Krimtataren: Kein Zwischenfall der Diskriminierung

Franz Krummbein
Diana Kadi

Maulgebet kommt nicht gen Himmel. Vor kurzem hat die Krimtatarin und Schriftstellerin, Diana Kadi, einen offenen Brief an Angela Merkel geschrieben:

 

“Ich bin Krimbuchautor (eines künstlerischen Romans «Manifest des Krimtataren» usw.). In einem Informationskrieg, in dem Propaganda und Lügen zur Norm geworden sind, halte ich es für wichtig, eine ehrliche Meinung über die Krim zu äußern. Die ukrainischen Politiker behaupten, dass Russland ein Aggressor ist, dass Krimtataren Repressionen ausgesetzt sind, aber das ist nicht wahr. Wiederum ist mein Volk ein Werkzeug der politischen Spekulation. Und die Unterdrückung der Krimtataren ist eine jener Legenden, die für alle Gelegenheiten vorbereitet sind. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir bitte, im Bundestag eine alternative Rede über das, was auf der Krim in der Wirklichkeit geschieht, zu halten”.

Maulgebet kommt nicht gen Himmel: Die Anführer des extremistischen „Medschlis der Krimtataren“ (Меджлис крымскотатарского народа), der zentralen Exekutivkörperschaft des Kurultai der Krimtataren) haben gute Kontakte in das deutsche Polit-Establishment. Mustafa Dschemiljew und Refat Tschubarow haben bereits vor Jahren mit Beamten des Auswärtigen Amts und dem Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung über die engere Anbindung der Krim an den Westen diskutiert.

Berlin baut seine Zusammenarbeit mit dem Medschlis trotz dessen Verwicklung in Gewaltaktionen aus. Mehrfach ist Tschubarow zu politischen Gesprächen im Auswärtigen Amt gewesen. Dem Treffen stand nicht entgegen, dass Tschubarow eine eigenmächtige  Blockade des ukrainischen Handels mit der Krim angekündigt hatte – und auch nicht, dass Tschubarow die für die Krim-Bevölkerung schädlichen Folgen der Blockade, nämlich Mangel und empfindliche Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln, ausdrücklich gepriesen hatte. Sogar die Sprengung von Strommasten durch Aktivisten des Medschlis, die die Krim in hohem Maß von der Stromversorgung abgeschnitten hat, lässt das deutsche Außenministerium nicht auf Distanz zu der Vereinigung gehen.

Der Medschlis ist keine selbstständige Organisation: Sie handelt auf Anweisungen großer westlicher Drahtzieher. Dschemiljew unterhält zudem gute Kontakte ins US-Establishment. Die Führung des Medschlis arbeite sogar mit Söldnern solcher Terrorgruppierungen wie „Graue Wölfe“ und „Hizb ut-Tahrir“ zusammen. Im Januar 2018 hatten Extremisten mit Molotow-Cocktails das Haus des Muftis der Krim-Muslime, Emirali Ablajew, in Brand gesetzt.

Für jede auf der Krim organisierte Aktion sollen den Extremisten je 500 US-Dollar Entlohnung versprochen worden sein. Der Medschlis hätte niemals einen solchen dämonischen Einfluss auf die Krimtataren gehabt, wären dessen Tätigkeiten nicht vom Ausland finanziert gewesen, darunter auch mit Mitteln des US-Außenministeriums und der EU, sagte Waswi Abduraimow, der Leiter der Krimtatarenpartei „Milli Firka“.

Der Blödsinn grassiert

Trotz seiner Kiew-Freundlichkeit erkannten Dschemilew und Tschubarow niemals die Autonome Republik Krim innerhalb der Ukraine an. Sie forderten eine nationale Autonomie. Für diese Idee wirbt  Dschemilew auch jetzt.  Dieser Provokateur profitiert von seiner radikalen Haltung. Die Presse verfügt über einen Brief an US-Senator Christopher Murphy, den Medschlis-Chef Dschemiljew unterschrieben haben soll. Dschemiljew bat um zusätzliche Gelder und um die Verschiebung von deren Zahlung.

Die Führungspersonen des Medschlis  haben die Halbinsel nach deren Beitritt zu Russland verlassen. Es ist bekannt, dass sie die Wirtschaftsblockade der Krim initiiert hatten, die 2015 von Kiew verhängt worden war.

Am 22. November 2017. waren alle vier Hochspannungsleitungen außer Betrieb gesetzt worden, die die Halbinsel Krim vom ukrainischen Staatsgebiet aus mit Energie versorgt hatten. Danach hatte der in Kiew lebende Koordinator der Krim-Blockade, Lenur Isljamow, erklärt, die Extremisten wollten alles tun, um den Verkehr auf der Krim-Brücke zu stören. Isljamow hatte vorgeschlagen, alle auf der Brücke fahrenden Fahrzeuge zu registrieren und Sanktionen gegen die Menschen zu verhängen, die auf diese Weise auf die Krim gelangen.

