Putin und die Kurilen-Inseln

Franz Krummbein
Verkauft?

Gorbatschow und Jelzin kehren zurück

Japans Premier Shinzu Abe hat während Verhandlungen mit Wladimir Putin erklärt, dass im Fall der Übergabe eines Teils der südlichen Kurilen-Inseln an die japanische Seite dort keine US-Stützpunkte stationiert würden. Abe versichert: “Präsident Putin und ich werden diese Sache zu Ende bringen.”

Erst 1991 erkannte Gorbatschow die Existenz eines zu klärenden „territorialen Problems“ an. Nun meldete sich auch der Kreml zu Wort: Putin-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, hypothetisch sei selbst die Aufgabe von zwei Inseln (In Wirklichkeit: Schikotan und Habomai, eine Inselgruppe von 7 großen Inseln und mehrere kleine – F.K.) nur zu gewissen Konditionen möglich. Als wichtigste Bedingung nannte er dabei Garantien, daß auf den dann japanischen Inseln keine US-Stützpunkte errichtet würden. (Siehe die Zusage an Gorbatschow, keine Nato Truppen im ehemaligen Ostblock zu stationieren. „Papier ist geduldig“).

Vorher schrieb die Zeitung „Asahi Shimbun“, dass Ende 2016 der Generalsekretär des Sicherheitsrates Japans, Yachi Shotaro, bei den Verhandlungen mit seinem russischen Amtskollegen Patruschew auf die Frage nach einer Stationierung der US-Stützpunkte auf den südlichen Kurilen-Inseln diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen habe.

Fortan herrschte auf den Kurilen ein Zustand dauernder Unsicherheit.

Derzeit erwähnte Putin auch die historische Entscheidung über die Grenzfrage zwischen Russland und China. “Nur dank dem gegenseitigen Vertrauen” sei am 14. Oktober 2004 ein Abkommen zwischen Russland und China verabschiedet worden, laut dem die Tarabarow-Insel und die Hälfte der Bolschoi Ussurijsk-Insel an China übergeben werden konnten. Zum Schaden Russlands! Die Verhandlungen sollen insgesamt 40 Jahre gedauert haben.

Einen prinzipiellen Unterschied zwischen den Verhandlungen mit Japan und China gebe es jedoch: Die japanische Frage sei nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und gesetzlich in entsprechenden Dokumenten fixiert worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel der gesamte Inselbogen der Kurilen gemäß den Beschlüssen von Jalta an die Sowjetunion. Die Beschlüsse der Konferenz von Jalta betrachtet Japan nicht als rechtsgültig.

Der Gebietsstreit resultiert aus dem Friedensvertrag von San Francisco (1951). Die Sowjetunion unterzeichnete den Vertrag nicht, auch bedingt durch den Koreakrieg. Der Vertrag stellt in Artikel 2(c) fest, „dass Japan alle Rechte, Titel und Ansprüche aufgibt bezüglich der Kurilen und des Teils von Sachalin und ihm benachbarter Inseln, die Japan im Vertrag von Portsmouth 1905 abgetreten worden waren“.

„Falls die Folgen des Zweiten Weltkrieges von jemandem revidiert werden“, so Putin, „sollten dabei nicht nur auch Kaliningrad, sondern ebenso die östlichen Territorien Deutschlands, Lwiw, welches ein Teil Polens gewesen war, berücksichtigt werden. Ein solcher Ansatz würde eine Büchse der Pandora öffnen”, sagte Putin in 2016. Jetzt redet er nicht mehr darűber.

Japan forderte die südlichen Kurilen-Inseln seit langem zurück. Jetzt scheint Tokio sein Verhalten geändert zu haben und in erster Linie die am wenigsten besiedelten Schikotan und Habomai zurückgewinnen zu wollen.

Die Kurilen sind eine etwa 1200 Kilometer lange Inselgruppe zwischen Russland und Japan (etwas mehr als 18.000 Einwohner). Wie an einer Perlenschnur aufgereiht zieht sie sich zwischen der japanischen Insel Hokkaido und dem russischen Kamtschatka im Pazifik entlang. Dabei geht es um folgende Inseln: Iturup: 3.184,0 km², Kunaschir: 1.498,8 km², Schikotan: 253,3 km², die Insel-Gruppe Habomai: 99,9 km². Kunaschir und die Habomai-Inseln liegen unmittelbar vor der japanischen Küste: Kunashir ist ca. 10 km, eine der Habomai-Inseln ist knapp 4 km von der Insel Hokkaido entfernt.

