Putin, Grudinin und die jüdischen Oligarchen

Franz Krummbein
Pawel Nikolajewitsch Grudinin

Die Präsidentschaftswahlen in Russland sind für den 18. März angesetzt. Der Landwirt Pawel Grudinin tritt überraschend als Kandidat gegen Wladimir Putin an. Grudinin, Leiter eines landwirtschaftlichen Vorzeige-Betriebs bei Moskau, ist die größte Überraschung des Wahlkampfes.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sieht derzeit für Russlands Präsident Wladimir Putin noch keine Konkurrenten in den kommenden Wahlen, obwohl es “viele würdige Menschen“ gibt. Pawel Grudinin dürfte nach Angaben staatlicher Meinungsforscher mit rund sieben Prozent der Stimmen das zweitbeste Ergebnis nach Putin erzielen. Ziel der Staatsmacht ist die doppelte 70: 70 Prozent Stimmen für Putin bei 70prozentiger Wahlbeteiligung.

Aber viele Beobachter prophezeien Grudinin allerdings ein deutlich besseres Abschneiden. Seit 2015 hatte sich die Ansicht verbreitet, das Land bewege sich in eine Sackgasse. Bei den breiten Umfragen im Internet Ende Februar war Grudinin etwa doppelt so beliebt wie Putin und erreichte im Netz eine Zustimmung von 67 Prozent. “Das ist zwar ein wichtiger Bereich, aber nicht entscheidend, insbesondere in unserem Land. Natürlich wird dem Internet entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt, aber unser Land und unser Volk sind sozusagen maßstäblicher, als das Internet“, so Peskow.

Grudinin, der sich im rauen Wirtschaftsleben auskennt und dazu noch als Unternehmer mit Herz auftritt, könnte bei den Präsidentschaftswahlen Erfolg haben. Ein Sieg gegen Wladimir Putin, der sich zum vierten Mal zum Präsidenten wählen lassen möchte, ist möglich. Damit übrigens die flotten Sprüche Grudinins nicht zu populär werden, beginnen staatsnahe Medien, ihm ein “Kompromat” vorzuwerfen. An den letzten Tagen attackierten staatliche Medien Grudinin besonders scharf. Jeden Tag, jede Stunde!

Der neue Präsidentschaftskandidat wird von Kreml-Medien massiv angegriffen, bestätigt “Focus”. Grudinin ist “ein neuer Schachzug des Präsidialamtes. Tatsächlich bewahrt Grudinin Stillschweigen über die wahre politische Situation im Land. Er sucht nicht nach den Ursachen der Wirtschaftskrise und lässt die rapide Bereicherung der Figuren aus dem nahen Umfeld Putins außer Acht. So ist Grudinin de-facto ein Weggefährte des Kremls”, so “Focus”. Welche Dummheit!

Die goldenen Jahre unter Wladimir Putin, als der Ölpreis hoch war und die Russen das süße Leben der Konsumgesellschaft genießen konnten, sind vorbei. “Die Gehälter der Russen sind seit Ausbruch der Wirtschaftskrise 2014 deutlich gesunken. Die Preise steigen weiter und ich höre sehr oft Klagen, gerade in der Provinz, dass die Leute nur mit Müh und Not irgendwie durch den Monat kommen. Ich denke, da muss Putin irgendetwas unternehmen und irgendwie gegensteuern, wenn er nicht riskieren möchte, dass die Opposition in ein paar Jahren plötzlich zehntausende Leute mobilisieren kann”, sagte David Nauer, Korrespondent von Radio SRF in Russland.

Grudinin erinnert auch daran, dass zwanzig Prozent der Russen Im Elend leben: „Ich bin kein Kapitalist sondern Unternehmer. In Russland reich zu sein, ist nicht möglich. Früher oder später siedelst Du ins Ausland über, wie unsere Oligarchen, oder du wartest in Russland auf den Aufstand der Armen.“ An die Stammwähler denkt Grudinin, wenn er höhere Leistungen für Pensionierte verspricht. In einer Fernsehdebatte erklärte er, eine Wirtschaft, in der die Rentner nicht über den Monat kämen, sei keine Wirtschaft, sondern Diebstahl.

In diesem Zusammenhang verspricht Grudinin einen härteren Kurs gegen die jüdischen Oligarchen. Sie seien durch die räuberische Privatisierung in den 1990er-Jahren reich geworden und hätten ihr Geld nicht in Russland, sondern in Amerika und Europa angelegt. Das könnten „keine Freunde sein“. Denn sie hätten ihr Geld „nicht wie Bill Gates selbst erarbeitet“, sondern sich einfach nur die Rohstoff-Ressourcen Russlands angeeignet. Die Armen werden mehr, aber die Reichen werden auch mehr. Der Reichtum werde unter den Freunden Putins aufgeteilt. Personen, welche dem Volk viel Geld geklaut haben, würden vom Präsidenten geschützt,  sagt der Agrar-Unternehmer. Er verspricht, die Oligarchen zu zwingen, ihre in Offshore-Zonen geparkten Milliarden nach Russland zurückzubringen. Das ist im gelenkten russischen Politbetrieb ungewöhnlich, schreibt die “Neue Zürcher Zeitung”.  Eine Person, die so wie hier spricht, wird von den Oligarchen nicht geliebt. Mit seiner Kritik an den Oligarchen, gegen die Putin machtlos ist, spricht Grudinin vielen Russen aus dem Herzen.

