Beschaffung seiner täglichen Dosis, wie seinen Liedern „ο χαρμάνης“ (aus dem türkischen Harman, in der griechischen Junkie-Sprache gleichbedeutend mit „heute habe ich noch nicht geraucht“, „bin unter Entzug“) oder das „Εφουμέρναμε ένα βράδυ“ („Als wir eines Abends kifften“).

Eine andere Größe des Rebetiko ist Vasilis Tsitsanis, der mehr als 600 Lieder auf Platten aufgenommen hat, darunter „Das Schiff aus Persien“, eine Hymne an den Haschisch und die Haschischraucher:

Το βαπόρι απ‘ την περσία – Πιάστηκε στην Kορινθία – Τόννοι έντεκα γεμάτο – Με χασίσι μυρωδάτο – Τώρα κλαίν‘ όλα τ‘ αλάνια – Που θα μείνουνε χαρμάνια (Das Schiff aus Persien – wurde in Korinth beschlagnahmt – beladen war es mit elf Tonnen – wohlriechendem Haschisch – Jetzt weinen alle Vagabunden – die rauchhungrig bleiben werden).

Stelios Kazantzidis, vermutlich ein Zigeuner, war kein Rebet sondern der Star des jämmerlichen indischen und türkischen Gesangs, der Lieder voller Herz und Schmerz  (Cadirimin Ustunde, Oglan Oglan Kalk Gidelim). Kazantzidis hat seinen unauslöschlichen Stempel auf die Coloratur, die Ferbung der Stimme der späteren Sänger-Generationen aufgedrückt, imitiert zuerst vor einer Reihe anderer Roma-Sänger wie Angelopoulos oder Dionisiu und ist seitdem bei fast allen Sängern des leichten griechischen Lieds/Schlagers zu hören.
Ein Lied von Kazantzidis

Diese Musiker, von den Medien zu Ikonen der griechischen Gegenwartsmusik erklärt, sollen als quasi Nationalheiligtümer unsterblich bleiben: Markos Vamvakaris bekam auf seiner Geburtsinsel Syros ein Museum, Vasilis Tsitsanis bekam ein Museum in seiner Heimatstadt Trikala und Stelios Kazantzidis ein Museum in Pallini und ein anders in Thessaloniki.

Back to the Roots?

Die Buzukisierung der griechischen Kultur wird von den meisten griechischen Autoren als ein Back to the Roots, zurück zu den Wurzeln bezeichnet. Doch zu welchen Wurzeln soll die griechische Musikkultur zurückgekehrt sein? Haben sich die alten Götter auf dem Olymp mit Buzuki-Musik amüsiert, die alten Athener Buzuki gespielt, die Pythia beim Orakeln in Delphi Rebetiko gehört, war Rebetiko die Orpheus-Kultur der Thraker? Kann man sich Sokrates oder Aristoteles mit einem Buzuki in der Hand vorstellen?

Nein, alles Kokolores. Selbst die ach so objektive Wikipedia meint, dass die Herstellung einer kulturellen Verbindung zwischen Alt- und Neu-Griechenland historisch unmöglich ist. Die Kultur des antiken Griechenland kann unmöglich die Zeit nach der 1000järigen Herrschaft des Oströmischen- oder Byzantinischen Reichs und danach die 500jährige Herrschaft des Osmanischen Reichs überlebt haben, da auf dem Gebiet der alten Poleis nachdem es 146 v.Chr. von den Römern erobert wurde, für etwa zwei Tausend Jahre Völker lebten, die kaum als die Nachkommen der alten Griechen bezeichnet werden können. Und dass das 1830 gegründete Griechenland vorher nur in der Phantasie der westeuropäischen Intellektuellen existierte und von England und Frankreich nur zu imperialistischen Zwecken gegründet wurde, natürlich mit dem Etikett der Befreiung von seinen Unterdrückern. Sagt das nichts über die Praktiken von heute, die sich genau derselben Erklärungen bedienen, wenn es um die Befreiung der ach so unterdrückten Völker der ehemaligen Sowjetunion, Jugoslawiens, des Nahen Ostens usw. geht?