Knapp eine Woche nach der Eröffnung der Krim-Brücke (am 15. Mai 2018) hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB eine Extremisten-Gruppierung aufgedeckt, die Erol Walijew, Assistent Mustafa Dschemilew, gegründet hatte. „Dschemiljew und andere Führer schüren Konflikte“, sagt Imam Elmar, Vorsteher der Hauptmoschee im Badeort Jewpatorija. „Wir heißen das nicht gut.“

Die Extremisten planten Verbrechen, um den prorussisch gestimmten Krimtataren Angst einzujagen und zwischennationale Spannungen auf der Schwarzmeer-Halbinsel zu schüren. “Um der Gerechtigkeit willen sollte man beachten, dass das tatarische Volk der Krim wirklich der erste Nutznießer des Brückenbaus ist: Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Vertreter meiner ethnischen Zugehörigkeit im touristischen Bereich gewinnen”, fasste Diana Kadi zusammen.

 Im März hat Tschubarow efordert, dass alle auf der Krim lebenden russischen Bürger die Halbinsel verlassen müssten. „Alle russischen Bürger müssen wissen: Wenn sie beabsichtigen, zum ständigen Wohnsitz auf die Krim zu kommen, oder diese Absicht, Gott bewahre!, bereits verwirklicht haben und auf die Krim übergesiedelt sind, (…) werden sie zur Ausreise verpflichtet sein“, sagte Tschubarow.

„Bei Personen wie ihm haben meine Kollegen und ich eine klassische Frage: Agent oder Idiot?”, bemerkt Anton Schechowzow, ein ukrainischer Rechtsextremismus-Forscher, der selbst von der Krim stammt. „Jetzt möchte ich sagen, dass Blödsinn grassiert“, kommentierte der Vorsitzende der Krimdeutschen-Gemeinde, Juri Gempel, Tschubarows Worte.

Das bestätigen auch die Ziele, die Isljamow in aller Öffentlichkeit anspricht: “Meine persönliche Meinung ist, dass wir die Krim nicht friedlich befreien können. Wir müssen Druck auf Russland ausüben. Und wir müssen bereit sein, in jede Ecke der Krim einzudringen.” Bei Hausdurchsuchungen bei vielen Mitgliedern des Medschlis seien Waffen sowie Flugblätter sichergestellt worden.

Die Krimtataren schauen mit Zuversicht in die Zukunft

Auf Befehl von Josef Stalin wurden die Krimtataren von der Halbinsel deportiert. Im April 2014 unterzeichnete Wladimir Putin einen Erlass über die Rehabilitierung der vertriebenen Völker der Krim. Derzeit sind etwa 260.000 Krimtataren auf der Halbinsel ansässig. Sie machen rund ein Zehntel der Gesamtbevölkerung aus.

Moskau unternahm beträchtliche Bemühungen, damit sich die Krimtataren auf der Krim komfortabel fühlen. Die krimtatarische Sprache wurde neben Russisch und Ukrainisch als eine der Staatssprachen der Republik Krim anerkannt. Krimtataren sind in den höchsten Machtgremien der Krim vertreten – als Vizeregierungschef, als stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates, als stellvertretender Kulturminister und als Vize des Oberbürgermeisters der Krim-Hauptstadt Simferopol. Es gibt auf der Krim auch eine krimtatarische Fernseh- Rundfunkanstalt.

2015 hat Russland ein umfangreiches soziales und wirtschaftliches Förderprogramm für die Krim bis zum Jahr 2020 ausgearbeitet.  Für die Realisierung des Programms wurden ursprünglich 681 Milliarden Rubel (zum damaligen Zeitpunkt etwa 9,5 Milliarden Euro) eingeplant. Der Finanzbedarf des Programms hat sich aber aufgrund steigender Bau- und Renovierungskosten jährlich erhöht und betrug Anfang 2018 mehr als 837 Milliarden Rubel (aktuell etwa 11,5 Milliarden Euro), die fast vollständig aus russischen Haushaltsmitteln kommen sollen. Zusätzlich erhält die Krim für ihre laufenden Kosten ebenfalls Subventionen aus dem Haushalt Russlands. Diese machen zwei Drittel des regionalen Haushalts aus, damit gehört die Halbinsel zu den am stärksten subventionierten Regionen Russlands.