Heute sicherten diese Inseln den einzigen freien Zugang der russischen Flotte zum Pazifik.  Vielmehr geht es hier um das Ochotskische Meer: Denn durch die von Russland besetzten Kurilen ist das Meer abgeschlossen und wird zum Territorium von Russland gerechnet. Würden die Südkurilen an Japan fallen wäre das Ochotskische Meer offen und somit internationales Gewässer. Was das dann für die russische Fischerei aber besonders für die Gas und Erölvorkommen heißen würde ist wohl jedem klar.

Die geheimnisvollen Kurilen sind ein Paradies auf der Erde. Insgesamt gibt es mehr als 150 Vulkane auf den Inseln, von denen 39 tätig sind. Der höchste von ihnen ist der Alaid Vulkan – 2339m, der auf der Atlasow Insel liegt. Mit der vulkanischen Tätigkeit ist die Existenz vieler Thermalquellen verbunden, einige von ihnen sind therapeutisch.

Die Fachleute vergleichen die Kurilen mit einem riesigen botanischen Garten, wo die Vertreter verschiedener Floren Nachbarn sind. Hier wachsen zusammen Polarbirke, Lärche, Tanne und wilder Wein, Zederdecke und Samtbaum, das Geflecht der Baumlianen und Teppichgestrüppe von Preiselbeeren. Auf den Inseln reisend kann man aus der jungfräulichen Taiga in die subtropischen Gestrüppe, aus der Moostundra in die Dschungel der gigantischen Grässer geraten. Der Meeresgrund um den Archipel herum ist mit dichter Vegetation bedeckt, in Geflechten von deren finden die Zuflucht zahlreiche Fischen, Muschel, Meerestiere.

Wirtschaftlich sind die Inseln wegen des kalten Kurilenstroms reiche Fischgründe. Kaum berührte Wälder locken die Holzwirtschaft. Ob sie tatsächlich über jenen fabelhaften Mineralreichtum verfügen, der ihnen nachgesagt wird, ist noch ungeklärt.

Die Befürchtung ist groß, dass die Schätze der rohstoffreichen Region einfach verschenkt werden.  Juri Trutnew, Bevollmächtigter des Präsidenten im Föderationskreis Ferner Osten, versteht solche Sorgen, sagt aber auch, dass dieser Schritt notwendig ist, denn „um in Harmonie zu leben, muss man zusammenarbeiten” – zum Ergötzen der Zuschauer in Washington. Rußland ist der nach allen Umfragen bei weitem unbeliebteste Nachbar der Japaner. Über 85 Prozent bekunden bei Meinungsumfragen regelmäßig, „unfreundliche Gefühle“ gegenüber Rußland zu hegen, so  “Junge Freiheit”.   

Die Inseln sind jetzt Russisch – Punkt”

Die russische patriotische Opposition verweist darauf, dass die Südkurilen nach der Kapitulation des japanischen Kaiserreichs im Zweiten Weltkrieg der Sowjetunion überlassen wurden, so dass sich Russlands Souveränität in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht über sie erstreckt. Viele Aktivisten agitieren gegen den Ausverkauf der mit hohen Opfern errungenen Muttererde im Fernen Osten. “Ich sehe keine Gründe, die Russland zu einer Übergabe der Inseln an Japan treiben würden”, meint der Präsident des Instituts für Nationale Strategie, Michail Remisow. Tokio biete für die Inseln “nur Luft”, und das Fehlen eines Friedensvertrages hindere beide Staaten nicht an der Entwicklung ihrer Beziehungen.

Aber die Putin-Fans tun anderes, wenngleich mit knirschenden Zähnen und Bedenkenträgermiene. Die Moskauer Fachzeitschrift „Russland in der globalen Politik“ lobte Abe für seinen „Mut“. “Was haben wir denn schon von diesen Inseln”, fragen Russen und deren Medien ganz besonders in diesen Tagen, schreibt “Neues Deutschland”. Die Kurilen seien doch nur dünn besiedelte unwirtliche Eilande im ungastlichen Ozean.

