Politik und Geist: der Kampf um die Köpfe auf dem Balkan

William Mallinson
Wie bei den Balkankriegen: Die Menschen als Opfer der Großmachtpolitik

Unter dem Begriff Orientalischer Frage verstand man das Problem der Aufteilung des Osmanischen Reichs. Heute geht es wieder um Aufteilung, d.h. um Einrfluss und Kontrolle auf dem Balkan, der ja ein Teil des damaligen Osmanischen Reichs war

Original
William Mallinson Politics and Spirit: the Battle for Balkan Minds

Dimitris Konstantakopoulos ‚eindrucksvolles Stück über die Spaltung zwischen Moskau und Konstantinopel löste in meinem Kopf einige andere verwandte Faktoren aus, die berücksichtigt werden können. Sie sind: politische Einmischung in die Religion; Begleitende Pläne der USA, Moskau so weit wie möglich zu isolieren; Washingtons Pläne, Griechenland gegen Moskau zu stellen; und Moskaus Anspruch, in der Familie christlich-orthodoxer Kirchen der erste unter gleichen zu sein.

Erstens hat das US-freundliche Ökumenische Patriarchat ein jahrhundertealtes Abkommen mit Moskau gebrochen, wonach es willkürlich die Übertragung seiner Zuständigkeit für die Kiewer Metropole auf Moskau annulliert hat; und dann zwei bisher nicht anerkannte Kirchen anerkannt hat, was eine autokephale ukrainische orthodoxe Kirche unter Konstantinopel bedeuten würde. Dies stellt eine eklatante politische Einmischung höchster Ordnung dar und dürfte die Unordnung in der Ukraine weiter erschweren. Es schadet der Spiritualität.

Zweitens und damit verbunden sind die Bemühungen der USA, alles zu tun, um Russland zu irritieren und zu isolieren, selbst bis zu dem unverantwortlichen Punkt, den Kalten Krieg in einen heißen Krieg zu verwandeln. Das Ökumenische Patriarchat hat in den USA nicht nur seine Schwäche, sondern auch sein heimliches politisches Engagement gezeigt. Der Patriarch, der bereits 1971 durch die Schließung des Chalki-Seminars durch die türkische Regierung schrecklich geschwächt wurde, hat sich in den Fuß geschossen.  

Washingtons Pläne, die Beziehungen zwischen Athen und Moskau zu stören, gehen weiter zügig voran. Am 19. Dezember informierte Frau Amy Carlton, Leiterin der politischen Abteilung der US-Botschaft in Athen, bei einem Treffen im US- und israelfreundlichen Institute of International Relations der Panteion University, dass einige Tage zuvor in Washington ein wichtiger US-griechischer „strategischer Dialog“ stattgefunden habe, an dem sogar Pompeo teilgenommen habe. Sie verwies auch auf die „zunehmende Bedeutung“ des östlichen Mittelmeerraums (war dies nicht schon wichtig genug!)  für die NATO, für die „wichtige geopolitische Dynamik“ um Griechenland und für Griechenland als Energieträger.

Diese Art von Öffentlichkeitsarbeit ist natürlich nicht neu, sondern muss regelmäßig durchgeführt werden, wenn die USA befürchten, dass Griechenland nett zu Moskau ist. Viele Griechen neigen dazu, den Unsinn, das Sperma, das Vieh und den Lauf zu schlucken, ohne zu wissen, dass die USA unweigerlich die Augen vor der türkischen Aggression gegen Griechenland verschließen werden, wie sie es 1974 und während der Imia-Krise getan haben. Wie viele Griechen wissen, dass die USA das Recht Griechenlands auf einen territorialen Luftraum jenseits seines Territorialmeeres nicht anerkennen und dass die USA nur eine Sechs-Meilen-Zone anerkennen? Was die Kirche von Griechenland betrifft, die autokephal ist, so würde nichts Washington mehr gefallen, als die Beziehungen der Kirche von Griechenland zum Moskauer Patriarchat zu verschärfen.

Dies steht im Zusammenhang mit dem Heimtierprojekt der USA zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Griechenland, Zypern und Israel im Verteidigungsbereich, das von Griechenlands flachliegendem Tsipras voll unterstützt und sogar gelobt wird. Wie viele Griechen wissen, dass der israelische Botschafter in Griechenland sich geweigert hat, die Frage dieses Autors zu beantworten, ob Israel die 12-Meilen-Seegrenze Griechenlands und seine zehn Meilen Luftraumgrenze anerkannt hat? Und trotz Erdogans pro-palästinensischer Rhetorik existiert das von den USA geförderte türkisch-israelische Militärkooperationsabkommen nach wie vor. Die türkische Diplomatie ist bekannt dafür, dass sie den Kuchen hat und isst. Was auch immer die Öffentlichkeitsarbeit ist, die USA brauchen die Türkei mehr als sie Griechenland brauchen. Aus Washingtons Sicht wäre ein türkisch-israelisch-griechisch-zypriotisches Bündnis ein Nirvana. Es geht um Russland!  