Nein, Byzanz oder Ostrom war nicht griechisch und das Osmanische Reich kannte  weder Griechen noch andere Nationen. Die osmanische Rechtsordnung basierte auf das Millet-System, religiös definierte Glaubensgemeinschaften, von denen drei oder vier offiziell anerkannt waren und einen hohen Grad an Autonomie besaßen: die muslimische Millet, die orthodoxe Millet, die armenische Millet und womöglich die jüdische Millet. Zur orthodoxen Millet gehörten alle christlich-orthodoxen Gruppen auf dem Balkan, die erst im Zuge der Französischen Revolution als Nationen die Weltbühne betraten, sortiert nach ihrer Zugehörigkeit zum Konstantinopoler Patriarchat (Griechen), zum Bulgarischen Exarchat (Bulgaren), zum Patriarchat von Peć (Serben) oder zum Rumänischen Patriarchat (Rumänen).

Die Menschen im Osmanischen Reich, die im historischen Narrativ als Griechen bezeichnet werden, waren  die Bewohner des Landes Rūm-ili, Rūm-ėli, des Rhomäerlandes und wurden Rumlar, Römer benannt, egal ob sie heute Griechen, Bulgaren, Serben oder Rumänen heißen. Charakteristisch ist hierbei die schriftliche Proklamation des Revolutionärs Alexandros Ypsilantis an die Griechen der Moldau im März 1821, sich gegen die Pforte zu erheben. Für Ypsilantis waren die christlichen Bewohner Moldaus selbstverständlich Griechen, da sie zu den Rumlar/Römern zählten (siehe auch: Armin Sattler 200 Jahre Revolution, Die Wiedererfindung Griechenlands).


Alexandros Ypsilantis proklamiert im März 1821 am Fluss Pruth die Revolution

Wer lebte dann wirklich auf dem Gebiet des heutigen Griechenland? Bei einer Million Menschen im Jahr 1830, dem Gründungsjahr Griechenlands, waren die Bewohner der Region Attika (mit Athen!) und der umliegenden Inseln zu 40% Arvaniten und die Bevölkerung der später dazu gekommenen Regionen Thessalien, Epirus, Makedonien und Thrakien bestand mehrheitlich aus Aromunen/Wlachen, Slawen, Arvaniten/Çamen), türkischsprachigen Muslimen und Pomaken. Hatten diese recht unterschiedlichen Völkerschaften eine Buzuki- und Rebetiko-Kultur? Haben sie griechisch gesprochen? Mitnichten. Das einzige Merkmal, das sie gemeinsam hatten, war, von den Muslimen abgesehen, die griechisch-orthodoxe Religion und ihre Zugehörigkeit zum Konstantinopoler Patriarchat.


Athen um 1821. 40% seine Bewohner waren Arvaniten

Mikis Theodorakis und die Buzuki-Musik

Das Programm der Umerziehung der Griechen wäre nicht möglich ohne die Förderung der großen Buzuki- und Rebetiko-Künstler, der Medien und deren Medienberichterstattung und der Schallplattenfirmen.

Ich beginne mit der Größte aller griechischen Musikgrößen, mit dem Komponisten, Sänger und Politiker Mikis Theodorakis und seinen Kampf zur Buzukisierung Griechenlands.

Theodorakis hatte mit diversen Stipendien ein Musikstudium in Paris abgeschlossen, eine Auszeichnung der William and Noma Copley Foundation bekommen und sich mit der „New Left“-Bewegung angefreundet. Voller Elan und Drang kehrte er 1960 nach Athen zurück, um „sich den Wurzeln der griechischen Musik zu wenden“ (Wikipedia) bzw. die griechische Musik volkstümlich zu „revolutionieren“ um damit den Kapitalismus zu bekämpfen.

Auf der Suche nach den Wurzeln der Arbeiterlieder besuchte der stets links blinkende Theodorakis die Spelunken von Trumba im Hafen von Piräus und lauschte entzückt den Gesängen der Haschischraucher und Drogenabhängigen, die er zu den Liedern der griechischen Arbeiterklasse erklärte. Buzuki und Baglama nannte er die nationalen Instrumente Griechenlands.