Laut einer japanischen Regierungsquelle soll der Territorialstreit gelöst werden, „solange Putin an der Macht ist“. “Mit seiner autoritären und vom Großteil der Bevölkerung unterstützten Außenpolitik wird Putin auf keinen Widerstand stoßen. Der mögliche Abschluss des russisch-japanischen Friedensvertrages wäre für Putin ein weiterer diplomatischer Erfolg”, berichtete zdf.de.

Deutsche Sputnik-Leser haben eine ganz andere Meinung:

Max Guenther. Die Inseln sind jetzt Russisch – Punkt. Es wird immer findige Anwälte im Westen geben, die die Russen wieder auf Kreuz legen können. In dieser Beziehung sind die Russen einfach Lehrlinge und die Angelsachsen die Weltmeister.

Otto Kreuzer. Korea war auch mal japanische Kolonie, und wurde den Japaner als Strafen für die Verbrechen im WK II. weg genommen. Genau das gilt auch für diese Inseln. Japan hat durchaus schlimmere Verbrechen begangen, die bis heute nicht aufgearbeitet sind. Dann wollen wir unsere Gebiete (Schlesien, Ostpreußen usw.) auch zurück haben, und nicht nur wir. Diese Forderungen werden doch sicher vom Ami angetrieben, um Raketenabwehr zu installieren.

Peter Heiduschka. Japan ist immer enger Verbündeter der USA, um nicht zu sagen Vasall. Deshalb sollte Russland irgendwelchen Zusicherungen nicht glauben. Japan würde das Blaue vom Himmel versprechen, nur um wieder einen Fuß auf die Kurilen setzen zu können. Japan hat die Inseln als Ergebnis des 2. Weltkrieges verloren, und damit ist Punkt.

Reinhard Kreis. Eine Zusage von Verbündeten der USA hat Null Wert. Hat das den Ami schon einmal von etwas abgehalten!? Es wäre sehr unklug Territorium weg zu geben, die Russen würden dies Putin nie verzeihen. Man könnte die Sache besprechen, wenn die USA alle ihre Stützpunkte in Japan, Korea und im Chinesischen Meer dauerhaft geschlossen haben und Russland auf den Kurilen Militärstützpunkte behalten darf.

Olaf L. Hartmann. Wenn Abe weg ist werden die Japaner sowieso eine US-Basis errichten.

Gabriel Meingold. Die Kurilen sind strategisch so wichtig, so dass diese besser niemals aus Russischer Hand gegeben werden sollten.

Rudi Di. Gobartschow haben die damals auch versprochen, die NATO nicht weiter nach Osten zu erweitern und wie wir sehen, darf man in der Politik nichts glauben. Zumal sich die NATO und ihre Mitglieder komplett diskreditiert hat und keinen einzigen Grund liefern kann, warum man ihr glauben darf/sollte.

Bernd Kuehntopf. Japan zu vertrauen ist wie das eigene Ersparte der Mafia zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Ein Idiot, wer diesen „Zusagen“ Glauben schenkt.

Fred Kopanski. Bei Übergabe der ersten Insel wäre sofort die Schiffart für Rußland gesperrt, durch das Pack aus Übersee.

Jan Haman. Gut, wenn das jetzt so laufen soll, dann kann ja Russland die Rückgabe von Alaska fordern, und Deutschland die Rückgabe der verlorenen Ostgebiete einschließlich Königsberg.

Ozren Jovic.  Ich hoffe dass die Russen nicht so blöd sind.

Paul Wecker. Der Status dieser Inseln wurde nach dem WK II festgelegt, und es war die Folge für die Verbrechen der Japaner.

Das gefährliche Spiel von Putin

1956 hatte sich Nikita Chruschtschow bereit erklärt, im Falle eines Friedensvertrages die Inseln Schikotan sowie die Habomai-Gruppe an Japan zu übertragen. So sollte Japan im Tausch gegen die Inseln von seinem Territorium alle US-amerikanische Militärbasen entfernen und ein neutrales Land werden. Aber am 27. Januar 1960 – in Zusammenhang mit dem Vertrag zwischen Japan und den USA, nach dem die USA ihre militärische Infrastruktur auf den japanischen Inseln praktisch uneingeschränkt ausbauen durften – weigerte sich Moskau, vor Schließung eines vorgesehenen Friedensvertrags, mit der Begründung, dass durch die massive Präsenz der US-amerikanischen Truppen Japan kein souveräner Staat bliebe.