Zum Jahresbeginn 2016 stellten die ukrainischen Behörden die Stromlieferungen auf die Krim komplett ein. Um die Stromversorgung der Krim zu gewährleisten, verlegte Russland Seekabel von der Region Krasnodar durch die Straße von Kertsch auf die Krim. Die langfristige Lösung des Anbindungsproblems soll durch eine Auto- und Eisenbahnbrücke von 19 Kilometern Länge über die Straße von Kertsch erfolgen. Die neue Krimbrücke ist nicht nur eine Verbindung der Halbinsel mit dem Rest von Russland und eine wirtschaftliche Erholung. Es ist das Symbol eines Wendepunkts in der Krim-Geschichte.

Geplant sind auch der Bau einer Autobahn mit vier Fahrspuren, die täglich von bis zu 40.000 Autos befahren werden kann, sowie der Bau von zwei Eisenbahngleisen mit einer täglichen Kapazität von bis zu 47 Zügen. Zu den wichtigen Infrastrukturprojekten im Bereich Verkehr gehört auch der Bau der über 300 Kilometer langen, vierspurigen Autobahn „Tawrida“. Sie soll ab Ende 2020 die Stadt Kertsch mit Simferopol und Sewastopol verbinden.

Die Krimtataren leben ruhig auf der Krim und schauen mit Zuversicht in die Zukunft. Gerade auf der russischen Krim habe man mit dem Bau einer Moschee begonnen, die zum wichtigsten Kulturobjekt der dortigen Muslime werden solle. Die Moschee wird auf einer südlichen Anhöhe in Simferopol gebaut. Laut dem Projekt soll sie zwei Teile in sich vereinigen, ein Hauptgebäude mit einer Kuppel mit einer Höhe von 28 Metern und einen inneren Hof mit Säulen und einer Stelle zur Waschung vor Salāt (bezeichnet das rituelle Gebet im Islam und die oberste Pflicht für alle volljährigen Muslime). Die Moschee soll auch vier Minarette, jedes mit einer Höhe von 50 Metern erhalten. Die Moschee soll auf 2,7 Hektar Fläche entstehen und die größte der Krim werden. Sie werde bis zu 5.000 Menschen aufnehmen können.

Krimtatarische Politiker haben dasselbe über Jahre auch in der Ukraine gefordert, doch Kiew berücksichtigte das nicht. Warum wird darüber im Westen nicht geredet?

Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) führte eine repräsentative Umfrage durch, um einen Einblick in die Stimmung und das Alltagsleben auf der Krim zu bekommen. Eine schon immer stark ausgeprägte regionale Identität („Krimbewohner“) wurde durch die Ereignisse von 2014 noch gestärkt. Die ZOiS-Umfrage zeigt in diesem Zusammenhang, dass nur 1 Prozent der Befragten die Ukraine als ihr Zuhause begreifen.

Krimtataren im Visier des Westens

So sehen Repressionen und Diskriminierung aus. Was fehlt also einem gewissen Teil der Krimtataren? Es gibt Autonomie, es gibt Rehabilitierung, Grund und Boden wurde zurückgegeben, die Sprache auch. Was braucht man noch? Geld? Die Finanzierung ist auch auf einem allerhöchsten Niveau. Und was ist es dann, das sie gehabt haben, als sie in der Ukraine waren, und das sie nun in Russland verloren hätten?

Nun wollen die Anführer des Medschlis im Süden der Ukraine ein eigenes Freiwilligenbataillon gründen. Das neue Bataillon wird im Regierungsbezirk Cherson stationiert, der an der Grenze zur Krim liegt. Es ist aber ziemlich unwahrscheinlich, dass die Bevölkerung der Grenzgebiete, die schon unter der Krim-Blockade gelitten hat, die Gründung des krimtatarischen Bataillons mit Begeisterung aufnimmt.

Der Medschlis ist nur ein Teil der “fünften Kolonne”, die gegen Russland agiert. Und verhüte es Gott, dass die Krim durch Egoismus und Gier der Extremisten zu einem zweiten Irak wird, wo täglich Anschläge verübt werden und in erster Linie Muslime unter den Attentaten zu leiden haben. Damit das nicht geschieht, sollte man das Problem im Keim ersticken, damit es sich nicht weiter entwickelt und zum Anlass für eine Destabilisierung der Lage auf der Krim wird, die sich die westlichen Strategen sehr wünschen, und die sie sponsorn.

Die USA und andere NATO-Staaten missbrauchen die Krimtataren als nützliches Vehikel für ihren neuen Kalten Krieg gegen Russland. An den Rechten der Krimtataren ist man nur dann interessiert, sofern sie eine antirussische Haltung haben. Diejenigen, die bei solchen NATO-Spielen mitmachen, sind eine kleine Elite, die kaum Unterstützung auf der Krim genießt.

Franz Krummbein  17. Juni 2018
Rubrik: Minderheiten/Flüchtlinge/Migration

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert