Wenn Israel-Kritik obligatorisch als Antisemitismus kriminalisiert wird Von Evelyn Hecht-Galinski

Evelyn Hecht-Galinski

Wo momentan wieder massiv die mediale Maschinerie der Dämonisierung von Putin und Erdogan in Gang gesetzt wurde, wundert man sich über die Schweigsamkeit gegenüber Netanjahu nach den israelischen Wahlen.

 

Diese zeigten noch einmal deutlich in erschreckender Weise, dass der „Jüdische Staat“ nicht gewillt ist, die Besatzung Palästinas aufzugeben. Die Besatzer haben sich mit zionistischem Hochmut in diesem jüdischen Apartheidstaat gut eingerichtet. Zumal sie von Seiten der so genannten „Wertegemeinschaft“ auch keinen Druck befürchten müssen, diesen illegalen Zustand zu ändern. Die jüdischen Bürger fühlen sich ethnisch überlegen – nach der ethnischen Säuberung Palästinas.

Westliches Feuer wegen eines russischen Angebots

Während Russland und Präsident Putin für eine angebliche „hybride Kriegsführung“ beschimpft wird, weil er nach der Wahl in der Ukraine einen Erlass unterzeichnete, wonach die Bürger der „Volksrepubliken“ in der Ostukraine russische Pässe ohne die üblichen Vorbedingungen erhalten sollen. Auch denke man darüber nach, ukrainischen Bürgern generell die russische Staatsbürgerschaft anzubieten, unter der Voraussetzung, sie beherrschen die russische Sprache. Schon ging das westliche Feuer los und die EU und die USA kritisierten diesen Vorschlag als Schlag ins Gesicht gegen die „Friedensbemühungen“ in der Ostukraine.

Da fragt man sich schon, welche Friedensbemühungen eigentlich gemeint sind? Erinnern wir uns an die Milliarden Summen der USA im Vorfeld des Ukraine Aufstands, an die Nato-Osterschleichung, und die Anstrengungen, die Ukraine auf „Nato-Kurs“ und EU-Beitritt zu bringen. Alles das war für Russland ein Affront sondergleichen, der mit der Wiedereingliederung der Krim beantwortet wurde, ein mehr als verständlicher Schritt, der durch ein Volksreferendum bestätigt wurde. Was also liegt näher, als den ukrainischen Bürgern diese Erleichterungen anzubieten? Schließlich steht es jedem frei, darauf einzugehen.

Kein westliches Feuer nach Annektionen des „jüdischen Staates“

Demgegenüber hat der „Jüdische Staat“ den syrischen Golan seit dem „Sechstagekrieg“ 1967 besetzt und seit 1981 annektiert, ohne großes Geschrei von Seiten der „Wertegemeinschaft“. Kein Wunder also, dass der „jüdische Staat“ dieses illegal besetzte syrische Gebiet nun zum ewigen „Eigentum“ des „jüdischen Staates“ erklärte. Zwar gegen geltendes Völkerrecht, aber durch Trumps Dekret bestätigt, mit dem die USA die Zugehörigkeit der syrischen Golanhöhen formell zu Israel gehörend anerkennen. Trump verteidigte seinen weiteren Tabubruch nach der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und rechtfertigte ihn als konsequenten Schritt in Fortführung seiner Politik. Er brüstete sich sogar noch damit, dass er all das mache, was andere US-Präsidenten vor ihm auch schon in Betracht gezogen hatten, sich aber nicht gewagt hätten. Netanjahu konnte nichts Besseres passieren als dieses „giftige“ Wahlgeschenk, das ihm mit zu seiner Wiederwahl verhalf. Wie hier von Trump die jüdische Besatzung legitimiert und das Völkerrecht mit Füßen getreten wurde, spottet jeder Beschreibung und ist eine Provokation gegenüber der tatenlosen Staatengemeinschaft. Diese unglaubliche Verletzung der syrischen Souveränität reiht sich ein in den uneingeschränkten Hegemonie-Anspruch der USA und ihres jüdischen Vasallen im Schlepptau.