Was die vermeintliche Rolle Moskaus als erste unter Gleichen angeht – das heißt, es würde das zweite Rom werden – stellt sich die Frage, ob dies möglich ist. 1510 schrieb der Mönch Philotheus von Pskov: „Ich möchte einige Worte zum heutigen orthodoxen Reich unseres Herrschers hinzufügen: Er ist der einzige Kaiser der Christen auf Erden, der Führer der Apostolischen Kirche, der nicht mehr in Rom steht oder in Konstantinopel, aber in der gesegneten Stadt Moskau. Sie allein scheint in der Welt heller als die Sonne […] Alle christlichen Reiche sind gefallen und an ihrer Stelle steht allein das Reich unseres Herrschers gemäß den prophetischen Büchern. Zwei Roms sind gefallen, aber das dritte steht, und ein vierter wird es nicht geben.“ 

Ein neuer Kampf um den Balkan hat begonnen … um Herz und Kopf.  

(*) Professor für politische Ideen und Institutionen, Universität Guglielmo Marconi

 

Siehe auch
Kampf um die osmanische Beute

William Mallinson  15. März 2019
Rubrik: Balkan/Osteuropa/Kaukasus

2 Gedanken zu „Politik und Geist: der Kampf um die Köpfe auf dem Balkan“

  1. Warum soll die ukrainische orthodoxe kirche nicht unabhängig sein? Die USA haben überhaupt nix damit zutun. Dieses abkommen zwischen konstantinopel und moskau basiert auf grenzen die ein halbes jahrtausend alt sind. Wie wenn sie ein abkommen aus dem 16 jahrhundert herholen um zu fordern dass die länder Südamerikas von italien und dem vatikan kirchlich bestimmt und verwaltet werden. Warum soll die Ukraine keine eigene orthodoxe kirche haben?

    Immer die amerikaner und deutschen für alles pass nicht nach griechenlands pfeife tanzt verantwortlich machen, sich aber dann bei den amerikanern und europäern ausheulen und beschweren wegen allem möglichen.

    Der südosten europas ist wirtschaftlich ein witz. Länder wie griechenland können die europäer nur erpressen zb mit hetze und negativer propaganda oder in dem griechenland ganz europa flutet mit illegalen die leider übleste straftaten begehen.

    Die 12 Meilen grenze bedeutet für die türkei sie hat nichtmal das recht auf ihre eigene küste weil griechenland mit irgendwelchen inseln direkt vor der türkischen küste beansprucht alles im umkreis gehört griechenland. Diese 12 meilen theorie ist völlig veraltet. Bei der grenze im meer muss eine neue und moderne Übereinkunft kommen und nicht so ein völlig veralteter 12 meilen standart für den ozean aus dem 19 jahrhundert. Damals stimmte die türkei auf massiven druck der alliierten zu.

    Für irgendwelche kämpfe auf dem balkan sind die leute auf dem balkan selbst schuld und sonst keiner.

    Ich schreibst auf deutsch weil so die meisten griechen denken. Der grieche glaubt alles gehört zu griechenland. Kleinasien, pondos und der kaukasus, die ganze schwarzmeer region, süditalien, südalbanien, jugomakedonien einfach alles gehört griechenland.
    Warum glaubt eigentlich der moderne griechische staat alles würde ihm gehören? Auch zypern soll griechisch sein. Ist Österreich oder die Schweiz deutsch? Oder Südtirol?

    Wenn die Ukraine kein recht auf eine eigene autokephale kirche hat dann hat auch hellas kein recht auf eine eigene autokephale kirche.

    1. Lieber Mike Kokkinidis, natürlich hat die Ukraine das Recht auf eine autokephale Kirche, auch wenn Kirche und Religion ein Relikt aus der Zeit der vielen Götter der Antike sind, die die Juden mit dem Christentum auf einen Gott reduzierten. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Kirche immer ein Instrument der Herrschenden war, z.B. die katholische Kirche zur Kolonialisierung Südamerikas und Afrikas oder die orthodoxe Kirche als Stütze des Byzantinischen Reichs.
      So weit so schlecht. Nun wird aber heute die orthodoxe Kirche, mit dem wackeligen konstantinopoler Patriarchen Bartholomäus, als ein Instrument benutzt, das der zionistische Hegemon gegen Russland einsetzt. Es soll zur Abspaltung der ukrainischen Kirche in Form einer Autokephalie benutzt werden, um das russische Patriarchat zu schwächen. Die Kirche wird also zu einem politischen Instrument, wie sie schon seit eh und jeh war.
      Es geht also nicht darum, ob die Ukraine oder Griechenland ein recht auf eine autokephale Kirche haben, sondern darum, ob diese Kirche für politische Zwecke benutzt wird, was im Fall der Ukraine eindeutig der Fall ist.

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