Dazu kamen die Erfolge des Films „Alexis Zorbas“ und des von Theodorakis ausgedachten Tanzes „Syrtaki“ im Westen, die nach Griechenland importiert wurden und die Rebetiko-Musik und der Syrtaki-Tanz zum trade mark der Griechen machten – der Rebetiko wurde sogar 2017 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt (Nana Mouskouri: Ich liebe Rebetiko!). Zahlreiche griechische Restaurants in Deutschland hatten dann ihren Namen von „Sokrates“ oder „Parthenon“ auf „Syrtaki“ geändert und spielen fortan nur noch Buzukimusik. Und die Griechen im Ausland wurden als Buzuki- und Syrtaki-Tänzer identifiziert: Als ich einmal bei Deutschen zu Besuch war, wurde ich gefragt, ob ich Syrtaki tanzen kann und als ich nein sage, wurde ich gefragt, ob ich denn wirklich ein Grieche bin.

Theodorakis komponierte Lieder wie „das Lied des toten Bruders“ und „Axion Esti“, die den „Kampf“ bei den ständigen Demonstrationen, Straßenblockaden und den permanenten  politisch-ideologischen Auseinandersetzungen zwischen  Rechts und Links befeuerten und zum Symbol des sozialen Protestes gegen die „Herrschenden“ wurden, eine Antifa Anno Dunnemals. Eine Antifa war zweifellos auch die von Theodorakis gegründete Demokratische Jugendbewegung „Grigoris Lambrakis“, eine politische Kampforganisation, die auf Randale aus war und gewalttätige Demonstrationen organisierte, die zur politischen Tradition wurden und heute noch auf der Tagesordnung stehen (siehe auch Griechenland – Ein Land der Demos). Dieses Chaos, verursacht von den Liedern und Kampftruppen von Mikis Theodorakis, war es dann, das 1967 das Militär/die Junta zum Eingreifen zwang, die wiederum mit den „revolutionären“ Klängen der Lieder von Theodorakis 1974 gestürzt wurde.

Im Jahr 1964 war der Film Alexis_Sorbas in die Kinos gekommen, ein Welterfolg, Geburtstag des Syrtaki-Tanzes und Beginn der weltweiten Bekanntwerdung der Buzuki-Musik.  Ein Jahr später tauchte in Athen die Amerikanerin Gail Holst-Warhaft (später Professorin an der Cornell University) auf, kontaktierte Mikis Theodorakis. Die beiden besuchten die Spelunken der Haschischraucher und Drogenabhängigen in Piräus. Sie begannen  zusammen zu arbeiten, Mikis Theodorakis vertonte mit dem Buzuki „Arbeiterlieder“, Holst-Warhaft schrieb Bücher über die „griechische“ Musikkultur („Road to Rembetika: Music of a Greek Sub-Culture – Songs of Love, Sorrow and Hashish“, 1975), das bisher mindestens sechs Nachdrucke machte und zur weltweiten Verbreitung dieser Musik – und über das Ausland zurück auf Griechenland – beitrug.

Mit Hilfe von Gail Holst-Warhaft stellte Mikis Theodorakis Kontakte zu US-Amerikanischen Filmproduzenten und -Verleihern und zu wichtigen Nichtregierungsorganisationen und Verbänden des US-Amerikanischen tiefen Staates US-Amerikanischen Establishments, die seine Tätigkeit finanzierten und politisch begleiteten. Theodorakis wurde so zum Widerstandskämpfer gegen die Junta Griechenlands aufgebaut. Mit seinen revolutionären Liedern auf Schallplatten und mit seinen weltweiten Konzerten in Deutschland, Europa und weltweit großzügig finanziert und logistisch unterstützt, hatte er eine mediale Verbreitung erfahren, die benützt wurde, um Stimmung gegen die „Diktatur“ in Griechenland zu machen. Und so war die Junta der Generäle, die 1967 mit Hilfe der USA- usw. Geheimdienste  an die Macht gekommen war, angeblich wegen ihrer Pläne einer Annäherung an die Sowjetunion, 1974 von denselben Mächten und Kräften gestürzt worden.