Er war bis 2010 Mitglied der Regierungspartei “Einiges Russland”. Grudinin erklärte, er sei aus der Partei ausgetreten bevor man sie im Volksmund „Partei der Betrüger und Räuber“ nannte. Wenn man als Unternehmer nicht in dem korrupten System mitspielt, habe man sehr viele Probleme, berichtete Grudinin, der mehrere feindliche Übernahmen windiger Geschäftsleute abwehren musste und beklagt, dass die feindlichen Übernahme-Versuche von Richtern und Polizisten gedeckt wurden. Jeden Tag müsse die Verwaltung seines Unternehmens Kraft und Zeit aufbringen, um gegen die Korruption der Beamten zu kämpfen. Diese Korruption hat alle Teile des Staatsapparats erfasst.

Grudinin ist kein dummer Schwätzer. Konkret will er zunächst die Naturschätze und strategische Wirtschaftssektoren nationalisieren sowie die Preise für Güter des täglichen Bedarfs unter Staatskontrolle bringen. „Die Regierung muss die Tarife für Strom, Brennstoff und öffentlichen Verkehr regulieren. Das sind die Hauptfaktoren für die  Wirtschaftsentwicklung und den sozialen Wohlstand der Bürger des Landes“, heißt es nun auch im Zehn-Thesen-Wahlprogramm von Grudinin. „Die Reichen in Russland müssen längst ihren Geldbeutel ziehen“, heißt es weiter. Grudinin ist demnach bereit, die Einkommenssteuer für die Armen zu senken oder in einigen Fällen ganz zu streichen. „Diese Entscheidungen sind nicht nur gerecht, sondern werden den Haushalt um vier Billionen Rubel vergrößern“, so Grudinin.

Ob der Produktionsrückgang in Russland, die Steuerreform, die Vorherrschaft der Oligarchen und die Kapitalflucht oder soziale Ungleichheit –  Grudinin greift die Themen auf, die seine Mitbürger wirklich bewegen. Sein Wahlkampfslogan „Gerechtigkeit – Heimat – Volk“ spiegelt die populäre nationalpatriotische Tendenz in der russischen Gesellschaft wider, gibt “Focus” zu. Grudinin fordert eine Begrenzung für den Zufluss von ausländischem Spekulationskapital und den Austritt Russlands aus der Welthandelsorganisation. Die Preise von Grundprodukten sollen administriert, wichtige Industrieunternehmen und Banken verstaatlicht werden. Steuern für Ärmere werden gestrichen, für Reiche angehoben. Russland solle zudem möglichst schnell aus der Welthandelsorganisation (WTO) aussteigen.

Immer wieder erinnert der Agrar-Unternehmer daran, dass das in der russischen Verfassung garantierte Recht auf kostenlose medizinische Versorgung und kostenlose Bildung nur auf dem Papier steht. „Die russische Regierung hätte man schon vor drei Jahren, als die Sanktionen begannen, entlassen müssen. Denn das Anti-Krisen-Programm der Regierung nützt nur den Banken,“ meint der Präsidentschaftskandidat.

Der 57-Jährige ist Direktor der am südlichen Stadtrand von Moskau gelegenen „Aktiengesellschaft Lenin Sowchose“, die große Erdbeer- und Apfelbaum-Plantagen besitzt und außerdem Milch verkauft. Er ging den langen Weg vom Ingenieur-Mechaniker zum Direktor, der seinen Betrieb zum führenden in der landwirtschaftlichen Branche machte. Grudinin erklärt, seine Mitdirektoren und er hätten sich noch keinen Rubel an Dividende aus ihrer Beteiligung ausgezahlt, obwohl das Gut wirtschaftlich floriert. Stattdessen seien Lohnaufschläge für die Mitarbeiter, Hilfen für die Rentner sowie neue Investitionen bezahlt worden.  Einfache Mitarbeiter bekämen heute umgerechnet 1.130 Euro Lohn, was für russische Verhältnisse ein gutes Gehalt ist.

Die Einwohner des Sowchos scheinen von ihrem Direktor einfach begeistert zu sein. Hier gibt es genug Kindergartenplätze und modernste Sportschulen für Kinder und Jugendliche. Keiner will hier weg. Für die Einwohner kostenlos seien alle Kindergärten und Schulen in Sowchos, die wie Märchenschlösser gebaut sind. Kostenlos seien zudem Medikamente in Krankenhäusern und Mittagsessen in den Schulen.

Bei seinen Auftritten erklärte Grudinin, wenn Russland sich im Jahr 1991 nicht vom Sozialismus abgewandt und den Weg der Liberalen gegangen wäre, dann hätte das Land heute einen so hohen Anteil am Welt-Bruttosozialprodukt wie China. Jedoch der Kandidatur von Grudinin sei keine breite Debatte in den linken Kreisenvorausgegangen, kritisiert der linke Politologe Boris Kagarlitsky. Von daher könne man nicht von dem Kandidaten der russischen Linken sprechen.

Und wirklich ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen können ihn unterstützen. Sie bezeichneten den neuen Kandidaten als Symbol der Hoffnung auf Veränderungen und Alternative zur liberalen Putins Regierung. Er hat ein äußerst erfolgreiches Image, er ist ein guter Redner, eine prägende Persönlichkeit mit einer sehr positiven Biographie. Aber ich bin überzeugt, dass die jüdische Oligarchie die Präsidentenwahl zu stehlen beabsichtigt.

Franz Krummbein  7. März 2018
Rubrik: Meinung

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