Zwar kritisierten die EU und auch Deutschland diese Entscheidung, betrachten aber immerhin die Golanhöhen weiter als besetztes Gebiet und erkennen eine Souveränität Israels nicht an, wie eine EU-Sprecherin betonte. Durch diese formelle Anerkennung der Golanhöhen und der etwa 20.000 israelischen Bewohner als zum „Jüdischen Staat“ gehörend, verstießen die USA gegen eine UN-Sicherheitsratsresolution, die sie 1981 selbst mit verabschiedet hatten. Hier zeigt sich erneut, dass die USA unter Trump nicht mehr bereit sind, Verträge, Beschlüsse, Völkerrecht oder Menschenrechte anzuerkennen, sondern nur noch nach der selbstherrlichen Trump’schen „Dealer-Politik“ regiert werden. Als Partner sind sie also vollkommen untauglich, was endlich mit einer konsequenten Gegenantwort quittiert werden sollte.

Außerordentlicher Einfluss der Israel-Lobby

Kritik am „Jüdischen Staat“ wird zwar milde geübt, bleibt jedoch ohne Wirkung, weil es hier im Gegensatz zu Russland keinerlei Sanktionsandrohungen, geschweige denn Strafandrohungen gibt. Während also bei Russland jedes Mittel recht ist, um eigene Macht- Politik durchzusetzen, versagt dieses wichtige Instrument beim Umgang mit dem „Jüdischen Staat“ völlig. Warum gelingt das diesem Apartheidstaat so gut? Weil, und das muss erneut angesprochen werden, die Israel-Lobby über einen so außerordentlichen Einfluss besonders in den USA, aber auch weltweit vernetzt, verfügt. Mit der unverhohlenen Instrumentalisierung und Nutzung der Opferrolle, mit immer wiederkehrendem Holocaust Bezug als Drohmittel, schafft es der „Jüdische Staat“ immer wieder, seine Kritiker zu kriminalisieren und zum Schweigen zu bringen. Kritik als Antisemitismus zu brandmarken, hat sich in den letzten 20 Jahren zu einer so erfolgreichen Strategie entwickelt, dass es schon beängstigend ist, wie sehr sich dieses Angstklima medial und politisch ausbreitet.

Tatsächlich ist die „Einmaligkeit“ dieses jüdischen Besatzerstaats erschreckend, gibt doch die „moralischste“ aller jüdischen „Verteidigungsarmeen“ ganz offen zu, dafür da zu sein, die Siedlungen im besetzten Westjordanland zu schützen, das besetzte Jerusalem zu judaisieren, mit allen Mitteln. Diese mörderischen Soldaten melden sich freiwillig und scheuen sich nicht, Palästinenser zu töten, auf Jugendliche, Sanitäter oder Alte und Frauen zu feuern oder sie sogar im hilflosen und gefesselten Zustand „auf der Flucht“ zu erschießen, vielfach in den Rücken. Sie genießen es, wenn sie die Besetzten in Angst und Schrecken in Schach halten, was diese Armee in der jüdischen Bevölkerung so beliebt macht. Palästinenser sind verbitterte Opfer, die, aller Rechte beraubt, hilflos zusehen müssen, wie man ihr Land raubt, ihre Häuser zerstört und die man spüren lässt, wie nichtig sie sind. Der Palästinenser „zählt und wählt“ nicht. Auch das trug dazu bei, dass immer weniger israelische Palästinenser wählen gingen, auch dank Einschüchterungsversuchen, wie Likud-Kamera-Überwachung. Das Ergebnis war danach ganz nach Wunsch des Netanjahu-Regimes.

Israels Politik der Vernichtung und der ethnischen Säuberung

Erinnern wir uns an die T-Shirts israelischer „Verteidigungssoldaten“, die Aufdrucke hatten, wie zum Beispiel eine schwangere Palästinenserin mit einem Fadenkreuz über dem Bauch und dem menschenverachtenden Slogan „One shot, two kills“. Ebenso wie die rassistischen Sprüche der ehemaligen Justizministerin Shaked, man solle Palästinenserinnen und ihre „Brut“ töten, ebenso wie die rassistischen Siedlerschmierereien, „Tod den Arabern“ und Morde, die immer vertuscht und immer so gut wie ungesühnt bleiben. Braucht es noch einen stärkeren Beweis dafür, dass die jüdische Besatzungspolitik gegenüber den Palästinensern eine Politik der Vernichtung und der ethnischen Säuberung ist?

So ergab eine neue Umfrage, dass die Mehrheit der jüdischen Israelis die Gründung eines palästinensischen Staates ablehnt. Eine Mehrheit von 53 Prozent dieser Gruppe lehnt auch eine Konfliktlösung ab, die auf Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates neben dem „Jüdischen Staat“ basiert. Nur magere 22 Prozent der Juden glauben noch an die Gründung eines palästinensischen Staates. Inzwischen hat das Thema Annexion so an Bedeutung gewonnen, seit Netanjahu sein Wahlversprechen abgab, Teile des besetzten Westjordanlandes zu annektieren und keine koloniale Siedlung aufzulösen.

„Deal of the Century“ nach Ramadan?

Diese Provokation fasste er in diese Worte: „Ich werde die Souveränität des ‚Jüdischen Staates‘ auf das Westjordanland ausdehnen und nicht zwischen den Siedlungsblöcken und den isolierten Siedlungen unterscheiden.“ Die meisten dieser Siedlungen befinden sich im so genannten Gebiet C, das etwa 60 Prozent des palästinensischen Territoriums ausmacht und in dem etwa 300.000 Palästinenser leben. Alles war genau mit der Trump-Regierung abgesprochen und wäre laut US-Außenminister Pompeo im Einklang mit dem bevorstehenden „Deal des Jahrhunderts“ von Kushner und Greenblatt. Dieser mehrfach angekündigte und nun abermals bis nach Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, der dieses Jahr Anfang Mai bis Anfang Juni stattfindet, verzögerte Deal soll danach verkündet werden. Fast scheint es, als ob dieser „Deal of the Century“ aus gutem Grund nach Ramadan veröffentlicht werden soll, weil man Angst vor den wütenden Reaktionen der arabischen und muslimischen Welt auf diesen offenen Bruch des Völkerrechts hat.

Seit die BDS-Bewegung immer stärker wurde, wird diese immer mehr zum bevorzugten „jüdischen Kriegsziel“. Man versucht immer stärker, die Meinungsfreiheit zu unterbinden, und Fakten und Wahrheiten, die den „Jüdischen Staat“ in Verruf bringen, zu unterbinden. So vermeidet es die Israel-Lobby tunlichst, sich mit Aktivisten oder Israel-Kritikern an einen Tisch zu setzen und mit ihnen zu diskutieren, wie schon so oft vorgeschlagen. Natürlich aus gutem Grund, denn zu eindeutig wäre die Niederlage mangels stichhaltiger und überzeugender Gegenargumente. Noch gefährlicher wird es, wenn man auf Druck der überaus rührigen Pro-Israel-Lobby im deutschen Parlament mit dubiosen Gesetzesvorlagen gegen Organisationen und Unterstützer von BDS oder Israel-Kritiker gerichtlich vorgehen sollte. Diese Bedrohung unseres Rechts auf Meinungsfreiheit sollte uns mehr als besorgt und solidarisch machen.

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden!

Die Gräueltaten wie sie durch die jahrzehntelange Besatzung durch das zionistische Regime begangen wurden, die mannigfachen Kriegsverbrechen, die Kindermorde und der Völkermord in Gaza, müssen endlich als das, was sie sind, bezeichnet werden und geahndet werden: Als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Staatengemeinschaft muss endlich für die Meinungsfreiheit einstehen und die unangenehme Wahrheit aussprechen, dass der „Jüdische Apartheidstaat“ keine Demokratie ist und so normal behandelt werden muss wie jeder andere Staat, der eine ethnische Säuberungspolitik durchführt.

Wir dürfen nicht nachlassen im Kampf für ein freies Palästina from the River to the Sea. Wir müssen uns dagegen wehren, wenn Israel-Kritik obligatorisch als Antisemitismus kriminalisiert wird!

In der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht in Ausgabe 703 vom 01.05.2019 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25852

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom „Hochblauen“, dem 1165 m hohen „Hausberg“ im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch „Das elfte Gebot: Israel darf alles“ heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ ausgezeichnet.

Evelyn Hecht-Galinski  2. Mai 2019
Rubrik: Meinung

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