Zu ihrem Sturz hatte der zur Ikone aufgebaute Widerstandskämpfer Theodorakis maßgeblich beigetragen.  Die Begeisterung des internationalen Publikums und sein Ruhm strahlten natürlich auf Griechenland zurück, endlich hatte das arme Land eine international anerkannte Persönlichkeit aufzuweisen, junge Leute und Studenten waren entzückt, haben sich mit seiner Musik stark identifiziert, Sirtaki und Buzuki waren nationale Kulturgüter geworden.

Neben seiner Zusammenarbeit mit Gail Holst-Warhaft sollen für die Zeit zwischen 1967 und 1974 die Kontakte von Mikis Theodorakis zu anderen englischen, US-Amerikanischen und Organisationen und Geheimdiensten erwähnt werden, so  zum Engländer Tim Dowdall, „owner of Berlin-based promoters Multimedia Organization Europe Ltd., who has been operating in the region for 20 years“. Tim Dowdall war Manager von Mikis Theodorakis und besorgte mit Hilfe von Asteris Koutoulas oder Kutulas die Finanzierung der Theodorakis-Konzerte in Europa und weltweit sowie die Produktion der Theodorakis-Schallplatten.

Seit 1973 hatte Mikis Theodorakis sehr enge Kontakte zu Guy Wagner aus Luxemburg, der 1991 Empfänger des René Oppenheimer-Preises gegen Rassismus, Intoleranz und Fremdenhass wurde und Konzerte von Mikis Theodorakis in Luxemburg organisierte. Über die Beziehungen von Mikis Theodorakis zu Tim Dowdall und Guy Wagner ist im Internet nicht anders als nur zeitliche Angaben zu Konzerten und Terminen zu finden. Siehe auch: Mikis Theodorakis, ein großes Talent und ein nützlicher Idiot

Die Rolle der Medien und Schallplattenfirmen

Stefanos Loukopoulos (Mitbegründer und Direktor von Vouliwatch – Vouli ist das griechische Parlament) schreibt: „Die griechische Medienlandschaft ist geprägt von äußerst fragwürdigen Verbindungen zwischen Oligarchen, Banken, Medien und Politik.‟ Von welchen Verbindungen ist hier die Rede?

Nun ja, Griechenland ist eines der ersten Länder in der Region, das von Rothschilds Großbritannien und Frankreich gegründet wurde, ein gelungenes Experiment der Zerstörung des Osmanischen Reichs und der Entstehung von Satelliten und Vasallen des Rothschildschen Westens. Als solches spielte – und spielt auch heute – eine kleine Rolle deren Eroberungs- und Zersetzungskriegen in Südosteuropa und dem Nahen Osten. Entweder militärisch oder medial.

In der Website katohika lesen wir: „Fernsehkanäle, Zeitungen, Magazine, Verleger, Internet stehen unter dem Einfluss jüdischer Familien und Geschäftsleute. Jeder Artikel in einer Zeitung, in jede Fernseh- oder Radiosendung und jede andere Aktivität in den Medien durchläuft der Verfeinerung und dem „Aussieben“ von Personen, die Vertreter jüdischer Interessen, also Anti -Griechen sind“ (Ανθέλληνες και Ρουφιάνοι – Antigriechen und Spitzel).

Das Ergebnis ist dann immer der vom Hegemon beabsichtigte Ordo ab Chao: „Auf Demonstrationen in Griechenland gehört ein Sprechchor fest ins Repertoire vieler Teilnehmer: Journalisten, Gesindel, Spitzel. Der Slogan ist nicht neu, schon vor den Krisenjahren war er gerade in der linken Protestszene fest etabliert. Aber seit das Land praktisch unter europäischer Insolvenzverwaltung steht, gelten die Journalisten, vor allem die der traditionellen Medien, als willfährige Komplizen der strengen Geldgeber“, schreibt Elisabeth Heinze in der ZEIT (Medien in Griechenland: Dann schreiben sie eben selbst).

Wenn dann die Kreditnehmer nicht funktionieren, werden ihnen die Kredite gekappt, sie gehen pleite und werden vom nächsten Willfährigen übernommen, der nach Meinung der Banken seine Arbeit ordentlich leistet. Und genau diese Medien waren es, die in den 50er und 60er Jahren die Buzukisierung Griechenlands nach Kräften gefördert haben. Hier einige von ihnen: Apogevmatini, Eleftheros Typos (GR), Etnos, Kathimerini/Kathimerini, imerisia, TA NEA, TO BHMA, Η NΑΥΤΕΜΠΟΡΙΚΗ (Naftemporiki) u.s.w.

In der fraglichen Zeit waren im zentralistischen Athen die Zeitungen ΤΟ ΒΗΜΑ und ΤΑ ΝΕΑ vorherrschend, die dem Lambrakis Press Group (DOL) gehörten, der damals einflussreichsten Zeitungsgruppe Griechenlands Δημοσιογραφικός Οργανισμός Λαμπράκη sowie die KATHIMERINI, die mit der US-Amerikanischen „International Herald Tribune“ kooperiert. Alle pflegen ein bürgerlich-demokratisches, linksliberales Image und sind  kulturlastig, haben eine Vorliebe zur klassischen Musik und zum Rebetiko, der als griechische Kultur verkauft wird. Zum DOL gehörte auch der Fernsehsender MEGA CHANNEL der 2017 wegen Verschuldung an das Unternehmen „Alter Ego“ des Reeders Evangelos Marinakis ging.

Eine ebenso wichtige Rolle zur Etablierung von Rebetiko- und Buzuki-Musik spielten auch die griechischen Ableger der US-Amerikanischen Schallplattenfirmen Columbia Records (Lambropoulos Brothers) und EMI, Multinational Universal Music Group (Minos Matsas). Spiros Peristeris,  der künstlerischer Leiter der COLUMBIA, hat einen maßgeblichen Anteil bei der Aufnahme und dem Verleih des Buzuki-Materials.

Nur Hilfe dieser Zeitungen und Schallplattenfirmen, des zu Ikone gemachten Mikis Theodorakis und der Haschischbrüder wie Tsitsanis und Vamvakaris und natürlich mit der maßgeblichen Unterstützung der inn- und ausländischen Politik, konnten die Rebetiko- und Buzukilieder die engen Gassen von Piräus verlassen und eine größere Öffentlichkeit erreichen….fand.die die Ikone des linkslastigen Mikis Theodorakis aufbauten und damit seine Musik zum politischen Instrument einer imaginierten Arbeiterklasse machten. Wie Dimitris Fergadis in seinem Buch „Aus Anlass von Columbia“ schreibt, haben die orientalischen Klänge der Flüchtlinge aus Kleinasien die griechische Musik in erheblichem Maße beeinflusst. Deren Musik wurde besonders gefördert von Minos Matsas und seinen Schallplattenfirmen Odeon und Parlophone, die er von seinen Landsleuten Abravanel und Benveniste aus Thessaloniki übernommen hatte. Minos Matsas war von Anfang an von Medienproduzenten aus den USA gefördert worden, später war es die Universal Music Group. Bis 1956 hatte er 149 Aufnahmen von Vertretern der Haschisch-Musik produziert.

Die Schallplatten von Columbia, His Master Voice (später in Columbia umbenannt), Odeon und Parlophone wurden in einer Anlage in Perissos (Athen) produziert. Giorgos Lambiris schreibt: „Die Künstler rauchten dabei Unmengen von Shit. Im Studio 3 war ein schwarzer Hund und die Künstler amüsierten sich, ihm den Shitrauch in die Schnauze zu blasen, den er gierig einsog. Sogar bei den Aufnahmen wurde ununterbrochen Haschisch geraucht“ (Γιώργος Λαμπίρης: „Das Phantom-Studio der Columbia“ – Το εργοστάσιο-φάντασμα της Columbia).

Die Filmverleiher sorgten dafür, dass die Kinos mit indischen Herz und Schmerz Filmen und indischer Musik a la Kazantzidis überschwemmt 1964  kam der Film „Alexis Sorbas“ unter der Regie von Michael Cacoyannis, der mit dem Syrtaki-Tanz von Mikis Theodorakis ein Welterfolg und mit drei Oscars ausgezeichnet wurde. Die Finanzierung dieses Films wird nirgends angegeben, Cacoyannis hatte vorher für die BBC in London gearbeitet, der Film wurde von der 20th Century Studios produziert, die damals der Walt Disney Company gehörten. Nicht zu vergessen auch die Rolle der BBC mit seinen Spezialdiensten zur Desinformation und Irreführung im Zweiten Weltkrieg und und griechischen Bürgerkrieg.

Epilog

Franklin Delano Roosevelt: „In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn es doch passiert, war es so geplant“.

Die Spelunken von Piräus und Thessaloniki mit ihren Kiffern und Koksern und deren Buzuki- und Jammermusik wären heute eher schon eine Touristen-Attraktion wie etwa St. Pauli in Hamburg, die die Griechen selbst vermutlich meiden oder als ein Rotlicht-Viertel betrachten würden.

Doch, wie wir gesehen haben, es kam alles anders. Der Hegemon aus der City of London und der Wall Street wollte seinen traditionellen Vasallen Griechenland aus der Welt der Slawen und aus dem politischen Einfluss Russlands/der Sowjetunion heraus halten und hat es mit einem Umerziehungs-Orientalisierungs-Programm zu einem Land des Nahen Ostens verwandelt, das mental so weit weg wie möglich von Osteuropa und Moskau – oder als deren Gegenpart liegen sollte.

Wozu er seine balkanesische Volksmusik an den Rand der griechischen Kultur verdrängte und die „leichte“ Musik der Belle Époque, die revolutionäre Musik der Partizanen während der Zeit der Besatzung und des anschließenden Bürgerkriegs und die kurze Zeit seiner musikalisch westlichen Orientierung in den 50er Jahren durch die Rebetiko- und Buzuki-Musik der Drogenabhängigen von Piräus ersetzte und nach den 60er Jahren massiv förderte.

Aus den Spelunken von Piräus wurden dann die  Skyladika, die Hundehütten, wo die billige Musik der Καψούρα Lieder, der Lieder mit der heißen oder unerfüllten oder verratenen Liebe und des vernarrt oder verknallt seins in Buzuki-Begleitung angeboten wird. Athen, Thessaloniki und auch fast alle mittleren und kleineren Städte haben ihre Skyladika, die das kulturelle Leben des modernen Griechenlands repräsentieren. Buzuki mit seinen orientalischen Klängen ist heute das Symbol des musikalischen Griechentums, selbst Weihnachtslieder mit Buzuki-Begleitung oder buzukispielende Kinder sind in Videos bei YouTube zu sehen, eine Schande.

So leben die Griechen heute in einer Buzuki- und Syrtaki-Blase, die sich dadurch bestätigt und verstärkt, dass die Touristen, die das komplett deindustrialisierte und von Tourismus lebende Griechenland besuchen, Buzuki-Musik und Rebetiko-Tänze erwarten. Die sie auch zuhauf bekommen.

So düster die Lage auch erscheinen mag, es gibt Hoffnung. Denn es ist möglich, im Zeitalter der Informationsüberflutung durch Internet-Recherche aus dieser primitiven Kulturblase auszubrechen. Nicht durch zusätzliche Förderung und Betonung der idealisierten Antike und der antiken Tempel, sondern durch Erlangung der Fähigkeit, die verschiedenen Aspekte der Medieninformation zu verstehen und kritisch zu bewerten.

Buzuki-Geschluchze und Sirtaki-Tanz haben in Griechenland bis heute kein einziges Problem gelöst.

Emmanuel Sarides  3. November 2020
Rubrik: Kultur, Musik, Bühne, Sport

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