Die Erklärung von 1956 ist aufgehoben. Aller Logik zum Trotz erklärte Putin, diese Erklärung treffe keine Aussagen über die legalen Umstände der Inselrückgabe und die entsprechende Prozedur.

Einige Beobachter verdächtigen die Führung in Moskau, sie hege die Illusion, über einen japanischen Hintereingang in die westliche Welt zurückkehren zu können. Sie hoffe auf Investitionen in die russische Wirtschaft, doch befinde sich Japan selbst in einer Krise. Japan stagniert. Das Problem sind nämlich die riesige Staatsschulden, welche Japan hält. Denn damit können eher die Amerikaner Japan erpressen als andersherum.

Zwar gab es 1855 und 1875 Grenzverträge zwischen Moskau und Tokio. Sie überließen die Kurilen zunächst teilweise, dann vollständig Japan. Doch die Verträge brachten den Inseln keinen Frieden. Erst der japanisch-russische Krieg führte zur Entscheidung für Japan und ermöglichte die Besiedelung durch japanische Fischer.

Auf die Verträge von 1855 und 1875 gründet Japan noch heute seinen Anspruch auf die Kurilen. Zwar hat Japan mit dem Friedensvertrag von San Francisco im Jahr 1951 alle Rechte an Moskau abgetreten, betonte “Die Zeit” (18. 09. 1992). Doch nun behauptet Tokio spitzfindig, die fraglichen Inseln hätten niemals zu den Kurilen gezählt.

Die USA bekräftigten dies in einer Note an die UdSSR, die feststellte, dass das Wort „Kurilen“ im Vertrag von San Francisco und im Abkommen von Jalta die Habomai-Inseln, Schikotan, Kunaschir und Iturup nicht einschließe und dass solch ein Einschluss auch nicht beabsichtigt gewesen sei. Japan unterstreicht diese Auffassung auch durch seine Bezeichnung der vom Konflikt betroffenen Inseln als Nördliche Territorien anstatt als südliche Kurilen. Inzwischen veröffentlichte die New York Times  1992 einen Artikel, deren Autor die juristische Basis der japanischen Ansprüche als „ziemlich schwach“ bezeichnete: https://www.nytimes.com/1992/07/18/opinion/IHT-tokyos-claim-to-the-kurils-is-shaky.html

Professor Haruki Wada, Rußlandexperte der Todai-Universität in Tokio, wirft seiner Regierung vor, die Weltöffentlichkeit ganz bewußt zu täuschen. Laut Wada würden die Originalverträge von 1855 sowohl in der japanischen wie in der russischen Fassung keine eindeutige Definition der Kurilen enthalten. Lediglich die vom japanischen Außenministerium angefertigte englische Übersetzung der Vertragstexte stütze die japanische Auslegung. „Die Beweisführung belegt“, so Wada, „wie sehr die japanische Regierung immer noch ein Gefangener des Kalten Krieges ist.“

„Moskau handelt nicht mit Territorien“, sagte Putin zum Thema Kurilen. Nein, das ist es eben nicht. Wenn Putin dem Druck der jüdiischen Oligarchen  nachgibt und auf die Inseln verzichtet, ist die Büchse der Pandora geöffnet. Auch die Chinesen werden dann Gebietsansprüche im Fernen Osten anmelden. Russland, sei nicht dumm und vertraue niemandem außer dir selbst, du wurdest oft genug verarscht, riskiere es nicht!

Franz Krummbein  29. Dezember 2018
Rubrik: Balkan/Osteuropa/Kaukasus

4 Gedanken zu „Putin und die Kurilen-Inseln“

  1. RU sollte weder den Japsern noch den USA trauen, denn die Einen könnten von den Anderen erpresst werden – und das nicht zum ersten Mal.

  2. Russland Bedingung zur Abgabe der Kurilen-Inseln sind übrigens die Souverenität Japans. Japan ist derzeitig besetzt und hat wie Deutschland keinen Friedensvertrag. Das ist übrigens der Hintergrund, welcher im Westen verheimlicht wird.

  3. Die Amerikaner brechen Verträge, lösen Verträge einseitig auf, halten sich nicht an Zusagen, mit anderen Worten kann man ihnen nicht trauen. Egal was jetzt abgesprochen werden könnte oder vertraglich Festgeschrieben würde, je nach Interessenslage wird es gebrochen werden. Japan ist besetzt durch die USA und muss sich deren Vorgaben beugen.

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